Apostelgeschichte 19,1-9 | Tag der Geburt St. Johannes des Täufers | Pfr. Dr. Martens

Nun ist die Spargelsaison wieder vorbei. Traditionell endet mit dem St. Johannistag, dem Tag der Geburt St. Johannes des Täufers am 24. Juni die Zeit des Spargelstechens, damit die Spargelpflanze bis zum nächsten Jahr genügend nachwachsen kann. Spargel wurde in diesen vergangenen beiden Monaten reichlich angeboten – hier in der Gegend vor allem Beelitzer Spargel. Es gibt Meldungen, wonach hier in der Gegend etwa sechsmal mehr Beelitzer Spargel verkauft worden ist, als in Beelitz und Umgebung überhaupt angebaut wurde. Ja, längst nicht überall, wo „Beelitzer Spargel“ draufsteht, ist eben auch „Beelitzer Spargel“ drin. Wir kennen das aus vielen Bereichen unseres Lebens, dass wir mit wohlklingenden Namen in die Irre geführt werden, dass der Name, wenn man einmal genauer nachkontrolliert, in keiner Weise hält, was er verspricht.

Und das gilt eben nicht bloß für Spargel oder Erdbeeren, auch nicht bloß für Uhren und angebliche Markenklamotten. Es gibt auch ein weiteres Label, das geradezu inflationär gebraucht wird und oftmals ebenso wenig hält, was es zunächst verspricht. Und das ist der Name „Christ“. Was wird nicht alles als „christlich“ angeboten, was in Wirklichkeit alles Mögliche ist, aber nicht unbedingt den Namen „christlich“ oder „Christ“ verdient!

Da gibt es Leute in unserem Land, die ausgezogen sind, um angeblich das christliche Abendland gegen Flüchtlinge zu verteidigen. Doch wenn man sie fragt, was sie denn selber unter „christlich“ verstehen, ja, was es für sie selber denn bedeutet, Christ zu sein, dann folgt in aller Regel nur heiße Luft, dann entpuppt sich das angebliche christliche Abendland oft genug als Gartenzwergidylle, und Christ zu sein bedeutet für viele dieser Kämpfer für christliche Werte nicht sehr viel mehr, als eine bestimmte Spießbürgermoral zu verteidigen.

Und da gibt es umgekehrt Vertreter von Institutionen, die sich „christlich“ oder auch „evangelisch“ nennen, für die Christ zu sein letztlich nur bedeutet, sich für bestimmte ökologische Maßnahmen einzusetzen und zu versuchen, schon hier auf Erden das Reich Gottes gesellschaftliche Realität werden zu lassen. Ein Christ ist einer, der bestimmte politische Forderungen mit religiösem Pathos unterlegt und sie gar für heilsnotwendig erklären würde, wenn er von solchem Heil überhaupt noch etwas wüsste.

Es ist interessant, dass es solche Probleme mit irreführenden Labels auch schon zur Zeit des Neuen Testaments gab. Da berichtet uns St. Lukas, wie der Apostel Paulus aus der Zentraltürkei herunter an die ägäische Küste nach Ephesus kommt und dort in Ephesus auf Leute trifft, die sich „Jünger“ nannten. „Jünger“ – das war damals ein Wort, das in christlichen Kreisen geläufig war, ein Wort, mit dem sich Christen selber bezeichneten. Doch diese Jünger, die der Apostel Paulus da antrifft, waren in Wirklichkeit offenkundig keine Christen. Sie gehörten zu einer Bewegung, die zu dieser Zeit damals durchaus weit verbreitet war, zu einer Bewegung, die sich auf Johannes den Täufer berief und offenkundig eigene religiöse Riten geschaffen und eingeführt hatte. Ganz offenkundig hatten damals zu der Zeit, als Johannes der Täufer am Jordan wirkte, nicht alle so ganz genau hingehört, was Johannes ihnen gepredigt hatte. Sie hatten nicht mitbekommen, dass Johannes mit seiner Taufe doch nur auf das Kommen eines Größeren nach ihm, auf das Kommen Gottes selber hinweisen wollte – und dass sich seine Wirksamkeit schließlich erfüllte, als Jesus zu ihm kam und er auf ihn als das Lamm Gottes verweisen konnte, auf ihn, Jesus, als den, den er in seinem Wirken und seiner Verkündigung angekündigt hatte.

