2.Korinther 4, 6-10 | Fest der Verklärung Christi | Pfr. Dr. Martens

„Warum brauchen Sie denn überhaupt eine Religion? Wenn Sie kein Muslim mehr sein wollen, warum müssen Sie sich denn dann gleich eine andere Religion suchen?“ – So werden Glieder und Taufbewerber unserer Gemeinde zurzeit immer wieder bei ihren Erstanhörungen bei der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Eisenhüttenstadt gefragt. Völliges Unverständnis dafür, wie man ernsthaft auf die Idee kommen kann, Christ zu werden, spricht aus dieser Frage. Jemandem, der überhaupt keinen Bezug zum christlichen Glauben hat, eine Antwort auf diese Frage zu geben, ist gar nicht so einfach. Wie soll man ihm klarmachen, dass man sich den christlichen Glauben nicht einfach aussucht, dass er gerade nicht das Ergebnis einer freien Entscheidung eines Menschen ist, dass man nicht deshalb Christ wird, weil man auf einer Shoppingtour im Supermarkt der Religionen fündig geworden ist?

In unserer heutigen Predigtlesung zum Fest der Verklärung Christi beschreibt der Apostel Paulus in ganz wunderbarer Weise, was Gott selber in Menschen macht, denen er den Glauben schenkt und die er zum Dienst in seiner Kirche beruft. Er macht dort nicht weniger, als er am Anfang der Welt bei der Schöpfung getan hat. So wenig, wie sich unsere Welt selber ausgesucht hat, dass es in ihr Licht gibt, so wenig haben wir uns den Glauben an Christus ausgesucht. Gott hat es in unserem Herzen hell werden lassen, hat es aufstrahlen lassen, und als Gott diesen hellen Schein in unser Herz gegeben hat, da konnten wir gar nicht anders, als zu sagen: Ja, ich glaube an Jesus Christus. Dabei kann Gott mit seinem Schöpfungshandeln durchaus auch unterschiedlich lange brauchen. Bei dem Apostel Paulus ging es damals ganz schnell, als der auferstandene Christus ihm vor den Stadttoren von Damaskus erschien. Da wurde ihm von einer Minute auf die andere klar, dass Christus sein Herr ist. Gottes Schöpfungshandeln kann aber auch länger brauchen, bis einem Menschen das in seinem Herzen klar wird: Ja, ich kann gar nicht mehr anders als mich zu ihm, Christus, zu bekennen. Doch wie lange es auch dauern mag: Es ist immer Gott allein, der das Licht in unseren Herzen aufleuchten lässt.

Aber wenn das Licht dann leuchtet, dann lässt es sich nur schwer verbergen. Es geht eben nicht, wie so manche Richter und Verwaltungsbeamte in unserem Land sich das vorstellen, dass man sein Leben als Christ ganz gut auch so führen kann, dass es kein anderer mitbekommt. Licht wird erkennbar, früher oder später, so macht es auch der Apostel hier deutlich: Gott hat diesen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes. Nein, das heißt gerade nicht, dass wir es schaffen, bei anderen Menschen nun selber den Glauben zu wirken – ach, was würden wir uns das mitunter wünschen, dass wir dazu selber in der Lage wären! Nein, es ist und bleibt Gott, der den Glauben in uns Menschen wirkt - aber eben in aller Regel nicht senkrecht von oben herab, sondern durch andere Menschen, in denen er das Licht des Glaubens schon zuvor angezündet hatte. Mir wird das immer wieder deutlich, wenn ich Menschen aus unserer Gemeinde auf die Erstanhörung beim Bundesamt vorbereite. Wenn es um die Frage geht, wie sie den Weg zum christlichen Glauben gefunden haben, dann erzählen sie eben praktisch ohne Ausnahme von einem anderen Menschen, der ihnen den Anstoß zum Glauben gegeben habe – in vielen Fällen noch im Iran selber, aber in nicht wenigen Fällen auch hier in Deutschland, irgendwo in einem Asylbewerberheim. Immer wieder hat Gott Licht in den Herzen von Menschen aufgehen lassen, und dieses Licht hat dann durch sie hindurchgestrahlt und wieder die nächsten Menschen erreicht. So wirkt er, der Schöpfer, der Heilige Geist.

Doch so unterschiedliche Wege Gott auch gebraucht, um in uns Menschen das Licht des Glaubens anzuzünden – was wir in diesem Licht dann erkennen, ist immer wieder dasselbe: Wir erkennen die Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi, so formuliert es der Apostel Paulus hier. Natürlich können wir diese Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi in aller Regel nicht so sehen, wie sie Petrus, Johannes und Jakobus damals auf dem Berg der Verklärung gesehen haben. Aber eines macht uns Gott der Heilige Geist dann eben doch immer wieder klar: Wenn du Gott finden willst, den wahren, lebendigen Gott, dann blicke auf Jesus Christus, dann blicke auf ihn, deinen gekreuzigten Herrn. Da findest du Gott, da erkennst du ihn. Ja, schaue auf ihn, deinen Herrn, gerade dann, wenn du Gott in deinem Leben so gar nicht begreifen kannst, wenn dir Gott mitunter vielleicht nur wie eine Fratze vorkommen mag. Gott findest du, wenn auf deinen Herrn Jesus Christus schaust, wie er sich für dich in den Tod gibt, wie er dich voller Liebe und Erbarmen anschaut. Es gibt keinen anderen Gott als den, den du im Angesicht Jesu Christi erkennen kannst. Ein Gott, der sich nicht in seinem Sohn Jesus Christus zu erkennen gibt, ist nicht der wahre Gott, ist nicht der Gott, an den wir glauben. Auch das erkennt man allerdings einzig und allein in dem Licht, das Gott der Heilige Geist selber in unseren Herzen anzündet.

