1. Johannes 5, 1-4 | Jubilate | Pfr. Dr. Martens

Es war die 113. Spielminute im Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien. André Schürrle flankt von links in den Strafraum, dort nimmt Mario Götze den Ball mit der Brust an und versenkt ihn im Netz des argentinischen Tores. Was darauf folgte, war Jubel, Jubel und noch einmal Jubel – zumindest hier in Deutschland. Fast zwei Jahre ist das nun schon wieder her, und von dem damaligen Jubel ist mittlerweile nicht viel mehr geblieben als eine schöne Erinnerung an ein besonderes, einmaliges Ereignis.

Heute sind wir nun auch zum Jubeln in die Kirche gekommen: „Jubilate“ – „Jubelt!“, so heißt dieser Sonntag. Und während der Gewinn der Fußballweltmeisterschaft auch für Deutsche ein eher seltenes Ereignis darstellt, kommt der Sonntag Jubilate Jahr für Jahr mit großer Zuverlässigkeit – und das, was er uns bejubeln lässt, verblasst und vergeht eben nicht nach ein paar Wochen und Monaten wieder, sondern hat Bestand von einem Jahr bis zum nächsten – ja, bis ans Ende der Welt. Gewiss, wir jubeln hier in der Kirche anders als im Fußballstadion. Das hängt eben damit zusammen, dass es bei unserem Jubel um mehr geht als bloß um spontane, schnell vergängliche Gefühle. Doch wenn wir uns die Epistel des heutigen Sonntags anschauen, die uns zeigt, wie viel Grund zum Jubel wir haben, dann könnte es eben doch sein, dass wir auch heute aus der Kirche herausgehen in einer Stimmung, die sich von der in der Nacht nach dem Siegtor von Mario Götze vielleicht doch gar nicht so sehr unterscheidet.

Die Worte unserer heutigen Epistel sind nicht lang – und doch lassen sie uns gleich viermal jubeln:

Jubel Nr.1: Der Herr der Welt ist unser Vater. In unserer Gemeinde leben ja Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft zusammen, Menschen aus vielen verschiedenen Ländern. Und da ist es durchaus nachvollziehbar, dass jeder von uns im Zusammenleben mit den anderen noch einmal ganz besonders deutlich wahrnimmt, wo er selber herkommt und was ihn geprägt hat und prägt. Ja, sehr unterschiedlich sind diese Prägungen, ganz gewiss. Und doch gibt es etwas, was uns in aller Unterschiedlichkeit noch viel, viel fester zusammenbindet als eine gemeinsame Heimatstadt oder eine gemeinsame Sprache: Wir sind alle von demselben Vater geboren und haben durch ihn eine gemeinsame Abstammung und mit dieser gemeinsamen Abstammung auch eine ganz besondere Würde: Wir sind von Gott geboren, haben damit eine königliche Würde, haben durch ihn ein Leben, das unvergänglich ist und selbst dann nicht an sein Ende kommt, wenn das Leben, das wir von unserem irdischen Vater und unserer irdischen Mutter empfangen haben, einmal zu Ende gehen wird. Von Gott geboren zu sein – das heißt eben tatsächlich nicht weniger als: ewig leben zu dürfen. Ja, das verbindet uns, dass wir von Gott geboren sind. Und es verbindet uns, dass wir gemeinsam bekennen, wie wir an diesem neuen Leben Anteil erhalten haben: eben durch Jesus Christus, durch den, der zugleich wahrer Gott und wahrer Mensch ist und uns so mit Gott verbindet. Das neue Leben, es wird uns dadurch zuteil, dass Jesus Christus die Brücke zwischen Gott und den Menschen ist, dass er als der wahre Gott wirklich Mensch geworden ist, ganz einer von uns geworden ist und uns an sich selber auch Anteil gibt, wenn er uns seinen Leib und sein Blut im Heiligen Mahl zu essen und zu trinken gibt. Ja, jubelnd darfst du heute die Kirche verlassen: Du bist ein Kind Gottes, von Gott geboren, mit dem ewigen Leben beschenkt, eins mit dem, der wahrer Gott und wahrer Mensch in einer Person ist. Das hat Bestand, das vergeht nicht so schnell wie der Jubel über ein Tor bei einer Fußballweltmeisterschaft!

