1.Korinther 15, 1-11 | Heiliges Osterfest | Pfr. Dr. Martens

In dem evangelischen Magazin „Chrismon“, das ganz wesentlich von der Evangelischen Kirche in Deutschland finanziert wird, konnte man vor einigen Tagen Erstaunliches über Ostern und die Auferstehung Jesu lesen. Besser gesagt: So erstaunlich war es dann auch wieder nicht, was dort wiedergegeben wurde. Es ist vielmehr eine Kurzzusammenfassung dessen, was angehende Pastoren in der Evangelischen Kirche seit Jahrzehnten ganz selbstverständlich an den Universitäten hören und lernen:

Die Auferstehung Jesu ist, so erklärt der Verfasser des Artikels, „eine dramatische Wende, die die völlige Ernüchterung der Jünger nach dem Tod Jesu umkehrt in ein neues Aufbruchsgefühl. In die Bewegung des Jesus von Nazareth, eben noch schmerzhaft gescheitert, kommt wieder Leben, die Jünger brennen wieder für ihre alten Ziele.“

Das klingt erst einmal ziemlich harmlos, ja, beinahe fromm. Doch wenn man genauer hinschaut, wird damit gleichsam auf den Kopf gestellt, was wir eben in der Epistel des heutigen Festtags gehört haben: Die Auferstehung wird festgemacht in einer Gefühlsänderung bei den Jüngern – aus Ernüchterung wird ein neues Aufbruchsgefühl. Auferstanden ist eigentlich nicht Jesus selber, sondern die Bewegung, die er ins Leben gerufen hat und in die nun nach einem schmerzhaften Scheitern wieder neues Leben kommt: „Die Jünger brennen wieder für ihre alten Ziele.“ Schwestern und Brüder: Was der Verfasser dieses Artikels hier schreibt, ist sicher eine ganz passende Beschreibung der Erfahrungen der F.D.P. in den vergangenen Wochen. Doch die kam bei ihrer Wiederauferstehung bekanntlich ohne Heiland und Erlöser aus. Von daher ist es nur konsequent, dass der Verfasser des Chrismon-Artikels dann auch erklärt, es sei für unseren christlichen Glauben nicht wichtig, ob das Grab Jesu leer war oder nicht. Schließlich ginge es ja nur um die Erfahrung, die die Jünger Jesu gemacht haben – und die konnten sie dem Chrismon-Artikel zufolge eben auch machen, wenn der Leichnam Jesu damals im Grab allmählich verwest ist. Und für diese Behauptung führt nun der Verfasser des Artikels allen Ernstes auch noch den Apostel Paulus als Kronzeugen an, der ja hier in unserer Predigtlesung das leere Grab noch nicht einmal erwähnt habe.

Schwestern und Brüder: Es lohnt sich offenkundig, noch einmal genauer hinzuschauen, was Paulus hier tatsächlich schreibt – offenkundig eben doch etwas ganz anderes, als was in jenem Chrismon-Artikel behauptet wird:

Da zitiert der Apostel Paulus hier in unserer Predigtlesung das älteste uns bekannte Glaubensbekenntnis der Christen. Ach, was sage ich: Es ist nicht nur das älteste uns bekannte Glaubensbekenntnis, sondern es ist das älteste Glaubensbekenntnis überhaupt, denn es ist offenbar in der Gemeinde in Jerusalem nur wenige Jahre nach der Auferstehung Jesu entstanden. Als der auferstandene Christus das Leben des Christenverfolgers Paulus völlig gewendet hat und der Paulus daraufhin nach Jerusalem gegangen ist, da fand er dieses Glaubensbekenntnis schon vor. Worin geht es in diesem Glaubensbekenntnis? Es geht nicht um die Ziele, für die die Jünger Jesu angeblich brannten, nicht um Forderungen nach einer gerechteren Weltordnung, nicht um irgendwelche allgemeinen Weisheiten fürs Poesiealbum. Sondern es geht in diesem Glaubensbekenntnis schlicht und einfach um Christus. Das Glaubensbekenntnis spricht nicht über die Gefühle der Jünger, es spricht auch nicht über unsere Gefühle, sondern es spricht allein von Christus, von dem, was er getan hat und was ihm widerfahren ist: Vier entscheidende Aussagen werden hier über Christus gemacht:

