St. Johannes 20,19-29 | Quasimodogeniti | Pfr. Dr. Martens

Der Thomas, von dem hier im Heiligen Evangelium des heutigen Sonntags berichtet wird, der würde gut in eine Konfirmandengruppe passen, ja, der ist eigentlich ein ganz typischer Konfirmand.

Da berichtet uns St. Johannes zunächst einmal, dass Thomas nicht mit dabei war, als die anderen Jünger zusammenkamen und Jesus ihnen begegnete. Das gab es also damals auch schon, dass sogar einer der zwölf Apostel den Gottesdienst geschwänzt hat, sich von den anderen abgesetzt hat. Weshalb er damals nicht mit dabei war, was er für Gründe hatte, weshalb er nicht da war, als die anderen sich versammelten, das erzählt uns Johannes nicht. Aber ihr Konfirmanden, ihr könntet dem Thomas sicher eine Reihe von Begründungen liefern, weshalb er damals nicht zur Versammlung der Jünger kommen konnte. Vielleicht war er müde und wollte ausschlafen. Nun ja, das wäre keine besonders gute Ausrede, denn Jesus kam ja abends zu den Jüngern und nicht am frühen Morgen. Oder er hatte so viel anderes zu tun, er war so beschäftigt. Doch das wäre vielleicht auch keine so gute Ausrede, wenn man bedenkt, dass er zuvor ja bereit gewesen war, alles aufzugeben, was er hatte, nur um Jesus nachzufolgen. Was für dringende Beschäftigungen sollte er da jetzt plötzlich haben? Nein, wahrscheinlicher ist wohl, dass der Thomas Angst hatte, dass nun auch er und seine Jüngerkollegen verhaftet würden und ihnen ähnliches drohen könnte wie Jesus selber. Und da war es dann vielleicht doch taktisch geschickter, sich nicht dort aufzuhalten, wo alle anderen waren. Allein konnte man ihn nicht so schnell finden. Kennt ihr das vielleicht auch: Dass ihr Angst davor habt, dabei erwischt zu werden, dass ihr Christen seid, dass ihr in die Kirche geht? Das ist ja heutzutage ziemlich uncool, vielleicht sogar peinlich. Sicher, hier in Deutschland ist das nicht so gefährlich, zum Gottesdienst zu gehen wie zum Beispiel im Iran. Da muss man tatsächlich damit rechnen, dass man verhaftet und gefoltert wird, wenn man sich heimlich zum Gottesdienst trifft. Und trotzdem haben dort so viele Menschen den Mut, sich mit anderen zum Gottesdienst in den Hausgemeinden zu versammeln, weil sie wissen, wie wichtig das für sie, für ihr Leben ist. Wir sind hier in Deutschland da oftmals sehr viel feiger. Bei uns reicht es schon, dass wir Angst haben, dass jemand uns blöde angrinst oder einen blöden Spruch über uns macht. Dann gehen wir lieber doch nicht hin zur Kirche – und kommen uns dabei vielleicht sogar ziemlich cool vor.

Doch der Thomas merkt dann sehr schnell, dass das ziemlich dumm von ihm war, dass er nicht mit den anderen Jüngern zusammen war. Denn dabei hat er etwas Unglaubliches verpasst: Er hat verpasst, wie der auferstandene Jesus zu den Jüngern gekommen ist und gezeigt hat, dass er wirklich lebt, dass er den Tod besiegt hat. Er hat verpasst, wie der auferstandene Jesus den Jüngern den heiligen Geist gegeben hat und die Vollmacht, den Menschen die Sünden zu vergeben. Sicher, der Thomas wollte das erst mal alles gar nicht glauben, was die anderen Jünger ihm erzählten. Aber ich bin mir sicher, dass der sich innerlich doch ganz schön geärgert hat, dass er an diesem Abend nicht mit dabei war, als die anderen mit Jesus ihren Ostergottesdienst gefeiert haben.

