1.Korinther 11, 23-29 | Gründonnerstag | Pfr. Dr. Martens

Ob euch diese Predigt heute wohl gefallen wird? Ob sie euch persönlich ansprechen wird, ob ihr wohl den Eindruck haben werdet, dass es eine gute Predigt gewesen ist? Schwestern und Brüder, das sind ganz typische, verständliche Erwartungshaltungen, mit denen Gottesdienstteilnehmer an Predigten herangehen; das sind Erwartungshaltungen, um die auch ein Pastor weiß, wenn er eine Predigt schreibt, und die ihn bei der Abfassung einer Predigt nicht ganz unberührt lassen.

Doch, Gott sei Dank, gibt es in einem Gottesdienst nicht nur die Predigt. Die ist ganz wichtig, keine Frage. Aber wenn es im Gottesdienst nur um die Predigt ginge, wäre die Gefahr sehr groß, dass aus dem Gottesdienst eine Vortragsveranstaltung mit Liedumrahmung wird, dass man tatsächlich auf die Idee kommt, man ginge zu Pastor X in den Gottesdienst – und vielleicht zu Pastor Y auch lieber nicht, weil der nicht so gut predigt. Doch, Gott sei Dank, gibt es in einem Gottesdienst nicht nur die Predigt. Sondern darauf folgt dann immer wieder die Feier des Heiligen Mahles. Und bei dieser Feier des Heiligen Mahles tritt nun die Persönlichkeit des Pastors, treten seine Fähigkeiten und Unfähigkeiten völlig zurück. Nicht Kreativität ist angesagt bei der Feier des Heiligen Mahles; nicht originelle und unterhaltsame Einfälle sollen die Feier des Heiligen Mahles bestimmen. Sondern es geht einzig und allein um das, was Christus selber gesagt und befohlen hat, ja mehr noch: Es geht bei der Feier des Heiligen Mahles einzig und allein um den, der darin selber gegenwärtig ist – als Gastgeber und als Gabe in einem.

Und damit sind wir nun schon mitten in der Epistel des heutigen Festtags. Da musste der Apostel Paulus einige sehr deutliche Worte für die Korinther finden, denn bei ihren Abendmahlsfeiern lief offenkundig so einiges schief: Die reicheren Gemeindeglieder hatten schon vorher von dem Abendmahlswein etwas reichlicher Gebrauch gemacht, und die ärmeren Gemeindeglieder bekamen, als sie schließlich zur Gemeinde nach der schweren Arbeit des Tages hinzukamen, noch nicht einmal etwas zu essen. Und bei all dem wurden das gemeinschaftliche Essen und die Feier des Heiligen Abendmahls offenbar ziemlich durcheinandergeworfen. Nein, so ging das nicht, so ging das gar nicht, so macht es der Apostel hier klar. Doch er stellt nun diesen Fehlentwicklungen in Korinth nicht seine eigenen persönlichen Vorstellungen über die Gestalt einer ordentlichen Abendmahlsfeier gegenüber, sondern er zitiert einfach, zitiert ganz feststehende Worte, die nicht er selber formuliert hat, sondern die er, so betont er es ausdrücklich, vom Herrn empfangen und an die Korinther weitergegeben hat. Das Heilige Abendmahl ist nicht der Tummelplatz origineller Ideen; es steht nicht in der Verfügungsgewalt derer, die es feiern, dass sie es nach ihren Wünschen gestalten könnten. Sondern das Heilige Abendmahl ist nur dann tatsächlich ein Heiliges Abendmahl, wenn es das Mahl des Herrn ist und nicht das Mahl des Pastors, auch nicht das Mahl der Gemeinde.

Genau das sollte zuerst und vor allem bei der Feier des Heiligen Mahls in einer Gemeinde zum Ausdruck kommen: Christus bestimmt, was jetzt geschieht; an seine Worte haben wir uns zu halten. Das geht schon los mit den Elementen des Heiligen Mahles: Wir nehmen das Brot, das Jesus auch genommen hat in der Nacht seines Verrats, das Brot des Passafestes, und wir nehmen den Wein, den Jesus an diesem Passaabend mit seinen Jüngern getrunken hat, und ersetzen ihn nicht durch irgendwelche anderen Flüssigkeiten. Es ist das Mahl des Herrn, es ist nicht unser Mahl. Und eben darum gebrauchen wir natürlich auch die Worte Jesu in der festen Gestalt, in der sie auch uns überliefert worden sind, in der festen Gestalt, in der sie auch unsere Konfirmanden nun in diesen Wochen lernen und in der sie diese Worte dann auch hier bei ihrer Erstkommunion am übernächsten Sonntag vortragen werden. Alles, was wir tun, soll deutlich machen: Wir geben nur weiter, was wir selber empfangen haben.

