1. Petrus 5,5c-11 | 15. Sonntag nach Trinitatis | Pfr. Dr. Martens

Nun sind die Sommerferien wieder vorbei. Es gibt nicht viele in unserer Gemeinde, die dazu in der Lage waren, wenigstens für ein paar Tage mal in den Urlaub fahren zu können, einfach mal alles zurücklassen zu können, abschalten zu können von dem, was einen im Alltag so sehr zu schaffen macht und bedrückt. Ach, wie viele gibt es unter uns, die solch einen Urlaub dringend nötig hätten, die sich genau das wünschen würden, einmal alles hinter sich lassen zu können, irgendwo sein zu können, wo es keine Sorgen und Lasten gibt, wo man nicht in der beständigen Angst leben muss, dass man wieder eine Nachricht erhält, die einem den Boden unter den Füßen wegzieht! Ja, ich kann diesen Wunsch auch selber nur allzu gut verstehen!

Genau das wünschen wir uns ja nicht nur für unseren Alltag, sondern das wünschen wir uns ja in besonderer Weise auch für unseren Glauben: Einfach mal raus aus dem beständigen Kampf, den beständigen Nöten und Anfechtungen, einfach mal irgendwo sein, wo man keine Fragen mehr hat, wo es keine Zweifel gibt, wo einen der Teufel mal ganz und gar in Ruhe lässt – ach, wäre das schön!

Es gibt ja kirchliche Gruppierungen, die einem genau so etwas versprechen: Komme zu uns, du musst nur richtig fest glauben, dann geht es dir nur noch gut, dann hast du keine Probleme mehr, dann fühlst du dich nur noch glücklich! Solche Versprechungen ziehen an, mit solchen Versprechungen hat man Erfolg, sie befriedigen die Wünsche, die wir Menschen haben, keine Frage! Doch wenn wir diese Versprechen im Licht des Wortes Gottes, im Licht der Epistel des heutigen Sonntags betrachten, stellen wir schnell fest: Solche Versprechungen sind in Wirklichkeit Versprechen des Teufels, nicht Versprechen unseres Herrn Jesus Christus.

Gottes Wort macht uns deutlich: Der Teufel gönnt uns leider keinen Urlaub. Er zwingt uns in einen Kampf, der unser ganzes Leben lang dauert. Besser gesagt: Der Teufel macht uns eben dieses Versprechen, dass wir diesen Kampf sehr schnell beenden können, wenn wir uns denn nur auf seine Seite stellen. Dann ist Ruhe im Karton, dann haben wir scheinbar, was wir wollen. Doch der Apostel Petrus ruft uns zu: Folgt nicht diesem verlockenden Urlaubsangebot; bleibt auf der anderen Seite, bei der Gegenmannschaft, auch wenn das mit so mancher Unannehmlichkeit verbunden ist.

In der deutschen Sprache gibt es ja ein Wort „wieder“ mit ie in der Mitte und ein Wort „wider“ nur mit „i“ in der Mitte. Das Wort mit ie in der Mitte kommt häufiger vor, es bedeutet so viel wie „noch einmal“. Das Wort nur mit i in der Mitte gibt es nicht so häufig; aber hier in unserer Predigtlesung taucht es gleich dreimal auf. Im Griechischen steht da jedes Mal das Wort „anti“, was so viel wie „gegen“ heißt. Petrus sagt, dass Gott den Hochmütigen widersteht. Dann schildert er uns unseren Widersacher, also unseren Gegner, den Teufel, und schließlich fordert er uns dazu auf, diesem Gegner zu widerstehen, uns also ganz bewusst in seiner Gegenmannschaft zu verorten. Aus diesem „anti“, aus diesem „wider“ nur mit i kommen wir mit unserem Glauben nicht heraus. Entweder haben wir Gott als Gegner oder den Teufel. Wir können uns nicht einfach auf die Tribüne begeben und von dort aus zuschauen, wie Gott mit dem Teufel kämpft. Nein, es bleibt uns nichts anderes übrig als mittendrin zu bleiben in diesem Kampf, und die einzige Frage, die dabei bleibt, ist die, auf welcher Seite wir stehen.

