St. Johannes 16,5-15 | Heiliges Pfingstfest | Pfr. Dr. Martens

Zu den Fragen, die unseren Asylbewerbern bei ihren Anhörungen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge regelmäßig gestellt werden, gehört immer wieder die Frage nach den christlichen Feiertagen. Und mit denen ist es ja so eine Sache – nicht nur bei Iranern und Afghanen, sondern genauso bei den Deutschen: Ja, Weihnachten ist noch halbwegs bekannt – der Geburtstag von Jesus, damit kann man etwas anfangen. Ostern ist schon etwas schwieriger, das mit der Auferstehung kommt ja in unserem Leben nicht ganz so häufig vor wie eine Geburtstagsfeier. Aber was ist denn nun das dritte große Fest? Ach ja: Pentekost, so heißt es auf Farsi, und kaum ein Dolmetscher im Bundesamt ist dazu in der Lage, dieses Wort ins Deutsche zu übersetzen: Pfingsten – was für ein exotisches Wort! Pfingsten – das ist doch für die Mehrzahl der Deutschen das lange Wochenende, bei dem man Ausflüge in die Umgebung oder zur Verwandtschaft unternehmen kann, ein Frühlingsfest oder so etwas Ähnliches. Aber warum ist das ein christlicher Feiertag? Die meisten unserer Gemeindeglieder wissen es dann doch ganz gut: Es ist der Tag, an dem die Jünger den Heiligen Geist empfangen haben, an dem sich 3000 Menschen haben taufen lassen, von denen die ersten aus dem Gebiet des heutigen Iran stammten. Ja, das weiß man, das hat man gelernt – aber mal ganz ehrlich: Warum feiern wir das denn nun so groß; was hat denn dieses Fest nun wirklich mit uns, mit unserem Leben zu tun? Oder noch direkter: Was hat denn der Heilige Geist mit unserem Leben zu tun; warum feiern wir den, warum ist der für uns denn so wichtig?

In der Predigtlesung des heutigen Festtags gibt uns unser Herr Jesus Christus wunderbare Antworten auf diese Frage, warum der Heilige Geist für uns, für unser Leben so wichtig ist. Doch Hand aufs Herz: Haben wir das wirklich begriffen, was uns Jesus da gerade über den Heiligen Geist gesagt hat? Oder ging es euch vielleicht auch so, dass ihr da viele große und gewichtige Begriffe vernommen habt, aber nicht erkennen konntet, was das denn nun mit euch, mit eurem Leben zu tun haben sollte?

Es lohnt sich, den Zusammenhang zu beachten, in dem die Worte unserer heutigen Predigtlesung stehen. Sie sind die unmittelbare Fortsetzung des Heiligen Evangeliums des vergangenen Sonntags Exaudi. Da hatte Jesus seinen Jüngern angekündigt: „Es kommt aber die Zeit, dass, wer euch tötet, meinen wird, er tue Gott einen Dienst damit. Und das werden sie darum tun, weil sie weder meinen Vater noch mich erkennen.“ An bedrohte Christen wendet sich Christus in den Worten unserer heutigen Predigtlesung, an Menschen, die erfahren müssen, dass sie um ihres Glaubens willen getötet werden sollen, und das von Menschen, die glauben, sie seien auch noch von Gott damit beauftragt, solche Tötungen durchzuführen. Ach, wie viele Glieder unserer Gemeinde kennen diese Situation nur allzu gut! Wie viele von euch haben es schon erlebt, dass sie wegen ihrer Konversion zum christlichen Glauben in ihrem Heim oder auch auf der Straße mit dem Tode bedroht, angegriffen, verletzt worden sind! Wie viele von euch mussten eben deshalb aus ihrer Heimat fliehen, weil sie schon dort erlebten, was sie nun hier in unserem Land auch wieder erfahren müssen: Bedrohung mit dem Tod um des christlichen Glaubens willen!

