Erheser 2, 19-22 | Tag der Heiligen Apostel Petrus und Paulus | Pfr. Dr. Martens

Heute empfangen in unserer Gemeinde wieder einmal einige Brüder und Schwestern die Heilige Konfirmation. Öffentlich werden sie sich gleich dazu bekennen, dass sie an Jesus Christus glauben, werden versprechen, dass sie auch künftig bei Christus und in seiner Kirche, ganz konkret in unserer lutherischen Kirche zu Hause bleiben wollen. Und damit erinnern sie uns alle miteinander daran, was es eigentlich bedeutet, ein Christ zu sein.

Genau darum geht es auch in der Epistel des heutigen Sonntags. Gleich drei Antworten gibt uns der Apostel Paulus auf eben diese Frage, was es eigentlich bedeutet, ein Christ zu sein:

  • Ein Christ hat sein Zuhause bei Gott.
  • Ein Christ hat einen festen Grund für seinen Glauben.
  • Ein Christ befindet sich immer im Wachstum.

I.

Wenn man die Teilnehmer unseres Gottesdienstes heute fragen würde, was wohl ihr größter Wunsch ist, dann würde wohl an erster Stelle unter den Antworten diese eine stehen: Ich möchte endlich einen festen Aufenthalt hier in Deutschland haben, die positive Antwort, dass ich endlich ganz hier in Deutschland bleiben darf. Ein Wunsch ist das im Augenblick noch für die meisten hier in der Kirche. Die meisten hängen zurzeit noch in der Luft, wissen noch nicht, ob sie auf Dauer hier in Deutschland bleiben können, sind und bleiben hier in Deutschland noch Gäste und Fremdlinge, vielleicht freundlich geduldet, aber mehr eben auch nicht. Fremdlinge – das mögt ihr hier in Deutschland sein. Doch in Wirklichkeit habt ihr schon längst eine positive Antwort bekommen, habt schon längst eine Staatsbürgerschaft bekommen, dürft zuhause sein in einer Welt, die noch unendlich schöner ist als Deutschland: Ihr seid Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, so sagt es euch der Apostel Paulus hier in der Epistel zu. Mitbürger bist du – in Gottes Welt genauso fest zuhause wie Maria, die Mutter Gottes, wie die Apostel und Propheten, wie alle Heiligen, ja, genauso fest zuhause wie all die Glieder unserer Gemeinde, die schon seit vielen Jahrzehnten zur christlichen Kirche gehören. Du hast mehr als nur eine befristete Aufenthaltserlaubnis, erst recht mehr als eine Duldung. Du hast wirklich die Staatsbürgerschaft in dieser Welt, die dir von nichts und niemandem wieder aberkannt werden kann. Du hast ein Zuhause, aus dem dich keine Macht der Welt jemals wieder abschieben und deportieren kann. Du bist und bleibst Gottes Hausgenosse, wohnst mit Gott persönlich in einer WG, darfst immer wieder deinen Platz einnehmen an seinem Tisch in seinem Haus, ja, auch heute nachher wieder an seinem Altar.

Was bedeutet es eigentlich, ein Christ zu sein? Ein Christ zu sein ist in der Tat ein besonderes Privileg – nicht eines, das wir uns verdient haben, weil wir irgendwie besser wären als andere Menschen. Nein, es ist ein Privileg, das uns einfach geschenkt worden ist: Das Privileg, bei Gott zu Hause zu sein, bei ihm kein Fremder zu sein, sondern sein Familienangehöriger. Aber das bedeutet natürlich zugleich auch, dass Gott von uns erwartet, dass wir von diesem Privileg auch Gebrauch machen. Christ zu sein bedeutet in der Tat: immer und immer wieder an Gottes Tisch zu kommen, mit Gott sein Fest zu feiern an seinem Altar, sich von Gott immer wieder beschenken zu lassen. Christ zu sein bedeutet in der Tat: Gottes Familie nicht mehr als etwas Fremdes zu erleben, das man selber kaum kennt, sondern die Brüder und Schwestern zu kennen, mit denen man gemeinsam Gottes WG hier vor Ort in Steglitz bildet. Christ zu sein bedeutet in der Tat: nicht nur einen Taufschein in der Hand zu halten, sondern das Wohnrecht bei Gott auch zu nutzen, das er uns in der Taufe übertragen hat. Aber zum Christsein gehört dann eben umgekehrt auch, dass wir auch in der Gemeinde die anderen als Schwestern und Brüder wahrnehmen und ernstnehmen, ja auch als unsere Mitbürger, als unsere Hausgenossen. Niemand, der hier in unsere Gemeinde kommt und sich hier taufen lässt, soll sich noch irgendwie als Fremder fühlen, als Gast, der eigentlich doch nicht so ganz bei uns dazugehört. Alle miteinander haben wir unseren Platz an Gottes Tisch, alle miteinander sollen und dürfen wir feiern, dass Gott uns, ja ausgerechnet uns dazu eingeladen hat. Dass du Christ bist, ist nicht dein Verdienst; es ist ein Geschenk, und was für eins: Du bist und bleibst bei Gott zu Hause!

