St. Jakobus 2,1-5 | Mittwoch nach dem 13. Sonntag nach Trinitatis | Pfr. Dr. Martens

Breitbeinig stehen sie vor vielen Diskotheken in unserer Stadt: Türsteher, die genau kontrollieren, wer in die Disko, wer in den Club hineingehen darf und wer nicht. Die Maßstäbe sind dabei klar: In vielen Clubs herrscht eine gewisse Kleiderordnung; wer sich daran nicht hält, hat keine Chance. In anderen wird darauf geachtet, dass die Leute, die reinwollen, auch zu dem Publikum passen, das sich drinnen aufhält – und es kann dann sogar sein, dass ein bestimmtes Aussehen, eine bestimmte scheinbare oder tatsächliche Abstammung ein Grund dafür ist, dass Leute, die in die Disko, die in den Club wollen, abgewiesen werden. Es soll drinnen schließlich auch alles harmonisch zugehen!

Sollten wir hier vor unserer Kirche auch Türsteher aufstellen, die kontrollieren, wer hier hineinkommt und wer nicht? Der Gedanke klingt ja irgendwo ganz faszinierend: Das wäre doch schön, wenn wir hier in unserer Kirche endlich wieder in einem überschaubaren Kreis zusammenkommen könnten, in dem einer den anderen kennt, in einem überschaubaren Kreis von Leuten, die einander gut verstehen, die einfach zueinander passen. Ja, wie viele sollten wir denn am Sonntag oder auch an Wochentagen hier in die Kirche lassen? Oder fangen wir erst einmal damit an: Wen sollten wir denn zu uns hineinlassen? Leute, die uns eine gute Kollekte, gute Spenden versprechen, die sollten wir natürlich zuerst nehmen. Auf die sind wir besonders angewiesen, weil die uns ja unser ganzes Gemeindeleben hier finanzieren. Wenn wir die nicht hätten, wären wir längst pleite. Und dann nehmen wir die, die sich hier in der Kirche gut zu benehmen wissen, die schon länger mit dabei sind. Die bereiten uns keine Probleme, die kennen wir. Und dann, so würden sicher einige vorschlagen, nehmen wir erst mal Iraner – die haben doch ein besseres Niveau als die Afghanen, die passen besser hier bei uns hinein! Ja, wir merken schon, wie wir in unserem Kopf nur allzu leicht anfangen, selber einmal Türsteher spielen zu wollen.

Wen lassen wir bei uns rein, wen lassen wir bei uns sitzen? Das war eine Frage, mit der sich offenkundig auch schon die Christen in den ersten christlichen Gemeinden befassten. Und die praktischen Antworten, die sie gaben, die standen in einer ähnlichen Spannung zu dem, was eigentlich in ihren Gemeinden los war, wie wir das heute bei uns auch kennen: Ja, auch die ersten christlichen Gemeinden bestanden hauptsächlich aus armen Menschen, aus Leuten, die kaum eine Möglichkeit dazu hatten, ihre eigene Gemeinde finanziell zu unterstützen – und dann gab es daneben ein paar reichere Leute, die die Gemeinde wesentlich trugen. Und obwohl, ja vielleicht auch gerade weil dies so war, bestand auch damals schon die Gefahr, dass man in den Gemeinden eher diejenigen willkommen hieß, von denen man sich Vorteile für die Gemeinde erhoffte: Ansehen und eben auch das nötige Kleingeld in der Kollekte. Ja, damit nicht genug: Auch und gerade die, die nicht so viel vorzuweisen hatten, standen in der Gefahr, nun noch weiter nach unten zu treten, Leute, die scheinbar noch unter ihrem Niveau waren, spüren zu lassen, dass sie in dieser Gemeinde bestenfalls geduldet waren.

Und genau auf diese Situation geht nun St. Jakobus in seinem Brief ein, macht den Christen, an die er schreibt, deutlich, warum eine christliche Gemeinde eben etwas ganz anderes ist als ein Club, warum in ihr ganz andere Maßstäbe gelten. Auf zweierlei verweist St. Jakobus hier:

