Hesekiel 36, 26a | Tag der Beschneidung und Namengebung Jesu (Neujahr) | Pfr. Dr. Martens

„2016 war kein gutes Jahr. Hoffen wir, dass 2017 besser wird.“ – Solche Sprüche habe ich in den letzten Tagen immer wieder gehört. Ja, dass vieles in 2016 nicht gut war, daran kann wohl auch kein Zweifel bestehen. Uns stecken auch in diesen Tagen noch die Erinnerungen an den Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche in den Knochen, und auch wenn wir auf das blicken, was unsere Gemeindeglieder in diesem vergangenen Jahr erlebt haben, war da ebenfalls vieles, was wirklich nicht gut war. Ich denke an die Angst, die so viele von euch in ihren Asylbewerberunterkünften im vergangenen Jahr ausstehen mussten, weil ihr von radikalen muslimischen Flüchtlingen bedroht wurdet, weil ihr die Erfahrung machen musstet, dass euch in diesen Bedrohungen niemand helfen konnte oder wollte, dass ihr ganz allein da standet und am Ende, wenn ihr darüber berichtetet, oft genug sogar noch als Lügner hingestellt wurdet. Ich denke daran, dass so viele von euch in diesem Jahr erleben mussten, dass der deutsche Staat euch abgesprochen hat, dass ihr Christen seid, und euch wieder aus Deutschland wegschicken will. Und viele andere von euch sitzen hier in diesen Tagen und Wochen voller Angst und Sorge, weil auch sie befürchten, dass ihnen nun bald Ähnliches widerfährt.

„Hoffen wir, dass 2017 besser wird!“ – Ja, die Hoffnung teile ich gerne. Die Frage ist nur: Wieso sollten wir Grund zu der Hoffnung haben, dass 2017 besser wird? Was könnte oder sollte sich denn ändern, damit 2017 ein besseres Jahr wird? Es gibt manche, die meinen, sie hätten hierauf ganz einfache Antworten: Schmeißt die Flüchtlinge alle aus dem Land, verhaftet Frau Merkel, lasst eine bestimmte Partei an die Regierung, macht endlich das, was das deutsche Volk in Wahrheit will!

Schwestern und Brüder: Ich sage ganz offen: Ich weiß nicht, warum wir tatsächlich Grund haben sollten, darauf zu hoffen, dass 2017 besser wird als 2016. Dass wir in diesem Jahr das 500. Jubiläum der Reformation Martin Luthers feiern, wird dieses Jahr gewiss nicht unbedingt zu einem besseren Jahr machen, auch wenn uns da nun so manches mehr oder weniger nette Event bevorsteht. Ich glaube nicht, dass es die einfachen Rezepte gibt, mit denen man diese Welt in eine bessere Welt oder auch nur dieses Land in ein besseres Land verwandeln kann. Und ich glaube auch nicht, dass wir unsere Hoffnungen und Befürchtungen einfach nur an bestimmten Personen festmachen können oder sollten.

Und mit dieser sehr nüchternen Sicht auf dieses kommende Jahr 2017 kann ich mich nun auch auf die Heilige Schrift selber berufen. Die verspricht uns nämlich nicht, dass wir Menschen dazu in der Lage sind, diese Welt in eine bessere Welt zu verändern, wenn wir uns nur entsprechend Mühe geben, guten Willen zeigen und die richtigen Rezepte befolgen. Denn was wir auch an Veränderungen und Reformen versuchen mögen – eines können wir eben nicht verändern, und zwar gerade das Allerwichtigste: unser menschliches Herz. Genau das ist es, was die Heilige Schrift unter „Sünde“ versteht. „Sünde“ heißt eben nicht, dass wir hier oder dort einmal etwas machen, was nicht ganz in Ordnung ist. „Sünde“ ist auch keine moralische Sauerei und besteht erst recht nicht darin, dass wir etwas tun, was haram ist. Sondern „Sünde“ beschreibt den Zustand unseres menschlichen Herzens, das von Gott selber abgewendet ist, immer wieder nur um sich selbst, um den eigenen Vorteil kreist und völlig taub ist für den Anruf Gottes. Und aus diesem Herzen quillt dann alles andere, was wir vielleicht erst einmal eher mit dem Wort „Sünde“ verbinden mögen: der Hass gegenüber anderen Menschen, das Denken, besser zu sein als andere, die Freude daran, schlecht über andere zu reden, der Fanatismus, der Menschen nicht ertragen kann, die anders sind als man selber, die Sorge um den eigenen Besitzstand, das Vertrauen auf Geld und Besitz, ja, über allem anderen: die Einstellung, man wisse selber besser, was für einen selber gut ist, als das, was uns Gottes Wort dazu zu sagen hat, kurzum: der Unglaube, der sich selber alles und Gott nichts zutraut.

Darum werden sich so viele Hoffnungen, die wir uns für 2017 machen mögen, als vergeblich herausstellen, weil sie dieses letzte entscheidende Problem unseres Lebens und Zusammenlebens nicht angehen, ja, weil sie immer wieder selber Ausdruck dieses steinernen Herzens sind, wie der Prophet Hesekiel es formuliert.

Als der damals zu den Israeliten im Exil in Babylon sprach, da hatten die auch gerade ein ganz bitteres Jahr hinter sich: Sie hatten gerade in diesem zurückliegenden Jahr erfahren, dass ihre Stadt Jerusalem, die Stadt Gottes, von den Babyloniern endgültig erobert und vollkommen dem Erdboden gleich gemacht worden war. Wie sollten sie da noch jemals auf ein besseres Jahr, auf eine bessere Zukunft hoffen, wenn ihnen doch alles genommen war, womit sie eine bessere Zukunft in Verbindung bringen konnten?