Doch dann wurde Johannes der Täufer ins Gefängnis geworfen, und irgendwie verselbstständigte sich daraufhin die Bewegung, die er ins Leben gerufen hatte: Anhänger von Johannes dem Täufer gründeten im ganzen östlichen Mittelmeerraum Gemeinden und fingen offenbar auch an, die Taufpraxis Johannes des Täufers fortzusetzen. Was sie dabei verkündigten, kann man nur erahnen: Vermutlich wird es eine Aufforderung an die Menschen gewesen sein, ihr Leben zu verändern und auf den Anbruch einer besseren Zukunft zu hoffen.

Für Außenstehende sah diese Bewegung erst einmal sehr ähnlich aus wie die christliche Kirche, die sich in dieser Zeit ebenfalls gerade ausbreitete: Sie hatte ebenfalls einen jüdischen Hintergrund, hatte sich aber von den jüdischen Synagogengemeinden gelöst. Und auch bei ihnen gab es eben so etwas wie eine Taufe, durch die man in die Gemeinde aufgenommen wurde. Und war nicht auch Jesus von Johannes dem Täufer getauft worden?

Paulus trifft jedenfalls einige dieser Täuferbewegung dort in Ephesus. Da sie sich Jünger nannten, möchte er gerne mehr von ihnen wissen und stellt eine ganz bezeichnende Testfrage: Er fragt sie nach dem Heiligen Geist, fragt sie danach, ob sie den Heiligen Geist empfangen haben. Denn ohne den Heiligen Geist kann bekanntlich niemand an Jesus Christus glauben. Doch die Antwort dieser Johannesjünger fällt sehr ernüchternd aus: Von einem Heiligen Geist haben sie noch nie etwas gehört; der kommt bei ihnen in ihren Gemeinden, der kommt bei ihnen in ihrem Glauben überhaupt nicht vor. Und damit ist die Sache für Paulus klar: Das können keine Christen sein. Christ zu sein ohne den Heiligen Geist, das geht gar nicht, das kann gar nicht sein.

Und Paulus weiß natürlich auch genau, wie man den Heiligen Geist empfängt: Nicht dadurch, dass man sich irgendein schönes Gefühl macht oder dass der Heilige Geist einfach irgendwie über einen kommt. Sondern den Heiligen Geist empfangen Christen natürlich in der Taufe, in der sie unter die Herrschaft Jesu Christi gestellt werden. Die Johannesjünger merken, gottlob, dass das offenkundig etwas ganz anderes ist, als was sie bisher geglaubt hatten. Sie merken, dass sie offenbar bisher das Entscheidende verpasst haben, worum es geht: nicht bloß um irgendeine Umkehr im Leben, sondern ganz konkret darum, zu Jesus Christus zu gehören, an ihn zu glauben, in seinem Namen Vergebung, Rettung und Leben zu empfangen – und eben darin auch den Heiligen Geist. Und so lassen sie sich taufen auf den Namen des Herrn Jesus, werden damit sein Eigentum. Und zur Taufe gehörte eben auch damals schon die Handauflegung, wie auch wir sie hier in unserer Gemeinde direkt im Anschluss an das Begießen mit dem Wasser praktizieren. Nein, das ist nicht bloß eine nette liturgische Geste; auch darin wird der Heilige Geist mitgeteilt, erfüllt die Getauften mit seinen Gaben und mehrt sie. Ja, so erfahren es die ehemaligen Johannesjünger: Der Heilige Geist ist nicht bloß eine Idee oder Theorie; er ist eine Kraft, die das Leben von Menschen völlig zu verändern vermag.

