Epheser 3,2-3a.5-6 | Epiphanias | Pfr. Dr. Martens

Er sitzt immer noch in Moskau im Asyl: Der frühere Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden, der es gewagt hat, Praktiken des amerikanischen Geheimdienstes NSA öffentlich zu machen. Das mögen Geheimdienste überhaupt nicht, wenn ihre Mitarbeiter Geheimnisse ausplaudern, sodass sie keine Geheimnisse mehr sind, erst recht, wenn dabei auch noch so manche Peinlichkeiten ans Tageslicht kommen.

Als der Apostel Paulus damals seinen Brief an die Christen in Ephesus schrieb, hatte er sich auch mit einem Geheimnisverrat einen Gefängnisaufenthalt eingebrockt. Und doch lagen die Dinge bei ihm damals ganz anders als im Fall von Edward Snowden: Paulus war nicht auf der Flucht vor seinem Auftraggeber, weil der sauer darüber war, dass er Interna an die Öffentlichkeit gebracht hatte. Im Gegenteil: Er hatte, so betont er es hier, den ausdrücklichen Auftrag von seinem Arbeitgeber Jesus Christus, das wichtigste Geheimnis der Menschheitsgeschichte an die Öffentlichkeit zu bringen. Nicht der, dessen Geheimnis er weitererzählt hat, kann diese Veröffentlichung des Geheimnisses nicht ertragen – es sind im Gegenteil diejenigen, denen diese Veröffentlichung eigentlich gilt, es sind diejenigen, die den Plan Gottes nicht ertragen können, den der Apostel Paulus nun für alle zugänglich gemacht hat. Hier wird also der Bote für seine Botschaft eingebuchtet – ein Vorgehen, an dem sich bis heute nicht viel verändert hat.

Gott geht in dieser Welt also ganz anders vor, als es irgendwelche politischen Organisationen zu tun pflegen: Er versucht nicht, mit irgendwelchen Tricks hintenherum seine Einflusssphäre zu vergrößern, er arbeitet nicht mit irgendwelchen Schweinereien, die er anschließend geschickt zu kaschieren versucht. Sondern Gott arbeitet in dieser Welt ganz hochmodern nach dem Open Source-Prinzip: Jeder soll kostenlos Zugang haben zu den allerwichtigsten Informationen überhaupt, keiner soll dafür zahlen müssen, keiner soll dafür auf Geheimdienstmethoden angewiesen sein, um an diese Informationen heranzukommen. Gott hat im Gegenteil jede Menge Mitarbeiter angestellt, die nur eine einzige Aufgabe haben: sein Geheimnis möglichst weit zu verbreiten. Mit den heiligen Aposteln und Propheten hat es damals angefangen – und bis heute geht es weiter, dass immer mehr Mitarbeiter erzählen, was sonst kein Mensch geahnt und gewusst hätte. Doch damit ruft er in der Tat jede Menge Widerstand hervor: Geheimdienste überall auf der Welt, in islamischen Ländern allzumal, versuchen alles, um diesen Geheimnisverrat zu verhindern, um zu verhindern, dass Menschen von dem erfahren, was Gott für sie getan hat, für sie will, was er ihnen schenkt. Doch zugleich erfahren sie immer wieder, dass ihnen dies nur sehr begrenzt gelingt, dass das öffentlich bekannte Geheimnis Gottes, das sie so gerne wieder zu einem verschwiegenen Geheimnis machen würden, immer mehr Menschen erreicht, ja, dass der Versuch, dieses Geheimnis wieder zum Verstummen zu bringen, es im Gegenteil immer interessanter macht. Ja, gerade im Zeitalter des Internet lässt sich die Verbreitung dieses Geheimnisses immer weniger aufhalten, erreicht es Menschen, die auf anderen Wegen gar nicht erreicht werden könnten. Auch eine Gefängniszelle konnte damals Paulus nicht daran hindern, das Geheimnis weiterzuerzählen. Und so breitet sich das Geheimnis Gottes auch weiter immer mehr in dieser Welt aus, lässt sich durch nichts und niemanden aufhalten.

Aber was ist denn nun dieses große Geheimnis Gottes, von dem der Apostel Paulus hier spricht? Es besteht darin, dass Gott nicht für sich bleiben möchte, dass er die Menschen in seiner Gemeinschaft leben lassen will. Es besteht darin, dass Gott sich nicht bloß mit einem guten Vorsatz begnügt hat, sondern eine einmalige Aktion unternommen hat, um diesen Plan durchzuführen, um diese Gemeinschaft zwischen sich und den Menschen wieder neu zu begründen. Und diese Aktion besteht darin, dass er selber Mensch wird, selber als Mensch geboren wird, um so die Menschheit zurückzugewinnen, um sie an seinem göttlichen Leben Anteil haben zu lassen. Gott als kleines Kind in einer Futterkrippe – das ist in der Tat kein Gedanke, auf den wir Menschen von uns aus kommen würden, das ist in der Tat ein Geheimnis, das erst einmal offenbart werden muss. Doch Gott hat selber eben gleich nach der Geburt in Bethlehem angefangen, dieses Geheimnis auf allen möglichen Kanälen zu verbreiten, hat Engel und dann sogar einen Stern genutzt, um gerade an die Leute in Persien heranzukommen. Und richtig breit hat er seine Kampagne dann angelegt, als dieses Kind in der Krippe schließlich das Allerwichtigste getan hat: als es am Kreuz für die Schuld aller Menschen gestorben ist und schließlich am Ostermorgen die Macht des Todes endgültig gebrochen hat. Seitdem lädt Gott alle Völker in seine Gemeinschaft ein, soll es niemanden mehr geben, dem dieses Geheimnis noch vorenthalten wird, dieses Geheimnis, dass Gott selbst alles weggenommen hat, was Menschen daran hindern könnte, in seiner Gemeinschaft für immer zu leben.