Für Petrus ist die Sache klar: Unser Widersacher, unser Gegner ist der Teufel, ist nicht Gott. Gott haben diejenigen zum Gegner, die sich aufblasen, die glauben, sie seien besser als andere, die herabblicken auf Menschen in Not und sie vielleicht gar noch verächtlich machen, die nicht bereit sind, Anteil zu nehmen an der Not von Menschen, die ein ganz anderes Schicksal haben als sie selber. Gott widersteht den Hochmütigen, denjenigen, die mit einer Armbewegung die Not von Flüchtlingen beiseite wischen und sie allesamt zu Betrügern erklären, denjenigen, die meinen, sich ein Urteil darüber anmaßen zu können, ob ein anderer Mensch ein wirklicher Christ ist oder nicht.

Doch wer sich auf die Seite Gottes stellt, der bekommt es tatsächlich mit dem ganz gewaltigen Widerstand des Teufels zu tun, der sich in ganz unterschiedlicher Weise äußern kann. Der Teufel kann ja ganz brutal vorgehen, wie er es etwa in vielen muslimischen Ländern tut, wo Christen um ihres Glaubens willen mit dem Tod bedroht werden, wo sie sich nur unter Lebensgefahr zum Gottesdienst versammeln können. Viele Glieder unserer Gemeinde könnten von diesem Treiben des Teufels eine Menge aus ihrem eigenen Leben berichten. Doch sie könnten eben auch davon berichten, dass diese Taktik des Teufels in Wirklichkeit eine grottenschlechte Taktik ist, weil der Teufel mit Gewalt und Verfolgung immer nur das Gegenteil von dem erreicht, was doch eigentlich sein Ziel ist.

Doch der Teufel hat ja eine viel bessere Taktik auf Lager: Er versucht einfach, uns allmählich in unserem Glauben an Christus einschlafen zu lassen. „Der Weg zur Kirche ist doch viel zu weit; das kannst du doch gar nicht schaffen.“ „Du hast so viele andere wichtige Dinge zu tun – du hast für Christus und seine Kirche einfach keine Zeit.“ „Du musst das mit dem Glauben doch nicht alles so ernstnehmen; das machen andere Leute hier in Deutschland auch nicht. Es reicht doch völlig, wenn du vielleicht einmal im Monat zum Gottesdienst kommst, oder vielleicht alle zwei Monate – oder alle sechs Monate, oder einmal im Jahr. Ach, wozu brauchst du Christus überhaupt noch? Es geht doch viel einfacher ohne ihn!“ Ja, das ist eine wirklich geniale Taktik des Teufels, die funktioniert in der Tat, dass wir uns allmählich von ihm immer weiter einschläfern lassen, bis wir gar nicht mehr merken, dass der Teufel uns schon längst vom Spielfeld befördert und damit im Kampf gegen ihn ausgeschaltet hat.

Mit einem brüllenden Löwen vergleicht der Apostel Petrus den Teufel hier. Doch Löwen können sich eben auch ganz heimlich anschleichen und dann zuschlagen. Wichtig ist darum, dass wir nüchtern sind und wachen, dass wir uns nicht einlullen lassen von unserem Wunsch, ein Leben ohne Widerstand, ohne Kampf zu führen. Wer nüchtern ist, der sieht die Dinge klar und nicht verschwommen, der erkennt seine Situation unverzerrt, der weiß, dass die klare Positionierung bei Christus im Leben Nachteile mit sich bringen kann, Leiden bedeuten kann.

Ja, seid nüchtern und wacht! Lasst euch nicht einlullen von Behauptungen, wir würden hier in Deutschland noch in einem christlich geprägten Land leben! Wir sind längst in einer Minderheitensituation, und die Dinge entwickeln sich ganz ähnlich, wie Petrus sie damals schon für die Empfänger seines Briefes schilderte: Wisst, dass ebendieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen. Da berichtete mir unlängst ein Gemeindeglied, wie es bei seiner Anhörung im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom Anhörer und dem Dolmetscher gleichermaßen ausgelacht und verspottet wurde, als es von seinem Glauben erzählte, dass Jesus für unsere Sünden sein Blut am Kreuz vergossen hat. Ja, Christen werden mittlerweile auch schon in Behörden unseres Landes verhöhnt, müssen damit rechnen, mit ihrem Glauben nicht ernstgenommen und entsprechend auch nicht als asylberechtigt anerkannt zu werden. Da könnte ich nun noch so manche Geschichte gerade aus den vergangenen Wochen erzählen.

