Apostelgeschichte 16, 23-34 | Mittwoch nach dem 6. Sonntag nach Trinitatis | Pfr. Dr. Martens

Heute Nachmittag hatten wir die vorletzte Stunde unseres Taufunterrichts. Drei Monate lang sind unsere Taufbewerber nun schon auf den Empfang der Heiligen Taufe vorbereitet worden, und mittlerweile sind die letzten Planungen längst angelaufen: Die Taufkreuze sind bestellt, die Taufkerzen werden gerade hergestellt. Alles muss ja seine Ordnung haben, und alles auch seinen Vorlauf.

In der Predigtlesung des heutigen Abends ist auch von einer ganzen Reihe von Taufen die Rede. Die wurden allerdings nicht wochenlang vorher vorbereitet; da wurde kein Tauftermin im Vorfeld abgesprochen; da gab es zugegebenermaßen auch keine Taufkreuze und keine Taufkerzen. Diejenigen, die hier in unserer Geschichte getauft werden, die ahnten noch über-haupt nichts von ihrer Taufe, als sie sich abends ins Bett legten – doch als am nächsten Mor-gen die Sonne aufging, da feierten sie schon ein Fest als neugetaufte Christen. Ja, so schnell kann das mitunter gehen. Und doch ist es dieselbe eine Taufe, die wir jeden Sonntag im Glau-bensbekenntnis bekennen, dieselbe eine Taufe, die damals in Philippi und heute fast jeden Sonntag hier in unserer Gemeinde gefeiert wird. Dreierlei schildert uns St. Lukas hier in unse-rer Predigtlesung über diese eine Taufe, dreierlei, das heute genauso aktuell ist wie damals vor fast 2000 Jahren. Er spricht

  • vom Weg zur Taufe
  • vom Inhalt der Taufe
  • von der Freude der Taufe

I.

Wie gesagt: Das hätten sich der Gefängniswärter von Philippi und die Angehörigen seiner Familie nicht träumen lassen, dass sie so bald getauft werden würden, dass sie so bald Chris-ten werden würden. Schnell ging das bei ihnen allen – und doch waren es ganz unterschiedli-che Wege, auf denen sie zur Taufe geführt wurden:

Bei dem Gefängniswärter war es eine ganz existentielle Krise, die ihn dazu brachte, nach sei-nem Heil, nach seiner Rettung zu fragen. Er war verantwortlich für die sichere Verwahrung der beiden Unruhestifter Paulus und Silas in seinem Gefängnis. Doch dann geschieht ein gro-ßes Erdbeben; die Türen des Gefängnisses springen auf – und der Gefängniswärter muss da-mit rechnen, dass seine Gefangenen entkommen sind. So verzweifelt ist er darüber, dass er sich spontan das Leben nehmen will. Doch im letzten Augenblick hält ihn Paulus davon ab, macht ihm deutlich, dass er und Silas die Gelegenheit zur Flucht nicht genutzt haben. Und all das erschüttert den Gefängniswärter so sehr, dass er eine sehr grundsätzliche Frage stellt: „Liebe Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde?“ Verstehen kann man diese Frage nur, wenn man weiß, dass für den Gefängniswärter in seinen religiösen Vorstellungen die Sache klar war: Wenn diese beiden Leute mit ihrem Singen ein Erdbeben hervorrufen konn-ten, dann mussten das Götterboten sein – und die hatte er eingesperrt, statt sie zu verehren. Da musste er schon mit dem gewaltigen Zorn dieser Götterboten rechnen. Und so redet er sie als Herren an, als „kyrioi“, fragt, was er tun muss, um von ihrem Zorn verschont zu werden.

Ja, das gibt es, dass Menschen in ihrem Leben gewaltige Erschütterungen erfahren – und dass sie in diesen Erschütterungen ganz neu anfangen, nach Gott zu fragen, danach, was sie tun können, damit sie ihr Leben nicht völlig verfehlen. Viele solcher Erschütterungsgeschichten habe ich in den vergangenen Jahren gehört, Geschichten, die auch mich selber sehr bewegt haben. Ja, Gott kann Menschen auf ganz ungewöhnlichen Wegen zur Taufe führen.

Aber da sind dann ja auch noch die Familienangehörigen des Gefängniswärters. Wahrschein-lich haben die auch dieses Erdbeben mitbekommen, wir wissen es nicht. Aber nichts wird davon berichtet, dass dieses Erdbeben auch bei ihnen eine große innere Erschütterung hervor-gerufen hätte. Nein, sie werden einfach vom Hausvater mitgebracht, hören in der Nacht die Verkündigung des Paulus und werden dann auf Geheiß des Hausvaters getauft. Dass diese Leute sich irgendwie für Jesus entschieden hätten, davon steht hier in unserer Geschichte nichts. Auch das ist also ein Weg zur Taufe, den uns St. Lukas hier schildert, ein Weg, den auch viele von uns geführt worden sind, die heute Abend hier in der Kirche sitzen: Gebracht worden sind nicht wenige von uns von ihren Eltern zur Taufe, wie damals die Angehörigen des Gefängniswärters auch. Und wie Paulus damals das Taufbegehren des Familienvaters für seine ganze Familie nicht zurückgewiesen hat, so sind auch wir getauft worden, ohne dass wir zu Beginn vielleicht selber geahnt haben, was da eigentlich mit uns geschah. Doch die Taufe, sie war und ist für uns so wichtig, dass unsere Eltern mit Recht darauf bestanden haben, dass auch wir mit ihr beschenkt werden sollten.