Und das tun wir ja nicht aus Respekt vor einem Toten, dessen letzten Willen wir nicht ankratzen wollen. Sondern wir tun es gerade weil wir wissen, dass der, der damals in der Nacht, da er verraten ward, das Sakrament eingesetzt hat, hier und jetzt in unserer Mitte gegenwärtig ist. Niemals dürfen wir ihn als Leiche behandeln, die sich ja nicht mehr wehren kann, wenn wir hier im Heiligen Mahl unser eigen Ding machen. Wer ihn, den Stifter, nicht respektiert, wer nicht wahrnimmt, dass wir ihm im Heiligen Mahl begegnen, der wird schuldig sein am Leib und Blut des Herrn, so betont es St. Paulus hier, ja der isst und trinkt sich selber zum Gericht. Nein, keine Drohung, die uns die Freude am Heiligen Mahl nehmen will, sondern Erinnerung daran, dass wir hier nun tatsächlich dem Allerheiligsten begegnen, ihm, dem Herrn des Mahles, ihm, dem Herrn der Welt, ihm, unserem Retter.

Und genau das machen nun auch die Worte deutlich, die der Apostel Paulus hier in unserer Epistel zitiert: Das ist mein Leib, dieser Kelch ist der neue Bund, das neue Testament in meinem Blut. Als „Deuteworte“ hat man diese Worte Jesu immer wieder einmal bezeichnet. Was für ein grundlegender Irrtum: Jesus deutet hier nichts, Jesus erklärt hier nichts im Heiligen Mahl. Er macht hier keine Schulstunde und auch keine Theatervorführung. Sondern in diesen Worten beweist er sich als der machtvolle Herr der Welt, als der Schöpfer, der spricht – und es geschieht. Das ist das Wunder des Heiligen Mahles, dass Christus hier durch das Sprechen seiner Worte eine neue Wirklichkeit setzt, verborgen in den Gestalten des Brotes und des Weines im Kelch – und doch real und machtvoll zugleich. Wer sie nicht achtet, wird nicht schuldig an der Erinnerung an Jesus, nicht schuldig an Brot und Wein, sondern schuldig am Leib und Blut des Herrn, so schärft es der Apostel hier den Korinthern ein.

Wenn du hierher zum Heiligen Mahl kommst, dann empfängst du in der Tat den Leib deines Herrn mit dem Mund, dann empfängst du in der Tat das heilige Blut deines Herrn mit deinem Mund, dann berührst du den, der sein Leben für dich in den Tod gegeben hat, dann erhältst du durch ihn Anteil an seiner Vergebung, Anteil an seinem Leben. Das soll in einer Sakramentsfeier immer klar zum Ausdruck kommen, dazu dienen die Gesten des Heiligen Mahles, die Zeichen des Respekts, mit denen jedem deutlich werden soll: Hier holt man sich am Altar nicht bloß einen Keks ab, hier geht es nicht bloß um ein schönes Gemeinschaftsgefühl. „Es ist der Herr!“ – Was die Jünger nach Ostern am See Genezareth erfuhren, das ist es, was uns hier immer wieder deutlich werden soll. Er, der große Gott, macht sich für uns ganz klein, begegnet uns leibhaftig in den Gestalten von Brot und Wein, um uns darin erfahren zu lassen, dass er uns nicht fern ist, dass er nicht gegen uns ist, sondern ganz für uns, so sehr, dass er sich für uns in den Tod gegeben hat. Nein, das Heilige Abendmahl ist nicht bloß ein interessantes Spezialthema des christlichen Glaubens; es ist die Summe des Evangeliums, wie Martin Luther es formuliert hat. Hier wird im Allertiefsten deutlich, worum es im christlichen Glauben geht: nicht um das, was du tust, sondern um das, was Christus für dich getan hat, nicht um deine Gefühle, sondern um seine Worte, nicht um deine Gedanken, sondern um seine Gegenwart.

