St. Johannes 20, 24-29 | Quasimodogeniti | Pfr. Dr. Martens

Wieso feiert ihr denn bei euch Erstkommunion? Das ist doch katholisch! Vielleicht haben einige von euch solch einen Einwand auch schon einmal gehört. Natürlich ist das Unsinn, natürlich feiern wir auch in unserer lutherischen Kirche in vielen Gemeinden die Erstkommunion; aber ein wenig Wahrheit ist doch dran an dieser Anfrage: Es macht natürlich nur Sinn, eine Erstkommunion zu feiern, wenn die Kommunion, wenn der Empfang des Heiligen Altarsakraments etwas ganz Besonderes, ja, etwas ganz besonders Wichtiges ist, wofür sich tatsächlich eine besondere Feier lohnt. Und da stehen sich dann die römisch-katholische Kirche und die lutherische Kirche an diesem Punkt tatsächlich sehr nahe: Den Leib und das Blut Christi empfangen zu dürfen, das ist etwas so Großartiges, etwas so Wunderbares, dass das tatsächlich auch besonders gefeiert werden muss, wenn ein Mensch daran zum ersten Mal teilhat. Und eben darum gibt es eben in unseren beiden Kirchen auch eine besondere Hinführung zum Heiligen Altarsakrament; denn wenn wir hier mehr empfangen als einfach bloß ein Stück Brot und einen Schluck Wein, wenn hier der lebendige Gott und Herr zu uns kommt, dann kann und darf man das nicht einfach mal so nebenbei, unvorbereitet, wie ich mir habe, tun. Und so habt ihr als lutherische Konfirmanden eben besonderes Glück: Ihr habt in eurem Konfirmandenunterricht nicht nur ein großes Fest, sondern gleich zwei. Ja, gründlich seid ihr darauf in der letzten Zeit vorbereitet worden – und nun wollen wir uns, direkt vor eurem ersten Empfang des Heiligen Abendmahls noch einmal die Geschichte von Thomas anschauen, die euch in besonderer Weise helfen kann zu verstehen, was ihr gleich erfahren werdet, was gleich mit euch geschehen wird:

Es ist noch nicht lange her, da haben einige von euch gedacht und auch gesagt: Das ist ja merkwürdig: Wieso sollen wir denn im christlichen Glauben so ein komisches Stück Brot essen und ausgerechnet Wein trinken? Was soll das denn bloß? Doch mittlerweile habt ihr es gehört und, Gott geb’s, begriffen, dass es um unendlich mehr geht als bloß um diese Elemente von Brot und Wein an sich. Es geht, natürlich, um Jesus selbst, um die Begegnung mit ihm. Genau von dieser Begegnung mit Jesus, dem auferstandenen Herrn, handelt ja auch das Heilige Evangelium, das wir eben gehört haben. Ja, das ist das Erste, was ihr wissen sollt: Ihr bekommt im Heiligen Abendmahl nicht bloß „etwas“, ihr begegnet hier ihm, eurem Herrn, der in den Gestalten von Brot und Wein mit seinem Leib und Blut zu euch kommt. Und eben darum haben wir vor den Gaben des Heiligen Mahles solch einen großen Respekt, darum knien wir nieder und beten an, darum albern wir beim Heiligen Mahl nicht herum und unterhalten uns auch nicht, weil wir wissen: Wir begegnen hier Jesus Christus, der will jetzt zu uns kommen und in uns leben.

Ja, das ist wichtig, dass wir uns das immer wieder klarmachen, denn von uns aus würden wir darauf natürlich nicht im Traum kommen. Es geht uns da nicht anders als den Jüngern Jesu damals auch: Die hatten damals ihre Türen verrammelt, damit ja keiner hereinkam. Die rechneten mit allem Möglichen, damit, dass sie verhaftet und getötet werden können, aber ganz sicher nicht damit, dass der auferstandene Jesus selber mit einem Mal mitten bei ihnen im Raum stehen könnte. Doch er tut’s, lässt sich auch durch verschlossene Türen nicht davon abhalten, zu ihnen, den Jüngern zu kommen.