Ja, Gott ist es, der dieses Licht anzündet, man kann es gar nicht oft genug betonen, so findet es auch der Apostel Paulus. Zu groß ist die Versuchung, dass Menschen ihren Glauben an Menschen hängen, ihn von dem abhängig machen, was Menschen tun und wie Menschen sind. Zu groß ist die Versuchung, dass auch gerade diejenigen, die von Christus ins Amt der Kirche gerufen sind, glauben, sie seien vielleicht doch dazu in der Lage, bei Menschen die Erleuchtung herbeizuführen.

Nein, Gefäße aus Ton, zerbrechlich und mit allen möglichen Macken und Gebrauchsspuren sind die, die Gott als seine Werkzeuge gebraucht, um durch sie in Menschen den Glauben zu wirken. Was für ein wunderbares und auch tröstliches Bild, das der Apostel hier gebraucht! Ja, als solch ein Gefäß aus vergänglichem Ton, schon ganz schön kaputt und mit sehr deutlich erkennbaren Gebrauchsspuren, habt ihr mich in der letzten Zeit hier in der Gemeinde erlebt, nicht selten an der Grenze meiner Kräfte und auch meiner stimmlichen Möglichkeiten. Ja, so sehen die Gefäße aus, durch die Gott sein Licht zu anderen Menschen bringen will, damit ja dies eine klar ist: dass die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns. Gott wirkt den Glauben, nicht der Pastor, der kann euch höchstens etwas husten, aber sicher nicht das Licht des Heiligen Geistes hervorbringen. Erwartet darum auch hier in der Kirche nichts vom Pastor, aber alles von der überschwänglichen Kraft Gottes, der diese seine Kraft hier in unserer Mitte immer wieder so deutlich erfahrbar werden lässt!

Und ein Gefäß mit Rissen und Gebrauchsspuren ist ja nicht nur der Pastor! Wie viele Gemeindeglieder gibt es hier unter uns, bei denen solche Gebrauchsspuren, ja auch Risse im Leben sehr deutlich zu erkennen sind, und die doch von Gott immer wieder als seine Werkzeuge gebraucht werden! Ja, wie viele von euch tragen auch schon Narben am Körper und an der Seele nach all dem, was sie in ihrem Leben gerade auch wegen ihres Glaubens schon erfahren haben, und sind doch gerade so und nicht anders in besonderer Weise Zeugen ihres Herrn. Ja, das eine machen sie mit ihrem eigenen Lebenszeugnis deutlich:

Christ zu sein, bedeutet gerade nicht: frei zu sein von allen Problemen, immer nur fröhlich und glücklich zu sein. Was für eine fürchterlich unchristliche Irrlehre wird da auch auf sich christlich nennenden Fernsehkanälen und von angeblich christlichen Internetadressen verbreitet, die behaupten, man müsse nur ernstlich zu Gott beten, dann würde er einem Geld, Wohlstand, Gesundheit und Erfolg schenken! Paulus zeichnet uns hier ein ganz anderes Bild eines Christen: Wir sind von allen Seiten bedrängt, uns ist bange, wir leiden Verfolgung, wir werden unterdrückt, wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe. So sieht die Existenz eines Christen aus, sagt er. Ja, genau so, wie es so viele Taufbewerber unserer Gemeinde in den Asylbewerberheimen und auch draußen auf der Straße erleben, dass sie bedrängt, verfolgt, unterdrückt werden und nicht selten den Eindruck haben, in all dem ganz allein zu sein. Ja, natürlich erheben wir gegen das, was dort geschieht, unsere Stimme. Und doch sollen wir wissen: Dies ist die Normalsituation von Christen – und wer weiß, ob dies in Zukunft nicht noch für sehr viel mehr Christen hier in unserem Land zur Normalsituation werden wird! Doch trösten dürfen wir uns damit, dass Christen immer wieder zugleich genau diese Erfahrung gemacht haben, die der Apostel hier beschreibt: Gerade da, wo wir von außen bedrängt werden, wo wir selber ganz und gar an die Grenzen unserer Möglichkeiten geraten, da, und nicht vorher, dürfen wir erleben, dass Christus, unser Herr, uns eben doch nicht verlässt, dass er uns doch immer wieder neu hindurchträgt, dass er uns einen getrosten Mut schenkt, den wir ganz sicher nicht aus uns selber haben.

Ja, so gilt auch hier wieder: Nichts sollen wir von uns selber erwarten, nichts von unserem Glaubensmut, nichts von unserer Geduld, nichts von unserer eigenen Kraft. Aber vertrauen dürfen wir auf den, der das Licht des Glaubens in uns angezündet hat und der uns schon in unserer Taufe versprochen hat, wohin er uns einmal führen wird: dorthin, wo das Leben Jesu einmal auch an unserem Leib offenbar werden wird, dorthin, wo unser Leib einmal dem Leib des verklärten Christus ähnlich sein wird, wo uns nichts mehr bedrängen und bedrohen wird, wo wir einmal für immer voller Freude rufen werden: Herr, hier ist gut sein! Dahin geht es, durch alle Bedrängnisse und Risse unseres Lebens, durch alle Ängste und Nöte: Dorthin, wo wir sie tatsächlich einmal mit eigenen Augen sehen werden: die Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi! Was für eine Aussicht! Amen.

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