Lukas 17,11-19 (Vorlage Für Die Persische Übersetzung) | Vorabend zum 14. Sonntag Nach Trinitatis | Pfr. Dr. Martens

Schon jahrelang wartete er nun auf die Antwort des Bundesamtes auf seinen Asylantrag. Allmählich konnte er das Warten kaum noch ertragen. Sein ganzes weiteres Leben, seine ganze weitere Zukunft hing an dieser einen Entscheidung. „Ich habe nur eine einzige Hoffnung“, so sagte er immer wieder: „Und das ist mein Herr Jesus Christus.“ „Und dann auch an zweiter Stelle der Pastor“, so pflegte er hinzuzufügen. Und dann war es endlich soweit: Der Rechtsanwalt überbrachte ihm die gute Nachricht: „Sie sind vom Bundesamt als Flüchtling anerkannt worden; Sie dürfen hier in Deutschland bleiben!“ Was für eine Freude, was für ein Glück! Jetzt stand die Welt ihm offen, nun hatte er sie: die langerwartete Zukunft für sein Leben! Er feierte kräftig mit seinen Freunden, und dann gab es so viel zu erledigen: Ein Integrationskurs musste gefunden werden, endlich auch eine richtige Wohnung, nebenbei noch eine Arbeit – das Leben war nun viel stressiger als vor der Antwort, so stellte er bald fest. Für Jesus, für die Kirche war nun leider einfach keine Zeit mehr. Jetzt musste man sich um seine Zukunft kümmern, das war doch klar. Und natürlich dachte er immer einmal dankbar zurück an die Zeit, als das Leben noch so langweilig war, dass man sogar noch für die Kirche Zeit gehabt hatte. Aber jetzt wollte man mit den Leuten dort auch nicht mehr allzu viel zu tun haben: Da in der Kirche saßen schließlich die Verlierer, die mit dem javab manfi, die, denen gar nichts anderes übrigblieb, als weiter immer wieder dorthin zu gehen – jedenfalls bis zur Gerichtsverhandlung.

Genau solch eine Geschichte erzählt uns auch der Evangelist Lukas in dem Evangelium des heutigen Abends. Von zehn aussätzigen Männern erzählt er hier. Aussatz – das war nicht nur eine eklige Krankheit. Sondern wer an Aussatz erkrankte, der musste sein ganzes weiteres Leben außerhalb der Gemeinschaft der Gesunden verbringen – in Camps außerhalb der Dörfer, um nicht die Gesunden mit dieser Krankheit anzustecken, bei der einem die Glieder am lebendigen Leib abfaulten. Wer an Aussatz erkrankt war, der war gleichsam lebendig schon tot. Hoffnung auf Heilung gab es nicht. Und dann begegnen die Zehn Jesus – und der spricht das heilende Wort: „Geht hin und zeigt euch den Priestern.“ Die Priester in Jerusalem waren damals gleichsam die Gesundheitsbehörde – die entschieden, ob jemand noch an einer ansteckenden Krankheit litt oder nicht. Und siehe da: Die Zehn werden allesamt als geheilt entlassen. Was für ein Wunder! Nun hatten sie eine ganz neue Zukunft. Nun konnten sie zu ihren Familien zurückkehren. Nun hatten sie ein Leben, mit dem eigentlich keiner mehr rechnen konnte. Was für eine Freude, was für ein Grund zum Feiern!

Wer sie eigentlich heil gemacht hat, ist dabei schnell vergessen. Jetzt, wo sie gesundgeworden sind, brauchen sie Jesus nicht mehr. Sie hatten ja von ihm bekommen, was sie wollten. Nur einer von den Zehn kehrt wieder zu Jesus zurück und dankt ihm für das neue Leben, das er ihm geschenkt hat – ausgerechnet ein Samariter! Ausgerechnet einer, von dem doch alle wussten, dass er ganz sicher nicht zu Gottes Volk gehörte. Doch ausgerechnet der findet den Weg zu Jesus – und findet damit den Weg zu seiner Rettung.

Denn genau das macht Jesus diesem einen hier deutlich: Gesund geworden sind zehn – aber gerettet wird nur einer: nur der, der den Weg zu Jesus zurückfindet und ihm dankt. Nur der, der Jesus nicht nur als Lieferant zur Erfüllung der eigenen Wünsche gebraucht, sondern an ihn als seinen Herrn und Retter glaubt.

Wo sind die anderen neun? Jesus bringt seine Enttäuschung über das Verhalten der anderen, die gesund geworden sind, sehr deutlich zum Ausdruck. Ja, das tut auch Jesus weh, einfach nur ausgenutzt zu werden und dann vergessen zu werden, wenn man nicht mehr gebraucht wird. Wo sind die anderen? Jesus versteht auch uns in unserer Enttäuschung, die wir auch hier in der Arbeit unserer Gemeinde immer wieder erleben. Da versuchen wir, Menschen zu helfen, die doch so deutlich davon erzählen, dass Jesus ihre ganze Hoffnung ist, dass sie natürlich richtige Christen sind. Und dann erleben wir es immer wieder, dass unter denen, denen wir geholfen haben, oft genug auch solche sind, die uns einfach nur benutzen wollten, deren Bekenntnis zu Jesus Christus sich schließlich doch nur als hohler Spruch erweist. Ja, das tut weh, solche Undankbarkeit zu erleben. Das tut weh zu erleben, wie schnell man wieder vergessen wird, wenn man nicht mehr für das Schreiben von Bescheinigungen, für die Begleitung bei Gerichtsverhandlungen gebraucht wird. Gewiss, bei uns sind es sicher mehr als bloß einer von zehn, die zu Jesus zurückkehren. Und doch: Wenn wir in unserer Arbeit hier in der Gemeinde tatsächlich Dank erwarten würden, dann hätten wir mit dieser Arbeit wohl doch schon längst aufhören müssen.

Doch Jesus macht deutlich, dass es bei ihm in Wirklichkeit ja um viel mehr geht. Es geht nicht ja bloß um das schlechte Benehmen der neun Geheilten damals und nicht weniger Menschen mit einer positiven Antwort in unserer Gemeinde heute. Es geht um nicht weniger als darum, ob Menschen gerettet werden oder nicht. Mit Gesundheit allein komme ich eben nicht in den Himmel, und mit einem deutschen Pass erst recht nicht. Wer Jesus nur dafür braucht, dass er ihm die eigenen Wünsche erfüllt, der hat noch nicht erkannt, wer Jesus ist. Und wer Jesus wieder vergisst, wenn er von ihm bekommen hat, was er wollte, der verpasst damit das Allerwichtigste in seinem Leben.

Jesus ist nicht in diese Welt gekommen, um euch einen Aufenthalt in Deutschland zu verschaffen. Jesus ist in diese Welt gekommen, um euch zu retten – von euren Sünden, vom Tod und vom Teufel. Jesus ist nicht euer Glücksbringer, sondern euer Herr, der euch das ewige Leben schenken will. Kehrt darum immer wieder zu ihm zurück, vergesst niemals, was er für euch getan hat und was er euch schenkt – ganz gleich, was für Antworten ihr vom Bundesamt erhaltet! Kommt immer wieder zu ihm, empfangt seine Vergebung, empfangt seinen Leib und sein Blut! Dann erst bekommt ihr die wirkliche Hilfe von Jesus. Ja, wie gut, dass ihr heute Abend hierher zu Jesus gekommen seid. Denn so sagt er es gleich auch zu euch, wenn ihr vor ihm niedergefallen seid im Heiligen Abendmahl: „Steh auf, geh hin – dein Glaube hat dich gerettet!“ Amen.

Zurück