Missionsfestpredigt über St. Johannes 1,15-18| Epiphanias | Pfr. Dr. Martens

Heute ist für unsere iranischen und afghanischen Brüder und Schwestern ein besonderer Tag: Heute feiern sie, dass Menschen aus ihrem Land, aus ihrer Gegend die ersten waren, die den Weg zu Christus, dem neugeborenen Kind, fanden. Ja, immer wieder stoßen wir in der Heiligen Schrift auf persische Menschen, so ist es mir in meiner Arbeit in den vergangenen Jahren immer deutlicher aufgegangen. Deutsche kommen vergleichsweise selten in der Bibel vor; doch nur gut drei Jahrzehnte nach der Ankunft der Weisen aus dem Morgenland sind es schon wieder Menschen aus dem Gebiet des heutigen Iran, die an erster Stelle stehen bei denen, die sich damals die Pfingstpredigt des Petrus anhörten und sich taufen ließen: Parther und Meder und Elamiter.

Einen langen Weg hatten damals die Weisen aus dem Morgenland auf sich genommen, um bis nach Jerusalem, ja um schließlich bis zu dem neugeborenen König zu kommen und ihn anzubeten. Lange Wege aus dem Iran und Afghanistan haben auch so viele Menschen hinter sich, die bis nach Berlin und an viele andere Orte in Europa gezogen sind – nur mit dem einen Ziel: das Kind in der Krippe, ihren König, in Freiheit anbeten zu können.

Wer ist dieses Kind, das damals die Menschen aus Persien genauso in Bewegung setzte wie heute? Genau darum geht es auch in der Predigtlesung des heutigen Festtags. Sie macht deutlich, warum die Menschen aus Persien damals und heute allen Grund dazu hatten, alles stehen und liegen zu lassen, nur um zu diesem Kind zu kommen:

Gleich drei Gründe benennt uns St. Johannes hier in dieser Lesung: Dieses Kind

  • ist mehr als ein Prophet
  • bringt mehr als Gesetze
  • ist nicht weniger als Gott selbst.

 

I.

In den gegenwärtigen Diskussionen um das Verhältnis von Christentum und Islam gibt es so manche etwas naiver gestrickte Mitwirkende, die erklären, im Islam sei Jesus doch auch hochgeschätzt als ein Prophet. Da reiche es doch, wenn man sich darauf einigt, dass beide Religionen Jesus sehr mögen und für sehr wichtig halten. Doch wer so argumentiert, hat in Wirklichkeit nichts davon verstanden, welche Rolle Isa im Koran und im Glauben des Islam tatsächlich hat: Ja, er ist wichtig. Aber er ist und bleibt immer nur ein Prophet, einer, der die Lehren des Islam schon zu seiner Zeit verbreitet hat und damit Vorläufer war des letzten Propheten, des Siegels der Propheten namens Mohammad. Es ist ein völlig anderer Jesus, dessen Bild Mohammad im Koran zeichnet, als der Jesus, von dem die Evangelien berichten. Natürlich wurde er nicht gekreuzigt – und vor allem war er nicht Gottes Sohn, war und ist er nicht unser Retter.

Auf diesem Hintergrund werden die Aussagen unserer heutigen Predigtlesung noch einmal ganz neu aktuell und spannend: Sie beginnt mit einem Zitat dessen, den wir als Christen als den letzten und größten Propheten bekennen, mit einem Zitat Johannes des Täufers. Der letzte und größte Prophet ist Johannes, weil nach ihm, so hatte es schon das Alte Testament angekündigt, nur noch Gott selber kommt. Nach Johannes ist für einen Propheten kein Platz mehr. Nun geht es nur noch um die Begegnung mit dem lebendigen Gott. Johannes formuliert es hier so: „Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich.“ Der Ursprung Jesu liegt nicht bloß in einem kleinen Dorf in Galiläa. Er liegt ganz im Anfang, vor aller Schöpfung: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ Darum ist Jesus vor Johannes gewesen: weil er, der ewige Gottessohn, immer schon eher war als alles Geschaffene. Was für ein undenkbarer Gedanke für jeden Muslim, ja auch für Mohammad selber. Der muss allerdings die Worte aus dem ersten Kapitel des Johannesevangeliums auch mal gehört haben, denn, ohne zu ahnen, was er da eigentlich schreibt, bezeichnet er selber Jesus an einer Stelle des Koran auch als „das Wort“. Und gerade vor kurzem habe ich das Video eines ehemaligen Muslim gesehen, der eben darum Christ geworden ist, weil es ihm keine Ruhe ließ, dass im Koran Jesus als „das Wort“ bezeichnet wird, bis er schließlich in der Bibel fündig wurde und die Antworten auf seine Fragen fand, die der Koran selber ihm nicht liefern konnte. Ja, darum hat es im Gespräch zwischen Christen und Muslimen immer wieder zu gehen: Wir können als Christen nicht darauf verzichten, von Jesus zu sprechen als dem, der eben nicht bloß einen irdischen Ursprung hat wie wir, sondern der als der Sohn Gottes tatsächlich ewig ist.