Jubel Nr.2: Unser Leben ist von Liebe bestimmt. Wenn ich mit Menschen spreche, die den Weg vom Islam zum christlichen Glauben gefunden haben, und sie frage, was für sie denn der christliche Glaube in besonderer Weise ausmache, dann dauert es zumeist nicht lange, und sie fangen an, von der Liebe zu erzählen, die sie im christlichen Glauben gefunden haben. Liebe – die ist im christlichen Glauben ja keine Forderung. Es geht nicht darum, dass wir als Christen andere lieben müssen, und erst recht nicht darum, dass wir uns durch diese Liebe einen Platz im Himmel verdienen. Sondern die Liebe ist eine Realität, die uns von vornherein als Christen umfängt: Gott ist die Liebe, so heißt es kurz vor unserer Predigtlesung. Und diese Liebe bestimmt nun unser ganzes Leben: Sie bestimmt unser Verhältnis zu Gott genauso wie unseren Umgang mit den Nächsten, ja ganz besonders den Umgang mit denen, die mit uns die gleiche Geburt aus Gott haben und teilen. Was für eine wunderbare Quelle des Lebens haben wir damit als Christen: Wir dürfen schöpfen aus der nie endenden Liebe des Vaters, und das wird unser Leben als Christen bestimmen, ja auch das Zusammenleben hier in der Gemeinde: Wenn Liebe unseren Ursprung, unser Leben bestimmt, dann wird sich das auswirken in unserem Umgang mit anderen – und genau das erfahren wir in der Tat immer wieder hier in unserer Gemeinde. Ja, ein Wunder ist es, dass wir als so unterschiedliche Menschen doch gemeinsam in der Liebe des Vaters zusammenleben. Ja, auch das ist allemal ein Jubeln wert – und das nicht nur am Jubilate-Sonntag!

Jubel Nr.3: Gottes Gebote sind nicht schwer! Diejenigen unter uns, die selber unter dem Islam gelebt haben, die wissen, was für eine Last die Gebote darstellen, die man als frommer Muslim einzuhalten hat. Das ganze Leben eines Muslim ist von allen möglichen Gesetzesvorschriften bestimmt, und sich daran zu orientieren ist schwer, gar keine Frage. Für uns Christen lassen sich dagegen alle Gebote zusammenfassen in dem Gebot der Liebe. Da geht es nicht um alle möglichen Vorschriften, sondern einzig und allein darum, dass wir unser Leben von ihm, Christus, prägen lassen, von ihm, der nicht nur unser Vorbild, sondern auch unser Retter ist. Gott erwartet Liebe von uns – er erwartet also nichts anderes, als dass wir ihm wieder zurückgeben, was er uns längst zuvor schon gegeben hatte.

Hast du dir das schon einmal so richtig klargemacht, wie gut du es als Christ hast, was es heißt, dass du dein Leben ausrichten darfst an Geboten, die nicht schwer sind, die ganz leicht sind dadurch, dass du in der Gemeinschaft mit Christus lebst und er dir hindurchhelfen will gerade jetzt, wo dir in deinem Leben vielleicht so wenig zum Jubeln zumute sein mag? Doch gerade wenn du dir das klarmachst, dass du als Christ es so einfach hast, Gottes Gebote zu halten, dann wirst du aufatmen, wirst dich freuen, ja wirst jubeln, wie es diesem Sonntagsnamen entspricht. Ja, du hast es so gut als Christ – mit einem Herrn, der für deine Schuld am Kreuz gestorben ist und der dir beisteht, auch und gerade, wenn du dann doch wieder neu an Gottes eigentlich doch so leichten Geboten schuldig wirst, nicht aus der Liebe lebst, mit der er dich umfangen will. Du musst nicht wieder mit deinen guten Werken dein Verhältnis zu Gott in Ordnung bringen. Das macht allein der, der dich mit seiner Liebe immer wieder neu empfängt!