Und wenn man da so allein dasteht, als einzelner Christ, als Gemeinde, bedroht, angegriffen, angefeindet, da kommt man sich sehr schnell sehr allein und verlassen vor, da weiß man, was Jesus mit der Trauer meint, die das Herz seiner Jünger erfüllt: Warum sehen wir Jesus jetzt nicht, warum tut er scheinbar nichts, warum lässt er uns hier hängen? Ja, mit der Auferstehung und Himmelfahrt Jesu Christi hat sich in der Tat etwas verändert. Aber dass Jesus jetzt nicht mehr so zu sehen ist wie vor Ostern, bedeutet eben gerade nicht, dass er seine Jünger, dass er uns jetzt im Stich lassen würde, dass wir jetzt in einer schlechteren Lage wären als die Jünger damals vor Ostern, im Gegenteil: Jesus behält das Heft des Handelns in seiner Hand. Sein Weggang ist sein Gang zum Vater, ist sein Herrschaftsantritt über die ganze Welt. Und Jesus hat seine ganz besondere Weise, in dieser Welt zu regieren, ja besonders für die da zu sein, die zu ihm gehören: Er schickt ihnen, er schickt uns seinen Heiligen Geist. Und da, wo der Heilige Geist ist, da sind wir nicht allein und gottverlassen. Da, wo er zu uns kommt, sind wir mit Christus verbunden, da trägt er uns auch in all unserer Traurigkeit, da schenkt er uns den Mut und die Kraft, bei ihm zu bleiben und uns zu ihm zu bekennen, auch und gerade da, wo wir bedrängt werden.

Gewiss, das Kommen und Wirken des Heiligen Geistes bedeutet gerade nicht, dass Christen nicht mehr angefeindet werden, dass sich mit einem Mal alle Menschen Christus zuwenden und an ihn glauben. Äußerlich betrachtet sieht es so aus, dass die, die zu Christus gehören, auf verlorenem Posten sind, dass diejenigen sich als stärker erweisen, die von ihm, Christus, nichts wissen wollen oder gar die, die zu ihm gehören, bekämpfen. Noch nie wurden weltweit so viele Christen verfolgt wie gerade jetzt in dieser Zeit, in diesem Jahr. Doch die, die glauben, sie könnten es schaffen, die Christen zum Schweigen zu bringen, die Kirche zu vernichten, täuschen sich gewaltig, so macht es Christus hier deutlich: Sie rechnen nicht mit dem Heiligen Geist, der stärker ist als alle menschliche Gewalt. Sie rechnen nicht mit dem Heiligen Geist, der den Christen zur Seite steht. Ja, sie nehmen überhaupt nicht wahr, dass sie sich mit dem, was sie tun, selber Gottes Gericht auf den Hals laden. Denn in Gottes letztem Gericht wird es letztlich nur um eine einzige Frage gehen: ob ein Mensch an Jesus Christus geglaubt hat, ob er zu ihm gehört hat. Ja, so macht es Christus hier deutlich: Das ist die Sünde schlechthin – nicht an ihn, Christus, zu glauben. Sünde besteht nicht darin, dass wir das Falsche essen oder trinken, dass wir Gebetszeiten nicht einhalten oder tagsüber im Ramadan ein Eis essen. Sünde besteht in ihrem Wesen nicht darin, dass wir uns irgendwie unmoralisch verhalten. Sondern die Sünde schlechthin ist es, Christus nicht als Herrn und Retter zu bekennen. Wer sich von Christus abwendet, wer ihn und die zu ihm gehören, bekämpft, der beraubt sich damit der einzigen Rettung in Gottes letztem Gericht.

Und eben darum ist er, der Heilige Geist, für uns so wichtig, eben darum haben wir es so gut, dass Christus uns seinen Heiligen Geist gesandt hat: Denn eben dieser Heilige Geist, der Geist der Wahrheit, führt uns zum Glauben an Jesus Christus, schenkt uns diesen Glauben, hält uns in eben diesem Glauben an Jesus Christus fest, durch den allein wir schließlich einmal gerettet werden.

Wie macht er das? Christus kündigt hier Großes an: Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten. O, wie sind diese Worte Jesu im Laufe der Geschichte immer wieder falsch verstanden und missbraucht worden. Im Islam hat man sich auf sie berufen, als ob Jesus in ihnen Mohammad als den künftigen Tröster angekündigt habe. Und in der Kirche sind diese Worte dazu missbraucht worden, um die Behauptung zu rechtfertigen, dass die Kirche letztlich nicht irren könne, da sie doch vom Geist in alle Wahrheit geführt werde.