II.

Nun mag man als Unwissender einwenden: Was macht das denn nun für uns für einen Unterschied, ob Jesus nun ein Prophet oder der Sohn Gottes war? St. Johannes macht uns dies hier sehr eindrücklich deutlich. Er wechselt nämlich von dem Zeugnis Johannes des Täufers über in das Zeugnis, das er und die, die mit ihm an Jesus glauben, von Jesus ablegen: „Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade. Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“

Da wird in wenigen Worten nicht allein eine Differenz zwischen Altem und Neuem Testament angedeutet, sondern es wird der Kontrast zwischen Islam und christlichem Glauben so treffend beschrieben, dass darin gleichsam alles schon drinsteckt, was zu diesem Thema gesagt werden kann.

Was unsere Gemeindeglieder aus dem Iran und Afghanistan unter dem Islam erfahren haben, lässt sich mit diesem einen Begriff erfassen: Gesetz, Gesetz, Gesetz. Dies musst du machen, und jenes darfst du nicht machen, weil es haram ist. Und wenn du es doch machst, dann kommst du in die Hölle. Du musst wissen, mit welchem Fuß du zuerst die Toilette betrittst, damit du dabei keine Sünde begehst, und wenn eine Frau ein wenig von ihrem Haar in der Öffentlichkeit zu erkennen gibt, wird sie dafür in der Hölle an eben diesen Haaren aufgehängt und gequält. Und entsprechend geht es in der Verkündigung der Geistlichen im schiitischen Islam immer wieder darum, wie diese Gesetze des Koran denn nun ausgelegt und angewendet werden müssen.

Wie ganz anders ist der christliche Glaube von vornherein strukturiert: Es geht in ihm nicht zuerst und vor allem um Handlungsanweisungen, darum, was wir tun müssen. Es geht nicht bloß um eine Botschaft, die von einem Boten lediglich ausgerichtet wird. Sondern der christliche Glaube bezeugt, dass die Botschaft, die uns prägt und bestimmt, eine Person selber ist. Und diese Person ist kein Gesetzeslehrer, sondern die ist Gnade und Wahrheit - eben in Person. Das Gesetz ist durch Mose gegeben, sagt Johannes, wobei natürlich das Gesetz des Mose ein anderes ist als das Gesetz des Islam. Aber so oder so kann das Gesetz immer nur „gegeben“ werden, mehr nicht. Doch Jesus bringt nicht nur Gnade und Wahrheit, sondern Gnade und Wahrheit sind durch Jesus Christus „geworden“, so betont es St. Johannes hier. Gnade, die ungetrübte Gemeinschaft zwischen Gott und uns, sie lässt sich nicht ablösen von der Person Jesu; wir finden sie nur in Jesus. Und in Jesus finden wir eben nicht nur ein bisschen Gnade, nein, von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade. So sieht christlicher Glaube aus: Er lässt sich immer wieder neu überschütten von der liebenden Zuwendung Gottes, die in Jesus Christus Mensch geworden ist. Er badet gleichsam in der Wahrheit, in der Zuverlässigkeit der Zusagen Gottes an uns, die er nie mehr zurücknehmen wird, weil er sich in Jesus Christus endgültig zu unseren Gunsten festgelegt hat. Bei Jesus Christus gibt es Gottes liebende Zuwendung, gibt es die Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott nicht bloß in kleinen rationierten Portionen. Du bekommst sie ganz, bekommst 100% Gott, 100% Gottes Liebe und Vergebung, wenn du dich von seiner Fülle überschütten lässt in der Heiligen Taufe, in der Absolution, beim Empfang des Leibes und Blutes deines Mensch gewordenen Herrn. Darum ist es so entscheidend wichtig, dass Jesus nicht bloß ein Prophet ist. Ein Prophet kann nur etwas geben oder übermitteln. Aber seine Person tritt letztlich hinter seiner Botschaft zurück. Doch der Sohn Gottes ist als Person für uns wichtig, weil in seiner Person die Gnade zu finden ist, weil wir nur in der Gemeinschaft mit ihm als Person das ewige Leben haben.


III.