a, um Gegenwart geht es hier im Heiligen Mahl, um Gegenwart, in der Vergangenheit und Zukunft hier und jetzt schon eins werden. Wenn Christus hier davon spricht, dass wir das Heilige Mahl zu seinem Gedächtnis feiern sollen, dann meint er gerade nicht, dass wir ein Erinnerungsmahl für ihn abhalten sollen, sondern er meint, dass durch die Feier dieses Mahles auch künftig immer wieder gegenwärtig wird, was in jener Nacht des Verrats geschehen ist. Durch die Feier des Heiligen Mahles werden wir in dieses Geschehen mit hineingezogen; da bleibt kein geschichtlicher Abstand, wo doch derselbe Herr auch heute Abend und immer wieder neu uns das Brot bricht und uns an seinem Leib und Blut Anteil gibt. Doch es werden nicht allein Vergangenheit und Gegenwart eins, wenn wir hier das Heilige Mahl feiern, sondern auch Gegenwart und Zukunft. Ganz deutlich und bewusst lenkt der Apostel Paulus hier unseren Blick nach vorne: Wenn wir das Heilige Mahl feiern, dann feiern wir damit zugleich dem Tag der Wiederkunft des Herrn entgegen. Ich kann nicht das Heilige Mahl feiern, wenn ich nicht darum weiß, dass der, der hier und heute zu uns kommt, derselbe Herr ist, dem ich einmal sichtbar in seiner ganzen Herrlichkeit begegnen werde. Ja, mehr noch, hier und heute ereignet sich eben schon die Ankunft unseres Herrn, dürfen wir hier und jetzt schon erfahren, was einmal alle Menschen sichtbar erfahren werden: Er ist es, der wiederkommende Herr, der hier und jetzt durch die Gaben seines Heiligen Mahles schon in uns lebt. Und so können wir dieses Heilige Mahl gar nicht anders feiern, als immer wieder voller Freude, auch wenn das, was wir in unserem Leben gerade erfahren mögen, uns nicht unbedingt in Feierstimmung versetzen mag. Denn wann immer wir das Heilige Mahl feiern, öffnet sich vor uns schon der Himmel, blicken wir schon in den geöffneten Himmel hinein, weil der, der zu uns kommt, den ganzen Himmel mit sich bringt. Noch geht es nach dem Heiligen Mahl in den Alltag zurück, noch gehen wir heute nach dem Gottesdienst ganz still aus der Kirche heraus, weil wir an die Nacht des Verrats denken, in der er, Jesus, verhaftet und zum Tode verurteilt wurde. Und doch dürfen wir wissen: Es ist kein anderer, der heute Abend in unsere Mitte tritt, als der, vor dem einmal alle Menschen ohne Ausnahme anbetend ihre Knie beugen werden. Er kommt schon heute zu uns, er, der wiederkommende Herr der Welt.

Nein, es geht nicht um den Pastor, nicht um seine Originalität – das gilt für das Heilige Mahl, aber es gilt natürlich auch für die Predigt. Von dem her, was im Heiligen Mahl geschieht, können wir überhaupt erst recht verstehen, was auch die Predigt heißt: Sie ist nicht das Unterhaltungselement in einem ansonsten etwas drögen Gottesdienst, sondern auch sie hat sakramentalen Charakter: In ihr spricht kein Geringerer als Christus selbst, in ihr ist er selber gegenwärtig und weist uns immer wieder hin auf das, was er für uns getan hat und tut. Und so führt die Predigt immer wieder neu zum Sakrament, in dem wir so deutlich erfahren, wer denn der Christus ist, um den es schon in der Predigt ging: Gastgeber, Speise, Retter, gegenwärtiger und kommender Herr in einem. So hören wir es, und so feiern wir es, und so wollen wir auch künftig weitergeben, was auch wir selber empfangen haben: Die Botschaft von dem größten Geschenk, das Christus uns anvertraut hat, die Botschaft von dem Sakrament seines Leibes und Blutes. Darum kommt, kommt auch heute Abend wieder, kommt nach vorne – und verkündigt damit den Tod des Herrn, bis dass er kommt! Amen.

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