II.

Ein Christ ist ein Mensch, der von Gott in seine Familie, an seinen Tisch gerufen worden ist. Das ist eine wichtige Antwort auf die Frage danach, was eigentlich ein Christ ist. Aber natürlich gehört zu einem Christen dann auch, dass er weiß, wer der ist, zu dem er gehört, dass er an ihn glaubt, sich zu ihm bekennt. Der christliche Glaube, er hat in der Tat auch ganz konkrete Inhalte, so macht es uns der Apostel Paulus hier deutlich. Christ zu sein bedeutet nicht bloß, irgendein gutes Gefühl in der Kirche zu haben oder Jesus Christus irgendwie gut zu finden. Sondern Christ zu sein bedeutet: gegründet zu sein auf den Grund der Apostel und Propheten, wie es der Apostel Paulus hier formuliert. Das bedeutet: Wir basteln uns als Christen nicht einfach unseren eigenen Glauben nach unseren eigenen Wünschen und Vorstellungen zusammen. Unser Glaube orientiert sich auch nicht an dem, was heute gut bei den Leuten ankommt oder was uns gerade einleuchtet. Sondern unser Glaube richtet sich immer wieder neu aus an dem, was die Apostel und Propheten lange Zeit vor uns gelehrt und bezeugt haben.

Heute feiern wir schon einmal den Tag der heiligen Apostel Petrus und Paulus. Wenn man sich das Neue Testament durchliest, dann erkennt man, was für eine entscheidend wichtige Rolle gerade diese beiden Apostel bei der Ausbreitung des Evangeliums gespielt haben. Von Christus selber waren sie gerufen, lebten aus seiner Verheißung: „Wer euch hört, der hört mich!“ Jesus Christus hat selber ja kein einziges Buch des Neuen Testaments geschrieben. Aber wir dürfen gewiss sein: In diesen Schriften der Apostel, die wir im Neuen Testament finden, da spricht Christus selber zu uns, da legt er immer wieder neu den festen Grund für unseren Glauben, damit wir uns nicht vom Zeitgeist einfach hin und her wehen lassen, sondern wissen, worauf wir in unserem Leben wirklich bauen können, worauf wir uns wirklich verlassen können. Ihr, liebe Konfirmanden, werdet gleich das Apostolische Glaubensbekenntnis auf Farsi sprechen. Das heißt nicht deshalb „Apostolisches Glaubensbekenntnis“, weil die Apostel es selber geschrieben hätten. Aber es heißt dennoch mit Recht „apostolisch“, weil es die Lehre der Apostel und damit der Kirche aller Zeiten kurz und knapp zusammenfasst. Diese Grundlage, die trägt, die steht fest, die sollen wir als Christen aber zugleich immer besser kennenlernen, damit wir dann auch anderen von unserem Glauben Rechenschaft ablegen können. Befasst euch darum immer wieder mit diesem Wort der Apostel und Propheten, prägt es euch immer besser ein – und versteht dann auch, warum es unsere lutherische Kirche gibt: Eben gerade nicht deshalb, weil wir eine exotische Sonderkirche sein wollen, sondern weil es uns schlicht und einfach um dies eine geht: mit unserer Lehre, mit unseren Gottesdiensten auf dem Grund der Apostel und Propheten zu bleiben. Daran allein soll man eine Kirche beurteilen – nicht danach, ob ihre Pastoren eine gute Show abziehen, nicht danach, wie große eine Gemeinde ist und ob einem der Pastor gefällt. Wichtig ist allein dies, dass sie auf dem Grunde der Apostel und Propheten ihre Verkündigung ausrichtet und den Gottesdienst ganz an das Zeugnis der Apostel rückbindet.