Ach, wie aktuell ist diese Geschichte, die uns St. Lukas hier erzählt, auch heute noch: Da sind auch wir heute umgeben von einer Religiosität, die sich von der Religiosität der Johannesjünger gar nicht so sehr unterscheidet. Da werden Taufen nur noch als Familienfeiern verstanden und praktiziert, als Initiationsriten nach der Geburt, die dem Lebensanfang einen gewissen religiösen Rahmen verleihen. Dass es in der Taufe um Rettung vor dem ewigen Tod geht, um Rettung durch Christus allein, um Wiedergeburt, darum, dass in der Taufe der Heilige Geist wirkt und ein neues Leben schafft, davon wissen so viele überhaupt nichts mehr, die sich oder ihre Kinder taufen lassen. Und da erleben wir es immer wieder, dass „Christsein“ nur mit einer bestimmten Form von Moral identifiziert wird, die dann je nach politischer Einstellung jeweils etwas unterschiedlich ausfallen kann. Wichtig ist jeweils nur, dass man die anderen dazu aufruft, nun endlich umzukehren und sich der eigenen Meinung, der eigenen Praxis anzuschließen. Und dies alles geschieht dann immer wieder mit einem erstaunlichen religiösen Pathos. Doch immer geht es darum, dass wir etwas tun müssen, dass wir die Welt retten oder das Reich Gottes schaffen müssen. Ja, immer wieder geht es darum, dass man bei den eigenen guten Werken hängenbleibt, dass von Christus, von seinem Kreuz, von seiner Rettung in der Verkündigung, im Glauben praktisch nichts mehr übrigbleibt. Christsein ohne Christus und sein Opfer, Christsein ohne den Heiligen Geist, Christsein ohne Wiedergeburt in der Taufe – was für ein Etikettenschwindel, was für eine hohle Formel!

Wenn wir heute den Tag der Geburt St. Johannes des Täufers feiern, dann wollen wir uns durch ihn wieder neu daran erinnern lassen, was es in Wahrheit heißt, Jünger zu sein, was es in Wahrheit heißt, Christ zu sein: Christ zu sein heißt: mit Christus verbunden zu sein, mit ihm eins zu sein. Christ zu sein heißt: aus der Kraft der Taufe und eben damit aus der Kraft des Heiligen Geistes zu leben, aus der Kraftquelle des Heiligen Geistes immer wieder neu zu schöpfen, indem wir sein Wort hören und den Leib und Blut des Herrn empfangen. Christ zu sein heißt: nicht auf sich selber, auf die eigenen guten Werke zu vertrauen, sondern auf das Christus durch seinen Tod am Kreuz für uns getan hat. Christ zu sein heißt: nicht selber das Paradies auf Erden schaffen zu wollen, sondern auf den wiederkommenden Herrn Jesus Christus zu warten. Christ zu sein heißt: die Zugehörigkeit zu Christus nicht an politischen Meinungen festzumachen, sondern allein am Vertrauen auf ihn, den lebendigen Herrn.

Johannesjünger zu sein und Christ zu sein – das ging nicht zusammen, so hat es damals schon der Apostel Paulus gezeigt. Mit der Taufe werden der Bruch und der Neuanfang vollzogen. Wir erleben diesen Bruch heute immer wieder in unseren Taufgottesdiensten, wenn Menschen sich vom Islam lossagen und ihren Glauben an Jesus Christus als ihren Herrn und Gott bekennen. Christ zu sein und Muslim zu sein – das geht nicht zusammen, weil eben auch im Islam Christus als Retter völlig ausgeklammert wird, weil aus Johannes dem Täufer und Jesus nur Vorläufer des Propheten Mohammad gemacht werden, weil der Islam letztlich auch nicht mehr ist als die Bußbewegung der Johannesjünger damals auch – eine Bußbewegung ohne Christus, ohne Heiligen Geist, ohne Taufe, ohne Rettung im Namen Jesu. Bringen wir die Dinge darum auch heute immer wieder auf den Punkt, wie es Paulus damals auch gemacht hat, sprechen wir andere darauf an, die von Christus noch nichts wissen, machen wir ihnen deutlich, dass sie ohne Christus, ohne den Heiligen Geist das Wichtigste im Leben verpassen, auch und gerade, wenn sie sich selber vielleicht sogar als christlich empfinden mögen. Johannes selber hat es seinen Jüngern doch damals so klar gesagt: Siehe, er, Jesus, ist das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt. Hören wir darum richtig hin, was Johannes sagt! Freuen wir uns über unsere Taufe und die Gaben, die uns darin geschenkt worden sind! Vertrauen wir auf Christus allein. Dann ist es allemal kein Etikettenschwindel, wenn wir bekennen: „Lasset mich voll Freuden sprechen: Ich bin ein getaufter Christ!“ Halleluja! Amen.

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