Seid nüchtern und wacht! Mit Toleranz für unseren christlichen Glauben werden wir je länger desto weniger in unserem Land rechnen können. Und wer das mal live miterleben möchte, wie Intoleranz, wie geradezu satanischer Hass aussieht, dem empfehle ich die Teilnahme am Marsch für das Leben am übernächsten Samstag, der gewiss auch in diesem Jahr wieder von allen möglichen Hassparolen, wenn nicht gar von körperlichen Übergriffen begleitet sein wird. Das ist die Welt, in der wir als Christen leben und leben werden.

Widerstehet, schreibt der Apostel. Schlagt euch nicht einfach auf die Seite derer, die am lautesten schreien, schlagt euch nicht einfach auf die Seite derer, die vorgeben, die Mehrheit zu sein! Bleibt bei dem, der euch doch schon in eurer Taufe zur ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus berufen hat, bleibt bei dem, auch wenn es für euch mit Nachteilen verbunden ist!

Wenn ihr nämlich bei Christus bleibt, dann werdet ihr entdecken, wie gut ihr es bei ihm habt – trotz aller Angriffe, trotz aller Nachteile. Ja, das Leben auf der Seite von Christus kann mitunter sehr unbequem sein – und doch: Wieviel besser haben wir es unter der gewaltigen Hand Gottes, selbst wenn sie mitunter schwer auf uns lasten mag, als unter der Tatze eines Löwen! Denn der, zu dem wir seit unserer Taufe gehören, der hat uns doch versprochen, für uns zu sorgen, was in unserem Leben auch geschehen mag.

Ja, wir wissen alle miteinander, wie Sorgen einen zu Boden drücken können, wie sie einem jeden Mut, jede Zukunftsperspektive zu nehmen drohen. In unseren Sorgen drehen wir uns immer wieder nur um uns selbst und ziehen uns damit letztlich nur nach unten. In unserem Sorgen tun wir immer wieder so, als ob unsere ganze Zukunft nur von eben diesem Sorgen abhinge. Doch wie beglückend ist es, wenn wir in unserem Leben in der Gemeinschaft mit Christus eben dies erfahren und feststellen dürfen: Unsere Zukunft hängt ja gar nicht von uns selber ab, erst recht nicht davon, ob wir uns auch genügend gesorgt haben. Wir haben einen Herrn, wir haben einen Vater im Himmel, der viel besser für uns sorgt, als wir dies mit all unseren Sorgen jemals erreichen können. Auf ihn dürfen wir unsere Sorgen werfen, so formuliert es der Apostel so schön. Ja, richtig mit Schwung dürfen wir uns von ihnen verabschieden, dürfen sie dem anvertrauen, der allemal der Spezialist im richtigen Sorgen ist.

Und so erleben wir es in der Tat, wenn wir denn nur bei Christus bleiben: Ja, der Teufel gönnt uns keinen Urlaub, die Ausländerbehörden gönnen uns diesen Urlaub vielleicht auch nicht unbedingt. Aber mitten in dem Kampf, in den wir gestellt sind, dürfen wir doch hier und jetzt eine Ruhe erfahren, die nicht von dieser Welt ist, die noch viel besser ist als jeder Urlaub an der Ostsee. Mitten in dem Kampf erfahren wir: Gott sorgt für uns, vermag auch alles Böse, das wir in unserem Leben erfahren, noch zum Guten zu wenden. Ja, Gott lässt uns aus diesem Kampf nicht kaputt, sondern am Ende sogar stärker hervorgehen, lässt uns gerade auch Erfahrungen des Leidens und der Enttäuschung zum Besten dienen.

Nein, wir brauchen vor dem Teufel keine Angst zu haben, selbst wenn er mitunter noch so laut brüllen mag. Gott sorgt für uns, lässt uns in allen Kämpfen nicht allein – bis wir schließlich einmal dort ankommen werden, wo wir in der Tat für immer Urlaub vom Teufel haben werden. Amen.

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