Unser Denken gleicht oftmals auch den verschlossenen Türen der Jünger damals: Für unser Denken scheint es doch völlig ausgeschlossen zu sein, dass ein Mensch, der vor 2000 Jahren gelebt hat, hier und heute in unserer Mitte gegenwärtig ist. Für unser Denken scheint es erst recht völlig ausgeschlossen zu sein, dass jemand an verschiedenen Orten gleichzeitig gegenwärtig sein kann, dass jeder einzelne von euch Konfirmanden den ganzen Christus mit seinem Leib und Blut empfängt und er zugleich in einem jeden von euch leben kann. Doch Christus sprengt die verbarrikadierten Türen unseres Denkens, er hält sich nicht an das, was wir für möglich halten. Seit seiner Auferstehung ist er nicht mehr an Zeit und Raum gebunden. Für ihn ist es kein Problem, heute genauso lebendig und präsent zu sein wie damals an jenem Sonntagmorgen in Jerusalem. Für ihn ist es keine Schwierigkeit, sich zur gleichen Zeit in Kabul, in Teheran und in Berlin aufzuhalten. Ihn halten nicht Mauern und Türen ab, um gegenwärtig sein zu können; was uns hindert, hindert ihn überhaupt nicht. Ja, das Heilige Abendmahl ist ein österliches Freudenmahl, wir feiern darin, dass Christus die Grenzen des Todes gesprengt hat und jetzt schon an einer Wirklichkeit teilhat, die einmal auch für uns sichtbar und erfahrbar sein wird. Wäre Jesus nicht auferstanden, würden wir uns hier nur versammeln, weil wir das, was Jesus gesagt hat, heute immer noch ganz gut finden, dann könnten wir natürlich das Heilige Abendmahl sofort abblasen, dann würde da nichts passieren, was uns dazu veranlassen könnte, es Sonntag für Sonntag zu feiern. Aber weil er lebt, weil er selber kommt, darum gibt es in der Tat nichts Schöneres, nichts Wichtigeres, als selber auch da zu sein, wo er, Jesus, ist, wo er sein Kommen zugesagt hat.

Schwestern und Brüder, liebe Konfirmanden, das Kommen unseres Herrn im Heiligen Mahl bleibt natürlich ein Geheimnis. Es ist nicht so, dass das uns Menschen sofort einleuchtet. Und das gilt auch nicht erst für uns Menschen im 21. Jahrhundert; das ging dem Thomas damals schon genauso. Als der hörte, dass Jesus auferstanden sei und seinen Jüngern mitten in einem verschlossenen Raum begegnet sei, da sagte er es ganz klar: Das kann ich nicht glauben! Da müsste ich schon ihn, Jesus, selber berühren können, bevor ich so etwas Unglaubliches auch für mich selber annehmen könnte.

Und Jesus – der nimmt den Zweifler Thomas ernst: Der staucht ihn nicht zusammen, weil der nicht fest genug glaubt, sondern führt ihn ganz behutsam zum Glauben, indem er ihm tatsächlich erlaubt, ihn zu berühren, leibhaftig zu erfahren, dass es tatsächlich real ist, dass er tatsächlich den Tod besiegt hat und leibhaftig auferstanden ist. Ach, wie gut, dass Jesus Christus sein Kommen nicht von der Glaubensstärke des Thomas abhängig machte, dass er zu ihm kam, obwohl sein Glaube doch so schwach und so wackelig war! Wie gut, dass es Christus heute im Heiligen Abendmahl bei euch nicht anders macht: Ja, er weiß, ihr könnt euch das alles im Augenblick oft noch so wenig vorstellen, ihr habt gewiss auch eure Fragen und Zweifel. Doch, Gott sei Dank, macht er davon sein Kommen nicht abhängig! Brot und Wein werden nicht dadurch Leib und Blut Christi, dass ihr es glaubt oder dass ihr es euch vorstellen könnt. Sondern sie werden dadurch Leib und Blut Christi, dass Christus selber es so will, dass er seine Worte über dem Brot und Wein laut werden lässt und durch diese Worte bewirkt, was sie selber sagen. Immer wieder dürft ihr in Zukunft zum Heiligen Abendmahl kommen und beten: „Herr Jesus Christus, du siehst, wie schwach und wackelig mein Glaube ist, du siehst, wie viele Fragen und Zweifel ich habe! Doch du willst trotzdem zu mir kommen, ja, du willst gerade deshalb zu mir kommen. Hab Dank dafür – gerade darum will ich gerne zu dir kommen!“

