Christi Himmelfahrt | St. Lukas 24,44-53 | Pfr. Dr. Martens

Wer mal auf einer Konfirmandenfreizeit oder bei einer Kinderbibelwoche mit dabei war, der kennt diese Erfahrung wahrscheinlich: Es ist dunkel; alle im Zimmer oder im Zelt liegen in ihren Betten und warten darauf, dass der Leiter, der aufpasst, endlich verschwindet. Und dann hört man, wie der sich entfernt – und schon geht die Party im Zimmer oder im Zelt los. Jetzt ist man ja unter sich! Doch mit einem Mal ertönt die Stimme des Leiters mitten zwischen den Betten. Was für ein Schreck – man dachte, der ist weg, und dann merkt man mit einem Mal: Der ist ja doch da, viel näher, als man dachte.

So ähnlich wie die Konfirmanden verhalten sich auch manche Menschen, die hierher zum Gottesdienst kommen. Sie denken, sie sind unter sich, können entsprechend im Gottesdienst tun, was sie wollen, zu spät kommen, mit dem Handy spielen, sich unterhalten. Hauptsache, der Pastor bekommt es nicht mit. Dass da noch jemand anders hier sein könnte, den man nicht gleich sieht und erkennen kann, damit rechnen sie überhaupt nicht. Doch um den geht es doch in Wirklichkeit hier im Gottesdienst, nur darum sind wir überhaupt zusammen, weil der, den man nicht gleich sehen kann, nicht verschwunden ist, sondern da ist, näher, als man zunächst einmal ahnt.

Wir feiern heute das Fest der Himmelfahrt Christi, und warum wir dieses Fest feiern, haben wir eben im Heiligen Evangelium dieses Sonntags vernommen. Christus, der Herr, verab-schiedet sich von seinen Jüngern – und die feiern anschließend kräftig, nein, gerade nicht, weil sie nun endlich ihren Aufpasser los sind, weil sie nun endlich unter sich sein können, sondern genau im Gegenteil: Sie feiern fröhlich Gottesdienst, weil sie wissen, dass ihr Herr nicht weg ist, sondern mitten bei ihnen, viel näher, als man es zunächst einmal ahnen würde. Und das ist im Fall von Christus eben kein Schreck, keine Drohung, sondern etwas Wunderbares, Fröhliches, etwas, was uns immer wieder neu singen und feiern lässt.

Ihr, liebe Konfirmanden, sagt heute in diesem Gottesdienst Ja zu Christus, Ja dazu, auch wei-ter freiwillig, fröhlich und gerne immer wieder zu ihm kommen zu wollen, mit ihm feiern zu wollen hier im Gottesdienst. Ja sagt ihr, eben weil ihr wisst, dass wir hier im Gottesdienst nicht unter uns sind, sondern dass Christus als der Gastgeber gegenwärtig ist und auf euch wartet. Was macht Christus hier mit euch, mit uns allen im Gottesdienst? St. Lukas lässt uns hier im Heiligen Evangelium viererlei erkennen: Zunächst einmal erklärt uns Christus hier im Gottesdienst immer wieder die Heilige Schrift. So hat er es damals mit seinen Jüngern auch gemacht: Er hat ihnen die Bibel so erklärt, dass sie sie verstanden haben, dass sie begreifen konnten: Die Bibel ist nicht irgendein altes ver-staubtes Buch, sondern darin geht es überall um Christus, um das, was er für uns getan hat und uns schenkt. Ja, das habt ihr dringend nötig, das haben wir alle miteinander dringend nö-tig, dass Christus uns immer wieder neu das Verständnis der Heiligen Schrift öffnet, dass wir die Bibel immer besser verstehen können, dass wir besser verstehen können, was sie uns für unser Leben zu sagen hat. Der christliche Glaube ist nicht einfach nur irgend so ein unbes-timmtes Gefühl, sondern er hat tatsächlich einen Inhalt, es geht in ihm tatsächlich darum, dass wir diesen Inhalt auch verstehen, nachvollziehen können. Und doch können wir die Bibel letz-tlich eben nur dadurch verstehen, dass Christus uns die Augen und Herzen öffnet, uns viel tiefer in sie blicken lässt, als wenn nur irgendein Historiker sie uns erklären würde. Kommt darum immer wieder hierher zum Gottesdienst. Ihr seid hier nicht unter euch. Christus will euren Glauben, will auch euer Verständnis der Bibel hier immer mehr vertiefen.