Und dann darfst du noch ein viertes Mal jubeln: Jubeln darfst du schließlich über einen Sieg, der noch viel wichtiger und bedeutungsvoller ist als das 1:0 Deutschlands gegen Argentinien vor zwei Jahren. Nein, diesen Sieg haben nicht wir errungen, nicht mit unserer Geschicklichkeit, nicht mit unserem Einsatz. Diesen Sieg hat allein Jesus Christus im Alleingang für uns errungen, während wir nur staunend danebenstehen konnten. Es ist ein Sieg gegen alle Mächte, die uns für immer von Gott wegziehen und trennen wollen. Genau das ist mit der „Welt“ gemeint, von der Johannes hier spricht. Und das Wunderbare ist nun: Wir dürfen an diesem Sieg, den Jesus Christus allein für uns errungen hat, Anteil erhalten. Genau darum geht es im Glauben. Der Glaube bedeutet ja nicht bloß, dass wir eine Aussage über Gott für wahr halten. Sondern Glauben bedeutet: Gemeinschaft mit Jesus Christus. Alles, was sein ist, gehört auch uns. Wenn Christus siegt, dann siegen wir auch. Wenn Christus gezeigt hat, dass er stärker ist als der Teufel, als der Tod, als die Sünde, dann gilt das auch für uns.

Und genau darum ist dieser Gottesdienst eine einzige große Siegesfeier: Das geht ja schon allein damit los, dass ihr hier heute Morgen überhaupt erschienen seid. Das habt ihr nicht aus euch selber getan, das habt ihr getan, weil ihr in der Kraft eures Herrn euren inneren Schweinehund überwunden habt, lange Wege auf euch genommen habt, um hier mit Christus zusammen zu sein. Ja, da musste der Teufel auch heute Morgen wieder zähneknirschend seine Niederlage eingestehen, als ihr durch diese Kirchentür eingetreten seid. Und nun muss er ohnmächtig zusehen, wie Christus euch jetzt gleich wieder im Heiligen Mahl mit dem Heilmittel gegen den ewigen Tod, mit seinem Leib und Blut, versorgt, muss ohnmächtig zusehen, wie er dadurch alles von euch nimmt, was euch einmal für immer von Gott trennen könnte. Ja, wenn wir hier Gottesdienst feiern, dann sind wir schon umgeben von dem Jubel, der nie mehr enden wird, von dem Jubel aller Heiligen und Vollendeten vor dem Thron Gottes, die nun endgültig nichts mehr von Gott wegziehen und trennen kann. Sing darum nun gleich fröhlich mit, wenn wir das Mahl des Herrn feiern, jubele und feiere deinen Herrn, den Matchwinner im wichtigsten Kampf deines Lebens, jubele und feiere den Sieg deines Herrn und lass diese Freude auch weiter dein Leben bestimmen. Lass dich nicht mehr unterkriegen von dem, was dich von dieser Siegesfeier abhalten könnte, bleibe nur dran an Christus, deinem Herrn! Denn genau das ist doch die Bestimmung deines Lebens: Dass du dich für immer freuen darfst, dass du für immer feiern und jubeln darfst mit Christus, deinem Herrn! Räume der Welt, räume dem Teufel darum bloß keinen Platz, keine Zeit mehr ein, singe es immer wieder fröhlich als ein Christ: Jawohl, we are the champions, weil er, Christus, der eine Champion ist, zu dessen Mannschaft wir gehören. No time for losers! Lass sie nie mehr dein Leben bestimmen! Denn unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat! Amen!

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