Der Thomas durfte den auferstandenen Christus damals allen Ernstes berühren. Und ihr dürft das heute auch im Heiligen Abendmahl. Gewiss – sehen könnt ihr Christus nicht mehr so wie der Thomas damals. Aber ihr kommt heute im Heiligen Abendmahl nicht weniger dicht an Christus heran als der Thomas damals auch. Ja, gerade so will Christus auch euren Glauben stärken, wie er damals den Glauben des Thomas gestärkt hat. Denn genau dazu hat Christus ja das Heilige Abendmahl eingesetzt, dass er euren Glauben stärken will, dass er euch helfen will, auch weiter bei ihm zu bleiben. Und darum lebt er durch das Heilige Abendmahl ja in euch, darum schenkt er euch hier im Heiligen Abendmahl ein Leben, das nie mehr aufhört, eben dadurch, dass ihr mit ihm, Christus, verbunden werdet und verbunden bleibt. Ja, Kommunion nennt man das, leibhaftige Gemeinschaft mit Christus, die euch hilft, auf dem Weg zum ewigen Leben zu bleiben.

Der Thomas hat damals an diesem Sonntag nach Ostern eins ganz klar und deutlich gelernt: Wie blöd er am Sonntag davor gewesen war, nicht dort zu sein, wo die Jünger Jesu sich versammeln. Ich denke, den Fehler hat er nicht noch mal gemacht, sonntags nicht dorthin zu kommen, wo Jesus zu denen kommt, die zu ihm gehören. Ich hoffe, ihr könnt auch da von Thomas lernen: Wenn ihr allen Ernstes glaubt, es gäbe etwas Schöneres und Wichtigeres am Sonntagmorgen, als mit dabei zu sein, wenn Jesus Christus im Heiligen Mahl zu euch kommt, dann habt ihr noch gar nicht begriffen, worum es im Heiligen Mahl geht. Wer das erst einmal erfasst hat, was es bedeutet, Jesus zu empfangen, seinen Leib und sein Blut, für den ändert sich tatsächlich eine ganze Menge im Leben. Der wird es dann auch wie Thomas machen und immer wieder fröhlich vor Christus auf die Knie sinken und ihn anbeten: „Mein Herr und mein Gott.“

Liebe Konfirmanden, wir feiern heute eure Erstkommunion, weil wir möchten, dass ihr euch schon während des Konfirmandenunterrichts in einem guten Sinne daran gewöhnt, Christus im Heiligen Abendmahl zu begegnen. Ja, wir möchten, dass das für euch in einem guten Sinne wirklich schon ganz normal wird bis zu eurer Konfirmation im nächsten Jahr und ihr dann auch wisst, was ihr tut, wenn ihr ihm dann in einem Jahr versprecht, auch weiter euer ganzes Leben lang bei ihm zu bleiben und sein Heiliges Mahl zu empfangen. Nein, es geht nicht um irgendjemanden, es geht erst recht nicht um den Pastor. Es geht um Christus – um euren Herrn und Gott! Amen.

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