Und dieses Geheimnis wirkt sich nun auch ganz konkret im Zusammenleben der christlichen Gemeinde aus, so führt es nun der Apostel Paulus hier in unserer Epistel aus: Wenn es wirklich stimmt, dass Gott Menschen aus allen Völkern in seiner Gemeinschaft leben lassen will, dann kann auch aus einer christlichen Gemeinde niemals eine Gruppe ausgeschlossen werden, dann gehört es zum Leben einer christlichen Gemeinde einfach dazu, dass in ihr Menschen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher Mentalität, unterschiedlicher Sprache eine Heimat haben – eben weil eine christliche Gemeinde kein Verein ist, in dem sich die Vereinsmitglieder selber aussuchen, wer zu ihnen mit dazugehören darf, sondern weil es Teil des Geheimnisses Gottes ist, dass er selber bestimmt, wer Miterbe, Mit-Glied am Leib Christi, Mitgenosse am Evangelium ist.

Damals sprach der Apostel Paulus die Entwicklung in den christlichen Gemeinden an, dass zu ihnen nicht allein Menschen gehören konnten, die aus dem Judentum stammten, sondern dass auch Menschen, die ursprünglich Heiden waren, dort in diesen Gemeinden einen Platz finden konnten. Wie die Herausforderungen bei uns heute hier in unserer Gemeinde aussehen, das brauche ich kaum weiter zu beschreiben. Wir merken immer wieder neu, wie aktuell die Heilige Schrift ist, wenn wir hören, wie Menschen aus dem Gebiet des heutigen Iran und Afghanistan die ersten waren, die damals den Weg zum Kind in Bethlehem fanden, und wenn wir hier in der Epistel nun hören, wie Paulus auch damals schon den Christen noch einmal sehr deutlich machen musste, was für praktische Konsequenzen die Veröffentlichung von Gottes großem Geheimnis hat.

Miterben sind wir alle miteinander. Keiner von uns hat es sich mehr verdient als ein anderer, dass er zu Jesus Christus gehören darf, dass er Anteil haben darf am heiligen Testament des Leibes und Blutes des Herrn im Heiligen Mahl. Christen sind wir nicht aufgrund unserer Entscheidung oder aufgrund unseres guten Lebenswandels. Christen, Miterben sind wir, weil Gott uns selber dazu berufen hat, an seinem Leben, an seinen Gaben Anteil zu haben. Alle miteinander gehören wir zum Leib Christi, jeder hat als Glied am Leib Christi seine besonderen Gaben und Aufgaben, auf keinen können und wollen wir verzichten. Mitgenossen der Verheißungen Christi sind wir in Christus Jesus, umhüllt von ihm seit dem Tag unserer Taufe. Ja, Gott will, dass wir einander hier in der Gemeinde noch einmal mit anderen Augen anschauen, dass wir nicht darauf schauen, ob wir es persönlich in der Gemeinde auch schön gemütlich haben, sondern dass wir darauf schauen, wie Gott auch in unserer Mitte seinen großen Heilsplan durchsetzt, wie auch in unserer Mitte immer mehr Menschen durch das Evangelium gerettet und mit Christus verbunden werden. Das allein ist entscheidend, dafür will der Apostel Paulus auch uns die Augen öffnen.

Ja, ihr habt Recht, wie das praktisch bei uns weiter aussehen soll, das ist für mich auch noch verborgen. Diesen Teil seines  Geheimnisses hat Gott uns offenkundig noch nicht offenbart. Aber indem er uns heute an diesem Epiphaniastag den Blick und das Herz weitet, schenkt er uns in seinem Wort zugleich eine große Freude und eine große Gelassenheit – eine große Freude darüber, dass ja auch wir selber solche Miterben sind, dass auch wir zum Leben in der Gemeinschaft mit Gott gerufen sind, und eine große Gelassenheit, dass eben nicht wir die Kirche Jesu Christi zu bauen haben. Halten wir uns nur an Gottes Wort, an das Wort der Apostel und Propheten, glauben wir nicht, wir seien klüger als das, was Gott uns durch seine Boten sagen lässt. Gott hat in den letzten 2000 Jahren seine Kirche, den Leib Christi, immer weiter wachsen lassen. Er weiß, was er tut. Er verrät uns immer wieder das, was wir am Allerersten und Allerwichtigsten wissen müssen: Wo wir hingehören – zu ihm, Christus, in seine Gemeinschaft. Und so wollen wir nun auch gleich wieder miteinander hier am Altar knien, Seite an Seite, als Miterben, Mit-Glieder am Leib Christi und Mitgenossen der Verheißung. Was für ein großartiges Geheimnis! Amen.

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