Und damit kommen wir nun schon zu der größten und schönsten Aussage, die St. Johannes hier macht: „Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat ihn uns verkündigt.“

Im Taufunterricht sage ich zu unseren Taufbewerbern: Wenn ich erzählen sollte, wie der Alltag von Menschen in Teheran oder Kabul aussieht, dann könnte ich nur raten. Ich bin da noch nie gewesen. Vielleicht wären manche meiner Vermutungen auch richtig; aber das meiste wäre wohl falsch. Doch es gibt sehr viele unter euch, die können mir genau sagen, wie der Alltag von Menschen in Teheran und Kabul aussieht, denn ihr habt selber dort gelebt. So ist das auch mit Gott: Wir können über Gott alle möglichen Vermutungen anstellen, wer er wohl ist, was er wohl denkt, wie er wohl zu uns steht. Aber ob diese Vermutungen stimmen, wissen wir nicht. Wir haben ihn nie gesehen. Doch Jesus Christus, der kommt von Gott, so betont es St. Johannes hier, der kennt Gott nicht bloß vom Hörensagen, der hat nicht bloß mal einen kurzen Blick auf ihn geworfen. Sondern der ist mit Gott so eng verbunden wie ein Kind, das sich im Schoß seines Vaters eingekuschelt hat. Der weiß genau, wovon er redet, wenn er von Gott spricht. Ach, selbst dieses Bild wird von Johannes dann noch einmal überboten: Er sagt ausdrücklich: „Der Eingeborene, der Gott ist.“ Hört ihr’s? Hier steht es ganz direkt: Jesus Christus ist Gott.

Vielleicht erinnern sich einige von euch noch an den Roman von Dan Brown, „Das Sakrileg“. In diesem Roman wurde behauptet, dass die römisch-katholische Kirche versuchen würde, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu verschleiern, dass Jesus eigentlich nur ein ganz normaler Mensch gewesen sei und dass er erst im 4. Jahrhundert von Kaiser Konstantin per Dekret zum Sohn Gottes erklärt worden sei. Und es gab und gibt nicht wenige religiös halbgebildete Leute, die diesen Roman allen Ernstes für ein Fachbuch gehalten haben und diesen Schund geglaubt haben. Ja, es gibt auch ganz ähnliche Argumentationen in islamischen Missionsschriften, mit denen man Menschen, die einen christlichen Hintergrund haben und in Wirklichkeit doch auch von ihrem eigenen Glauben kaum eine Ahnung haben, für den Islam gewinnen möchte: Dass Jesus Gottes Sohn ist, ist doch eine spätere Erfindung der Kirche. Doch schaut hierher: Hier steht es schon im Neuen Testament ganz klar, Hunderte von Jahren vor Konstantin: Jesus ist Gott. Und das ist wichtig für uns. Denn wenn Jesus Gott ist, dann können wir wissen, wer Gott wirklich ist, was er will, ja, wie es  damit auch um unsere Zukunft bestellt ist. Wenn du wissen willst, wer Gott wirklich ist, dann blicke auf das Kreuz, auf den gekreuzigten Christus. So sieht der Gott aus, an den wir glauben: ein Gott, der sich aus Liebe zu uns selber in den Tod gibt. Nein, wir bekommen durch Jesus nicht bloß Informationen aus erster Hand über Gott. Jesus selber ist Gottes entscheidende Information, seine entscheidende Botschaft, sein Wort, ja, mehr noch: Er ist selber die Fülle der Gottheit in Person.

Um diesem Gott zu begegnen, lohnt es sich nicht bloß, jeden Sonntag rechtzeitig aus dem Bett zu steigen, um ihn zu hören, um ihn leibhaftig zu empfangen im Heiligen Mahl. Um diesem Gott zu begegnen, lohnt es sich, tausende Kilometer zu Fuß zu gehen, lohnt es sich, alles aufzugeben: die Familie, den Beruf, den Besitz, die Gesundheit. So bezeugen es unsere Schwestern und Brüder aus dem Iran und Afghanistan.

Allahu akbar – so beginnt der Gebetsruf des Islam: Gott ist überaus groß. Aber eben darum bleibt er für die, die ihn bekennen, immer wieder auch so fern. Als Christen bekennen wir: Gott ist klein, passt in eine Krippe, passt in ein Stück Brot und einen Schluck Wein, lebt in uns, in unserem kranken, kaputten Körper. Nein, vieles, was du in deinem Leben erfährst, kannst du hier und jetzt noch nicht verstehen. Aber wenn du Jesus hast, wenn du mit ihm verbunden bist, dann weißt du das Entscheidende über Gott, weißt du, wer er in Wirklichkeit ist: einer, der dich immer nur beschenken will, der dir das Leben schenken will, Gnade um Gnade in Fülle. Dafür hat er sich ans Kreuz nageln lassen – jawohl, er, dein Gott. Amen.

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