III.

Zum Christsein gehört aber noch etwas Drittes, so macht es uns der Apostel Paulus hier deutlich: Christsein bedeutet: Sich immer im Wachstum zu befinden.

Der christliche Glaube ist niemals bloß eine Privatangelegenheit, und er ist auch nicht ein Besitz, den man sich einfach fertig in die Tasche stecken kann. Sondern als Christ befinde ich mich gleich in doppelter Hinsicht immer im Wachstum: Zum einen wachse ich selber innerlich, geistlich, wenn ich mich immer wieder neu mit der Heiligen Schrift, mit Gottes Wort, befasse und aufmerksam darauf achte, was es mir hier und heute zu sagen hat, wie es mich dadurch im Glauben, im Vertrauen auf Christus wachsen lässt.

Bei eurer Konfirmation werdet ihr, liebe Konfirmanden, gleich gefragt werden: Wollt ihr in diesem Glauben bleiben und wachsen? Ja, das ist in der Tat ganz wichtig, dass wir nicht erklären: Ich habe ja früher mal ein paar Wochen oder Monate Taufunterricht gehabt, ich bin ja früher mal in den Konfirmandenunterricht gegangen – das muss jetzt für den Rest des Lebens reichen. Unser Glaube soll wachsen – und zugleich wächst zum anderen auch durch uns die Kirche weiter, werden wir gebraucht als lebendige Steine, mit denen Gott das Haus seiner Kirche baut, es immer weiter als Zuhause für so viele Menschen wachsen lässt.

Christ kann ich niemals allein sein. Ich werde von Gott gebraucht als Stein in seinem Haus, als Glied am Leibe Jesu Christi. Gott ist mit dem Bau seiner Kirche noch nicht fertig. Immer mehr Menschen sollen noch mit eingebaut werden. Und wenn wir mit eingebaut werden, dann heißt es nicht, dass Gott mit uns fertig ist, dann dürfen wir in der Gemeinschaft der Kirche unsere Beiträge leisten, dass immer wieder neu Menschen die Kirche als ihr Zuhause entdecken und darin leben. Dieses Wachstum kann und soll man nicht in Zahlen messen und erfassen. Aber wissen und wahrnehmen sollen wir es: Als Christen tragen wir immer wieder neu zum Wachstum der Kirche bei, schlicht und einfach dadurch, dass wir uns von Gott in ihr immer wieder neu in seinen Dienst nehmen lassen.

Nein, die Kirche ist eben ein ganz anderes Bauwerk als der neue Berliner Flughafen in Schönefeld. Bei der Kirche ist es nicht ungewiss, ob sie jemals fertig werden wird. Sie wird es, wenn Christus wiederkommt und sie endgültig vollenden wird. Und Christus ist in seiner Kirche nicht dabei, alle möglichen Notreparaturen vorzunehmen, damit sie hoffentlich irgendwann mal wieder funktionieren kann. Christus weiß, wie er seine Kirche baut – und immer wieder neu dürfen wir darüber staunen, wie groß dieses Bauwerk ist, das er sich vorgenommen hat und das er einmal auch vollenden wird. Und dich gebraucht er auch, als lebendigen Stein, um mit dir Kirche zu bauen, um Menschen ein ewiges Zuhause bei Gott zu schenken, um anderen zu helfen, auf dem Grund der Apostel und Propheten zu bleiben. Wollt ihr in diesem Glauben bleiben und wachsen? Gott geb’s, dass nicht nur unsere Konfirmanden, dass ihr alle miteinander auf diese Frage ganz fröhlich antworten könnt: Ja, durch Gottes Gnade! Amen.

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