II.

Und damit sind wir schon beim Inhalt der Taufe. Ein Doppeltes macht uns St. Lukas hier in dieser Geschichte deutlich:

Da fragt der Gefängniswärter zunächst einmal: „Was muss ich tun, dass ich gerettet werde?“ Das ist eine typisch religiöse und eben damit verkehrte Frage: Genauso ticken wir Menschen, dass wir immer wieder danach fragen, was wir tun müssen, um gerettet zu werden. Das scheint doch klar zu sein: Wir als Menschen müssen irgendwelche guten Werke tun, irgend-welche religiösen Leistungen bringen, um Gott oder die Götter zu besänftigen, dann haben wir da oben im Himmel eine Chance.

Paulus antwortet auf diese Frage: „Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus se-lig.“ Diese Antwort ist sogar unter Christen immer wieder völlig falsch verstanden worden, als ob nämlich unser Glaube, unsere Entscheidung für Jesus das gute Werk sei, das Gott von uns fordert: Jesus hat etwas für dich getan – aber nun musst du auch etwas tun, musst dich entscheiden, musst ganz fest glauben. Ja, wenn du das tust, dann wirst du gerettet werden – oder sollte man besser sagen: dann wirst du dich selber retten?

Doch Paulus meint genau das Gegenteil: „Glaube an den Herrn Jesus!“ heißt gerade nicht: Das ist es, was du tun musst! Sondern es heißt: Du brauchst gerade gar nichts zu tun, weil dein Herrn Jesus Christus alles für dich getan hat. Nicht das Tun des Menschen ist der Weg, um gerettet zu werden, sondern das Tun Gottes, das Tun des Herrn Jesus Christus. Und genau darin besteht ja der Glaube: nicht selber etwas zu tun, sondern zu empfangen, was Gott für uns tut.

Natürlich hat dieser Glaube einen Inhalt: Paulus verkündigt dem Gefängniswärter und seiner Familie das Wort des Herrn, so heißt es hier. Und damit ist gemeint, dass er seinen Zuhörern deutlich macht, dass sie beide, Paulus und Silas, eben gerade keine Götterboten sind, denen besondere Verehrung zu gelten hat, dass sie keine Herren sind, sondern dass es nur einen Herrn gibt: eben Christus, der für uns gestorben und auferstanden ist. Was Paulus der Familie alles erzählt hat, wissen wir nicht im Einzelnen. Aber eines ist doch sehr interessant: Offenbar gehört zu den entscheidenden Dingen, die Paulus über Christus zu sagen hat, auf jeden Fall auch die Taufe. Denn von sich aus wäre der Gefängniswärter niemals auf die Idee gekommen, sich nun taufen zu lassen. Doch wenn Paulus von dem spricht, was Christus für uns getan hat und tut, kann er offenbar gar nicht anders, als dabei auch von der Taufe zu sprechen, in der jeder Mensch persönlich das Geschenk der Rettung erfährt. In der Taufe wird also deutlich: Nicht wir retten uns, sondern Christus rettet uns, Gott sei Dank.

III.

Und das hat Folgen: Der Gefängniswärter lässt sich und seine Familie taufen. Nichts wird davon berichtet, dass er dazu erst zu einem Fluss oder See gegangen sei. Nein, die Taufe wur-de offenbar direkt vor Ort vollzogen, auch ohne ein großes Becken, in dem man untertauchen konnte. Aber mit dieser Taufe ist dann eben nicht Schluss – daran schließt sich ein Freuden-mahl an, eine Feier mit der ganzen neugetauften Gemeinde inklusive Paulus und Silas. Die Taufe ist ja nicht das Ende, sondern der Anfang eines Lebens mit Christus – eines Lebens, das immer wieder neu geprägt ist von der Freude darüber, zu Gott geführt worden zu sein, zu Christus geführt worden zu sein. Wo Menschen getauft werden, da herrscht immer wieder neu Freude und Jubel, so erleben wir es auch in unserer Mitte, da geht es gar nicht anders, als dass dann auch das Freudenmahl gefeiert wird – hier oben am Altar, wenn Christus uns an seinen Tisch lädt, aber dann auch weiter in unseren Gemeinderäumen. Ich kann als getaufter Christ nicht allein bleiben, ich brauche die Gemeinschaft der Getauften, um mit ihnen immer wieder neu meine Freude über meine Taufe teilen zu können.

In der kommenden Zeit werden wir immer wieder Zeugen von solchen Taufen hier an unse-rem Taufstein sein. Lasst unsere Täuflinge bitte mit ihrer Freude über ihre Taufe nicht allein, kommt und feiert mit ihnen mit! Es geht doch um nicht weniger als darum, dass wir alle mi-teinander durch das Geschenk der Taufe selig werden! Amen.

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