Zum einen verweist er hier auf den Glauben an Jesus Christus, unsern Herrn der Herrlichkeit. Ja, das ist es, was uns miteinander in der Gemeinde verbindet: nicht dieselbe Herkunft, nicht dieselbe Sprache, nicht dieselbe soziale Stellung. Es ist allein der Glaube an Jesus Christus, unseren Herrn und Retter, der uns miteinander verbindet und alle Unterschiede zwischen uns in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt – eben im Licht der Herrlichkeit unseres Herrn. Was auch in unserer Gemeinde strahlt, ist nicht der Erfolg und die gesellschaftliche Stellung der Glieder unserer Gemeinde, was in unserer Gemeinde strahlt, ist auch nicht die Freude über gelungene Lebensläufe, über erfolgreich bewältigte Lebensplanungen. Sondern was in unserer Gemeinde strahlt, ist allein das Licht unseres Herrn Jesus Christus, in dem die Menschen noch einmal ganz anders dastehen, als wir sie normalerweise wahrnehmen: Im Licht der Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus verblassen alle Unterschiede, die uns sonst oft so wichtig erscheinen, im Licht der Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus verblassen auch all die Sorgen, als ob wir es sind, die den Fortbestand unserer Kirche sichern müssten. Der Glaube an Jesus Christus schließt die unterschiedslos zusammen, die schon dazu gehören, und der Glaube an Jesus Christus erfüllt uns, die wir schon mit dabei sind, auch mit dem Wunsch und der Sehnsucht, dass auch andere das helle Licht der Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus entdecken mögen. Die Frage ist eben nicht die, wer zu uns passt, sondern die Frage ist die, wie wir uns in unserer Gemeinde so verhalten können, dass wir anderen nicht den Blick auf Jesus Christus, unseren Herrn der Herrlichkeit, verdecken. Ja, darum haben wir keine Türsteher, weil es eben niemanden gibt, der dieses Licht der Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus nicht gebrauchen könnte, weil wir uns nur freuen können über jeden, den dieses Licht anzieht – selbst wenn er am Anfang vielleicht noch gar nicht genau aussprechen kann, was es da eigentlich ist, was ihn dazu so anzieht. Hauptsache, die Menschen sind erst einmal da, wo Christus ist, wo er uns in seinem Wort sein Licht aufgehen lässt! Und wenn es in unserer Gemeinde mitunter auch nur Stehplätze gibt, dann hängt das hoffentlich immer nur damit zusammen, wer pünktlich und wer zu spät kommt – und mit nichts anderem!

Und dann nennt St. Jakobus noch ein zweites, noch wichtigeres Argument: Er verweist darauf, dass die Menschen, die zur Gemeinde Jesu Christi gehören, von Gott erwählt sind. Grund dafür, dass wir hier in der Kirche sitzen, ist also nicht, dass uns irgendwelche Leute hier hereingelassen haben. Grund dafür, dass wir hier in der Kirche sitzen, ist auch nicht unsere eigene Entscheidung. Sondern wir sitzen hier, weil Gott selber es so will, weil er uns gerufen hat, weil er uns angelockt hat mit dem Licht seines Sohnes. Wie sollten wir irgendwelche Türsteher vor die Tür stellen, wenn Gott doch schon längst entschieden hat, dass Menschen den Weg zu seinem Sohn Jesus Christus finden sollen? Wie sollten wir uns dem in den Weg stellen, selbst wenn wir der Meinung sein sollten, dass Gott es mit der Menge derer, die er zu sich eingeladen hat, vielleicht doch ein wenig übertreibt? Gott sieht das offenbar anders.

Und dann verrät uns St. Jakobus hier auch noch, dass Gott bei seiner Erwählung doch ein gewisses Faible hat: Gott erwählt die Armen in der Welt, die im Glauben reich sind. Ja, eine Gemeinde, die wesentlich aus armen Menschen besteht wie die unsrige, ist eigentlich nichts Exotisches, sondern in Gottes Augen der Normalfall. Dass Geld und Besitz sehr leicht zu einem Hindernis zum Eingang in das Reich Gottes werden können, hat auch Jesus selber immer wieder betont. Menschen, die in diesem Leben scheinbar genug haben, brauchen Jesus nicht, können sich nicht vorstellen, wie arm sie in Wirklichkeit sind, wo sie doch alles zu haben scheinen, was ein erfülltes Leben ausmacht. Doch wer nicht im Glauben reich ist, ist und bleibt bettelarm, wer sich nicht von Christus beschenken lässt, dem nützt auch alles andere nicht, was er in dieser Welt besitzt oder erlebt. Ja, Menschen, die in dieser Welt arm sind, sehen oft klarer, was sie wirklich reich macht, haben nicht so viel in der Hand, was sie erst loslassen müssen, um sich ihre Hände von Christus füllen zu lassen.

Nein, wir brauchen wahrlich keine Türsteher vor der Kirche; bei uns gibt es keine Gesichtskontrolle, keine Kleiderkontrolle, kein Ansehen der Person. Aber wundern sollen wir uns nicht darüber, was für eine scheinbar merkwürdige Zusammensetzung von Menschen sich hier in der Kirche einfindet – ganz anders, als wir es von uns aus jemals zusammengestellt und geplant hätten. Doch es liegt eben nicht an uns – es liegt an Gott allein, an dem Gott, der gerade die Armen erwählt, um sie ganz reich zu machen. Mensch, was sind wir für eine reiche Gemeinde! Amen.

Zurück