Doch gerade in diesem Augenblick, in dem den Israeliten klar wird, dass sie von sich aus keinerlei Perspektive für eine bessere Zukunft haben, kündigt ihnen der Prophet Hesekiel im Auftrag Gottes eben eine solche an: Gott selber wird eingreifen, wird tun, was kein Mensch selber jemals schaffen könnte. Er wird sein Volk wieder in seine Heimat zurückführen - jawohl. Aber das reicht eben nicht, das ist nicht alles. Gott wird viel tiefer ansetzen: Er wird sie, die Israeliten reinigen mit reinem Wasser, ja, mehr noch: Er wird ihnen ein neues Herz und einen neuen Geist in sie hineingeben. Äußere Maßnahmen allein reichen eben nicht, so erfreulich sie auch sein mögen. Sondern nur da, wo Gott von innen ansetzt, tatsächlich noch einmal ganz neu ansetzt, nur da kann und wird sich wirklich etwas verändern, werden die Israeliten tatsächlich mit neuer Zuversicht in die Zukunft blicken können.

Und genau dieses Versprechen erfüllt Gott auch hier und heute noch in unserer Mitte. Er verspricht uns für 2017 kein sorgenfreies Leben, keine Verschonung vor islamischem Terror, keine Gerechtigkeit im Umgang mit Flüchtlingen hier in unserem Land. Er verspricht uns nicht Gesundheit und ein langes, glückliches Leben. Dafür macht er etwas anderes: Er tauscht Herzen aus, implantiert einen neuen Geist in uns, macht uns, ohne dass man es uns unbedingt gleich ansieht, zu neuen Menschen, die anders leben können, die einen anderen Blick auf die Welt haben können, ja, die eine andere Hoffnung haben als die, denen Gott ihr Herz nicht erneuert hat.

Wirklich neu kann in dieser Welt und in unserem Leben nur etwas werden, wenn Gott der Schöpfer selber eingreift, wenn er tut, was wir nicht tun können. So unauffällig, so schwach scheint das zu sein, was er da macht – wer merkt das denn schon, wer nimmt denn das wahr, was hier in unserer Mitte geschieht, wann immer ein Mensch durch die Heilige Taufe zum ewigen Leben wiedergeboren wird – wie heute der kleine Elia –, wann immer ein Mensch den Leib und das Blut seines Herrn hier im Heiligen Mahl empfängt und damit wieder neu in seinem Herzen erneuert wird? Doch in Wirklichkeit ist all das ein Teil von Gottes großer Gegenbewegung in dieser Welt, die schon längst begonnen hat und die dem Tag entgegenführt, an dem Gott einmal alles, ja wirklich alles ganz neu machen wird.

Da protestieren so viele Menschen in unserem Land gegen die angebliche Islamisierung des Abendlandes. Doch wenn man diese Menschen einmal fragt, was es denn eigentlich ist, was sie da vor der Islamisierung schützen wollen, dann findet man zumeist nur ein Vakuum vor, vielleicht ein bisschen Gartenzwergidylle, aber nichts, was man ernsthaft einer solch stark auftretenden Ideologie wie dem Islam entgegensetzen könnte. Gott selber geht anders vor: Er sät nicht Hass auf Menschen, sondern er schenkt Menschen, die aus dem Islam stammen, ein neues Herz, ja gleich vielhundertfach allein hier in unserer Gemeinde, allein hier im letzten Jahr. Das ist Gottes Gegenoffensive, die er längst begonnen hat, eine Gegenoffensive der Liebe und nicht des Hasses, eine Gegenoffensive, die alle Menschen einlädt und niemanden ausschließt, eine Gegenoffensive, die ihre Hoffnung nicht auf eine Nation setzt, sondern allein auf Gottes Geist, der Menschen aus allen Völkern zu seinem Volk macht.

Ja, weil Gott das neue Herz und den neuen Geist in uns gegeben hat, können wir trotz allem, was Menschen in diesen Tagen Angst macht, getrost und zuversichtlich in das neue Jahr blicken. Mit dem neuen Herzen und dem neuen Geist haben wir Hoffnung, die weiter und tiefer reicht als all die Hoffnungen, die Menschen sich in diesen Tagen sonst machen mögen. Mit dem neuen Herzen und dem neuen Geist sind wir nicht mehr angewiesen auf unsere guten Vorsätze für das neue Jahr, die ab nächster Woche schon wieder verblassen werden, sondern stehen wir auf dem festen Grund der Versprechen Gottes zu uns.

Ja, weil wir das neue Herz und den neuen Geist haben, wissen wir auch, was in unserem Leben letztlich wirklich wichtig ist: Was Gott für uns getan hat und tut, was er uns schenkt. Gott hat damals dem Volk sein Versprechen des neuen Herzens und des neuen Geistes völlig ohne jede Vorbedingung gegeben. Er hat einfach gesagt: Ich mache das mit euch. Und genau so ist es eben auch bei uns: Gott macht unsere Zukunft nicht von unserem Wohlverhalten abhängig. Er sagt es einfach – aus Liebe zu uns: Ich mache das. Ich schenke euch das ewige Leben – und ich bringe euch da auch hin. Und damit wir es auch glauben können, gibt er uns das neue Herz, den neuen Geist. Und weil wir diese wichtigsten Gaben für unser Leben haben, eben darum wird 2017 ganz gewiss ein gutes Jahr für uns werden – komme, was da wolle. Denn Gott macht, was er verspricht. Und was er macht, das ist immer sehr gut. Amen.

Zurück