Erstens: Er ist für unsere Sünden gestorben nach der Schrift. Der Tod Jesu war nicht einfach ein tragischer Irrtum, sondern er hatte einen tiefen Sinn, so bezeugen es schon die allerersten Christen: Jesus hat mit seinem Tod die Folgen unserer Sünde, die wir zu tragen gehabt hätten, von uns abgewendet. Damit erfüllt er, was schon im Alten Testament von dem leidenden Knecht Gottes angekündigt worden war. Zweitens: Er ist begraben worden. Ja, das ist den ersten Christen in Jerusalem wichtig gewesen, dass Jesus in ein Grab gelegt worden ist, dass es einen Ort gab, wo er bestattet worden ist. Auf die Idee, dass es eine Auferstehung Jesu gegeben haben könne, die mit dem Leichnam Jesu im Grab nichts zu tun haben könnte, sind die ersten Christen damals allerdings nicht gekommen. So verrückt konnten sie einfach noch nicht denken. Wenn jemand begraben wird und dann aufersteht, dann ist es allemal ein unfassliches Geschehen – gar keine Frage! Aber dass dieses Geschehen keine Auswirkungen auf den Leichnam Jesu gehabt haben sollte, das überstieg dann doch das Vorstellungsvermögen derer, die ihn, Jesus, damals ja als den Auferstandenen gesehen haben. Der begrabene Jesus wird auferweckt – und zwar am dritten Tag, zu einem konkreten Zeitpunkt. Und damit sind wir schon bei dem Dritten, was in diesem Glaubensbekenntnis steht: Jesus ist auferweckt worden. Gott hat an ihm gehandelt, hat damit gezeigt, dass er der Schöpfergott ist, der, der neues Leben aus dem Nichts zu schaffen vermag, der auch da zu handeln vermag, wo nach unseren menschlichen Möglichkeiten und Einsichten alles an sein Ende gekommen ist. Jesus ist auferstanden – und dann erst ist er gesehen worden, so heißt es hier im Glaubensbekenntnis. Dass Jesus auferstanden ist und dass Menschen ihn als den Auferstandenen sehen, ist nicht dasselbe. Man kann die Auferstehung Jesu eben nicht auf eine menschliche Erfahrung verkürzen. Sondern die Menschen, die Jesus gesehen haben, erfahren nur deshalb etwas, weil zuvor etwas geschehen ist, was von ihren Erfahrungen und Gefühlen ganz unabhängig ist.

O nein, der Apostel Paulus ist gerade kein Kronzeuge dafür, dass die Auferstehung Jesu sich letztlich nur in einem Stimmungsumschwung der Jünger festmachen lässt. Er beruft sich auf ein Glaubensbekenntnis, das ausdrücklich die Auferstehung Jesu mit dem Grab Jesu in Verbindung setzt und zugleich auch die Auferstehung deutlich von den anschließenden Erfahrungen der Jünger unterscheidet.

Und auch was die Erfahrungen der Jünger angeht, also das Vierte, worum es in diesem Glaubensbekenntnis geht, ist die Sache völlig klar: Die Jünger fühlen nicht bloß etwas in sich, sondern sie sehen ihn, den auferstandenen Herrn. Jawohl, sie sehen ihn alle miteinander: Petrus, die Zwölf, mehr als fünfhundert Brüder auf einmal, von denen viele bei der Abfassung des Briefes an die Korinther noch am Leben sind und von dem berichten können, wen sie da gesehen haben, und schließlich auch noch alle weiteren Apostel, gemeint sind wohl weitere Auferstehungszeugen, die nach der Begegnung mit Christus die Botschaft von seiner Auferstehung weitergetragen haben. Und dann kommt schließlich auch noch der Apostel Paulus selber. Wie hieß es doch so schön in dem Chrismon-Artikel: Die Auferstehung Jesu sei „eine dramatische Wende, die die völlige Ernüchterung der Jünger nach dem Tod Jesu umkehrt in ein neues Aufbruchsgefühl.“ O nein, der Apostel Paulus war überhaupt nicht ernüchtert nach dem Tod Jesu – er war zutiefst befriedigt, dass dieser Gotteslästerer Jesus, der behauptet hatte, Gottes Sohn zu sein, nun endlich die gerechte Strafe bekommen hatte. Der benötigte kein neues Aufbruchsgefühl, der war schwer aktiv, ja, der brannte für seine alten Ziele, und wie, für die Ziele, so viele Christen wie möglich mundtot zu machen. Alles hätte sich der Paulus gewünscht, bloß nicht, dass der auferstandene Christus ihm allen Ernstes begegnet. Doch eben das tut er, ermutigt den Paulus gerade nicht, weiterzumachen, sondern lässt ihn erkennen, dass es völlig falsch, ja irrsinnig war, die Auferstehung Jesu zu leugnen und die zu bekämpfen, die diese Auferstehung bezeugten.