Ein Zweites macht Christus mit euch hier: Er beschenkt euch. Es ist ja eines der ganz großen Missverständnisse des Gottesdienstes, dass er so eine Art von Pflichtveranstaltung ist, zu der man von Zeit zu Zeit mal antanzen muss, wenn der Pastor einem Druck macht. Ich komme nicht zum Gottesdienst, um dem lieben Gott oder dem Pastor eine Freude zu machen, sondern weil ich dort von Christus beschenkt werde. Ihr kennt ja eines meiner Lieblingsbeispiele: Stellt euch vor, ich würde hier in jedem Gottesdienst an jeden Gottesdienstteilnehmer 100 Euro verteilen. Dann würde auch keiner von euch fragen: Muss ich da hinkommen und mir die 100 Euro abholen? Und wenn ich die 100 Euro ganz zu Beginn des Beichtgottesdienstes austeilen würde, dann wären, o Wunder, mit einem Mal auch alle pünktlich in der Kirche. Doch in Wirklichkeit bekommt ihr hier im Gottesdienst viel mehr geschenkt als bloß 100 Euro. Ihr bekommt, so macht es euch Christus hier deutlich, den Heiligen Geist geschenkt, den er schon damals seinen Jüngern versprochen hat. Nun mögt ihr antworten: Mit 100 Euro kann ich zehnmal zu McDonalds gehen – mit dem Heiligen Geist allein bekomme ich dort keinen einzigen Burger. Doch in Wirklichkeit ist der Heilige Geist eben unendlich mehr wert als bloß 100 Euro, hilft er euch zum Glauben, hilft euch, bei Christus zu bleiben, öffnet euch damit die Tür zum Himmel. Was sind schon 100 Euro im Vergleich zum ewigen Leben! Kommt darum hierher zu den Steckdosen des Heiligen Geistes, ladet euren Glauben hier immer wieder auf, wenn er, der Heilige Geist, an euch und in euch wirkt, er, der Heilige Geist, den euch Christus nun auch gleich in der Konfirmation in besonderer Weise schenken will! Ein Drittes geschieht, wenn ihr hierher zum Gottesdienst kommt: Christus, unser Herr, segnet euch. Das ist das Letzte, was die Jünger Jesu von ihrem Herrn zu sehen bekommen: Er erhebt die Hände zum Segen und segnet seine Jünger mit seinen von den Nägeln durchbohrten Hän-den. So sollen die Jünger, so sollen auch wir ihn, Christus, immer vor Augen behalten: Als unseren Herrn, der seine Hände über uns ausstreckt und uns segnet. Ja, gerade auch darum kommt ihr hierher zum Gottesdienst, weil Christus hier ist, um euch zu segnen, und das heißt ja: Er streckt über euch seine Hände, lässt euch seine Nähe erfahren, schenkt euch die Kraft, die ihr für euer Leben als Christen in den folgenden Tagen immer wieder braucht. Die Jünger Jesu wussten damals genau: Wenn Jesus uns segnet, dann ist das nicht nur ein netter, frommer Wunsch, sondern dann ist und bleibt er selber in diesem Segen gegenwärtig. Und so sind sie damals auf die Knie gefallen, als Christus sie gesegnet hat. Sie wussten, was da in diesem Segen an ihnen geschah. Gott geb’s, dass ihr, liebe Konfirmanden, dass wir alle miteinander immer klar erkennen, was geschieht, wenn Christus uns hier im Gottesdienst segnet, wenn uns der Segen hier zugesprochen wird – heute nun ganz besonders bei eurer Konfirmation, liebe Konfirmanden, wenn ihr im Konfirmationssegen den Heiligen Geist zur Mehrung und Stär-kung eures Glaubens empfangt, aber eben auch bei jedem Segen am Schluss des Gottesdiens-tes, dass ihr da nicht schon vorzeitig aus dem Gottesdienst lauft, sondern euch diesen Segen nicht entgehen lasst, wie die Jünger damals auf die Knie sinkt und erfahrt: Ja, er ist und bleibt bei uns, unser auferstandener Herr, auch jetzt in dieser neuen Woche!

Und dann macht Christus noch etwas mit euch, mit uns hier im Gottesdienst: Er schickt uns los, auch anderen Menschen ihn, Christus, zu bezeugen. Damals hatten die Jünger Jesu noch einen ganz besonderen Auftrag: Sie hatten selber gesehen, dass Jesus auferstanden war, hatten es mit eigenen Augen mitbekommen, wie er ihnen leibhaftig erschienen war, hatten es mit eigenen Ohren gehört, wie er nach seiner Auferstehung mit ihnen gesprochen hat. Das können wir nicht in der gleichen Weise. Aber anderen davon erzählen, was es für uns und für sie be-deutet, dass Jesus auferstanden ist und lebt, dass er nicht einfach verschwunden ist, sondern bei uns ist, dass er uns einlädt zur Umkehr zu ihm und uns die Vergebung der Sünden schenkt, ja, davon können wir alle miteinander erzählen, können alle miteinander auch andere Menschen zu Christus einladen. Wenn ihr, liebe Konfirmanden, heute die Konfirmation emp-fangt, dann schickt Christus auch euch los, macht auch euch zu seinen Zeugen, dass ihr mit eurem Leben fröhlich bezeugt: Es ist wunderbar, zu diesem Jesus Christus gehören zu dürfen. Ja, das wünsche ich euch, liebe Konfirmanden, das wünsche ich euch allen, dass ihr euch im-mer wieder gerne von Christus hier im Gottesdienst losschicken lasst, weil ihr es wisst, weil ihr es erfahren habt: Der ist nicht weg, der ist und bleibt bei uns alle Tage, bis an der Welt Ende. Amen.

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