Doch Christus nennt hier einen ganz klaren Maßstab, an dem man erkennen kann, wie der Heilige Geist die, die zu ihm gehören, in alle Wahrheit führt: „Er wird mich verherrlichen; er wird’s von dem Meinen nehmen und euch verkündigen.“ Der Heilige Geist hat keine andere Aufgabe, als Christus groß werden zu lassen, als Menschen immer wieder zu Jesus Christus allein zu führen, dass sie ihn immer besser erkennen können. Darum kann Mohammad nicht der verheißene Tröster sein, weil er eben gerade nicht Christus verherrlicht, sondern im Gegenteil seinen Anspruch, seine Worte in Frage stellt. Und darum kann sich eine Kirche nur dann auf die Leitung des Heiligen Geistes berufen, wenn sie bei Jesus Christus bleibt, bei seinem Wort. Was der Heilige Geist zu wirken vermag, wie er in alle Wahrheit zu leiten vermag, das zeigt uns das Johannesevangelium. Es ist unter eben dieser Verheißung verfasst worden, dass der Heilige Geist seine Jünger in alle Wahrheit leiten wird. Das Johannesevangelium ist ein Buch voll des Heiligen Geistes, wie die ganze Heilige Schrift, wie in ganz besonderer Weise die Evangelien.

Ja, der Geist der Wahrheit, er kommt zu uns, ganz klar. Aber er kommt eben nicht an dem Wort der Heiligen Schrift vorbei, in dem Christus verherrlicht wird. Wo Menschen behaupten, der Heilige Geist habe ihnen etwas gesagt, da sollen wir stets sehr genau prüfen, ob diese angeblichen Worte des Heiligen Geistes mit der Heiligen Schrift übereinstimmen oder nicht. Der Heilige Geist widerspricht sich nicht. Wenn er im Neuen Testament zu erkennen gibt, dass er gerade unserer Schwachheit aufhilft, dass er gerade da am Werke ist, wo wir selber mit unseren Kräften und Möglichkeiten an unsere Grenzen stoßen, dann sollen wir mehr als vorsichtig sein, wenn das Wirken des Heiligen Geistes auch in manchen kirchlichen Kreisen an Glücksgefühlen oder Erfolgserfahrungen festgemacht wird.

Nein, der Heilige Geist führt dich allein zu Christus, führt dich allein zu seinem Kreuz, dort, wo er Christus erhöht und verherrlicht worden ist. Er lässt dich erkennen, dass auch dein Weg kein anderer ist als der hinter Christus her, in seiner Gemeinschaft, ein Weg des Kreuzes, ein Weg, auf dem dir Anfeindungen und Bedrohungen nicht erspart bleiben, ein Weg, der dich schließlich durch den Tod ins Leben der Auferstehung führt.

Ja, genau das feiern wir heute zu Pfingsten: Wir feiern nicht, dass der Heilige Geist Christus abgelöst hat, dass er nun im Zentrum unseres christlichen Glaubens steht. Der Heilige Geist hat selber von sich aus gar nichts zu sagen, betont Christus. Er wird nicht aus sich selber reden. Aber dass der Heilige Geist Christus groß macht, dass er Menschen zu Christus führt und ihnen den Glauben schenkt, das feiern wir allemal, das ist so wichtig, dass es sich allemal lohnt, das gleich an zwei Tagen zu feiern.

Ja, wir feiern Pfingsten dann richtig, wenn wir auf Gottes Wort der Heiligen Schrift hören, das vom Geist Gottes gewirkt wurde, wenn wir durch dieses Wort den Heiligen Geist empfangen, wenn wir durch dieses Wort dazu geführt werden, Jesus Christus als unseren Herrn und Retter zu bekennen. Ja, wie schön, wenn das dann auch noch in verschiedenen Sprachen geschieht, wie bei uns hier in unseren Gottesdiensten! Wie schön, wenn wir erkennen, dass das nicht selbstverständlich ist, nicht das Ergebnis unserer Bemühungen! Nein, das macht er, der Heilige Geist allein. Und eben darum brauchen wir als Christen nicht traurig zu sein, selbst da, wo wir bedrängt werden. Er kommt doch zu uns, der Tröster, und lenkt unseren Blick in die richtige Richtung: auf Christus allein! Amen.

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