Schwestern und Brüder: Warum betone ich das alles so ausdrücklich und so ausführlich? Ich tue das, weil es hier tatsächlich um unsere Seligkeit geht, wie der Apostel Paulus es hier betont. Es geht um unsere ewige Rettung. Und gerettet werden wir durch das apostolische Evangelium, nicht durch irgendwelche selbstgebastelten Umschreibungen dessen, was Ostern für Menschen heute bedeuten könnte. Der Apostel Paulus hatte wohl schon eine Ahnung davon, was mit dieser Osterbotschaft in der Kirche einmal passieren könnte, wie leicht sie verfälscht, verdreht, verflüchtigt werden könnte. Und darum schreibt er hier ausdrücklich: Ja, ihr werdet durch dieses Evangelium selig, wenn ihr’s festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe. Sonst wärt ihr umsonst gläubig geworden.

Unser Glaube fußt nicht auf unseren Gefühlen, nicht auf unseren Ideen, wie es damals zu Ostern möglicherweise gewesen sein könnte. Sondern er gründet sich allein auf das Zeugnis derer, die Jesus damals als den Auferstandenen gesehen haben. Und dieses Zeugnis ist eben dann auch in der Kirche weitergegeben worden, nicht allein mündlich, sondern eben auch in der schriftlichen Gestalt, in der uns dieses Zeugnis heute im Neuen Testament vorliegt. Daran sollen wir festhalten – um unserer Seligkeit willen!

Ja, es geht um deine Seligkeit: Wenn Jesus im Grab vermodert ist und es nach Ostern nur darum ging, dass die Jünger zum Weitermachen motiviert werden mussten, dann können wir hier und heute einpacken. Es geht in der Kirche nicht um die Auferstehung einer Bewegung, auch nicht um persönliche Auferstehungserfahrungen, die wir machen. Es geht um Christus allein, es geht darum, dass er mit seiner Auferstehung die Macht des Todes gebrochen hat und damit unendlich mehr geschaffen hat als bloß, uns zu motivieren. Weil er die Macht des Todes gebrochen hat, dürfen wir gewiss sein, dass der ganz real existierende Tod, mit dessen Macht wir immer wieder auf so schmerzliche Weise konfrontiert werden, gerade auch in der vergangenen Woche wieder bei den Terroranschlägen in Brüssel, eben nicht das letzte Wort hat, dass auch wir leben werden, wie er, Christus, lebt. Weil Christus auferstanden ist, darum halten wir heute hier in diesem Gottesdienst nicht bloß eine Gedenkfeier ab. Nein, es ist der auferstandene Christus selber, der uns einlädt, ja, der uns selig macht, wenn wir ihm nun auch gleich wieder in den Gestalten von Brot und Wein leibhaftig begegnen: sein Leib und sein Blut – nicht im Grab geblieben, sondern lebendig, gegenwärtig, kräftig, rettend.

Nein, du glaubst nicht an den Glauben der Apostel, du glaubst an ihr Wort, an ihr Zeugnis. Und du hast gute Gründe, dies zu tun; du hast Zeugen, die dir von der Begegnung mit dem auferstandenen Christus berichten, du hast eine Kirche, in der dieses Zeugnis bis heute weitergeleitet worden ist. Lass dich darum nicht irremachen in deinem Glauben an den leibhaftig auferstandenen Christus, gib nicht preis, was dir die Apostel als Wort Gottes verkündigen: Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden. Er lebt wahrhaftig – und du wirst mit ihm leben. Er wird dich aus deinem Grab herausholen, wie Gott auch ihn aus dem Grab herausgeholt hat. Das ist es, das Evangelium, das auch dich selig macht! Amen.

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