Liebe Konfirmanden, hinter euch liegen nun zwei Jahre Konfirmandenunterricht, zwei Jahre, in denen ihr hoffentlich nicht nur das eine oder andere gelernt habt, sondern in denen ich euch vor allem auch nahezubringen versucht habe, wie wichtig es doch ist, Christus immer wieder hier im Gottesdienst zu begegnen. Ich weiß nicht, wie viel meine Einladungen bei euch nun auf die Dauer fruchten werden, ob ihr es nach eurer Konfirmation trotz eures Konfirmationsversprechens doch wieder so machen werdet wie der Thomas damals und euch abseilt, wenn sich hier die Gemeinde zum Gottesdienst versammelt. Aber ich wäre schon sehr froh, wenn ihr wenigstens noch dieses Gespür aus dem Konfirmandenunterricht mitnehmt: Wenn ich nicht zum Gottesdienst gehe, dann ist das nicht egal, dann verpasse ich da eigentlich etwas, nein, nicht irgendetwas, sondern etwas ganz Wichtiges. Ja, ich wäre sehr froh, wenn ihr wenigstens doch dieses Gespür aus dem Konfirmandenunterricht mitnehmt: Das mit der Vergebung der Sünden, was Jesus damals am Osterabend eingesetzt hat, das ist auch für mich ganz wichtig. Ich kann mir nicht selber die Hände auflegen und sagen: „Mir sind meine Sünden vergeben.“ Und ich kann das auf die Dauer auch nicht einfach verdrängen, dass ich Gottes Vergebung immer wieder brauche. Ich kann das nicht verdrängen, dass mir meine Sünden behalten werden, wenn ich denke, ich käme auch ohne Gottes Vergebung klar. Ja, das hoffe ich, dass ihr das in eurem Leben niemals vergesst, wie wunderbar diese Möglichkeit ist, die Christus geschaffen hat, dass wir tatsächlich die ganze Schuld und das ganze Versagen unseres Lebens immer wieder bei ihm abladen können und er uns das dann tatsächlich wegnimmt und vergibt – so endgültig, dass Gott wirklich nie, nie mehr daran denken wird. Ja, das hoffe ich, dass ihr dieses Gespür euer Leben lang behaltet, dass euch ohne den Gottesdienst in eurem Leben etwas fehlt, ja das Allerwichtigste im Leben fehlt.

Der Thomas ist aber noch in einer anderen Hinsicht ein ganz typischer Konfirmand: Als die anderen Jünger ihm erzählen, dass Jesus auferstanden ist, glaubt er ihnen das nicht gleich, verlangt nach handfesten Beweisen für diese so unglaubliche Behauptung: „Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich’s nicht glauben.“ Doch dann geschieht das Wunderbare: Jesus kommt noch einmal extra zu Thomas, staucht ihn nicht zusammen, weil der nicht gleich den Jüngern geglaubt hat, sondern geht auf seine Zweifel ein, hilft ihm zum Glauben, indem er ihm erlaubt, ihn tatsächlich anzufassen und zu berühren, sich tatsächlich ganz handfest davon zu überzeugen, dass es wirklich stimmt, dass er wirklich lebt.

Wenn Jesus den Thomas damals nicht zusammengefaltet hat, weil der nicht gleich der Botschaft der Jünger geglaubt hat, dann wird er euch, liebe Konfirmanden, auch nicht zusammenstauchen, wenn ihr in eurem Glauben Fragen und Zweifel habt, wenn euch das nicht immer gleich einleuchtet, was euch hier in der Kirche von anderen erzählt wird. Ihr habt das Recht dazu, kritische Fragen zu stellen, Zweifel zu äußern, nachzubohren. Aber macht das dann bitte auch, zieht euch nicht einfach zurück, sondern stellt die Fragen ganz offen! Wir brauchen uns im christlichen Glauben vor kritischen Fragen nicht zu fürchten, wir brauchen Zweifel nicht zu verbieten – und können es ja auch gar nicht. Aber wir haben zugleich auch gute, tragfähige Antworten auf kritische Fragen und Zweifel. Nein, Jesus überwindet euren Zweifel nicht so, wie er das damals bei Thomas gemacht hat; er kommt hier nicht sichtbar in unsere Mitte und überzeugt uns so von der Realität seiner Auferstehung. Das hat er schon damals dem Thomas deutlich gemacht: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ Aber unser Glaube, der ist eben nicht einfach aus der Luft gegriffen, sondern der beruht tatsächlich auf dem Zeugnis von Augenzeugen wie zum Beispiel von dem Thomas. Wir haben gute Gründe, weshalb wir uns hier im Gottesdienst versammeln, weshalb wir verkündigen, dass Jesus wirklich auferstanden ist.

Aber das eine wissen wir natürlich auch: Glauben kann man niemals erzwingen. Auch das habt ihr im Konfirmandenunterricht gelernt: „Ich glaube, dass ich nicht glauben kann.“ Glaube ist und bleibt immer ein Geschenk des Heiligen Geistes. Ja, es ist immer wieder ein Wunder des Heiligen Geistes, wenn Menschen nicht bloß sagen: „Ich kann nicht glauben“, sondern wenn sie dann tatsächlich dahin kommen, dass sie bekennen: „Ich glaube an Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, unseren Herrn“ – so wie ihr Konfirmanden das gleich auch nachher hier im Gottesdienst sprechen werdet, ja, so hoffe ich und vertraue ich: wirklich von Herzen sprechen werdet. Ja, dieses Bekenntnis sprecht ihr heute in der Kraft des Heiligen Geistes. Und die Steckdosen, durch die ihr den Heiligen Geist bekommt, die kennt ihr ja genau, darüber haben wir im Unterricht immer wieder gesprochen. Denkt an euer Handy, das bald seinen Geist aufgibt, wenn es nicht regelmäßig aufgeladen wird! Das habt ihr ja jetzt gerade in Homberg auf der Konfirmandenfreizeit erlebt, wie wichtig das mit dem Aufladen der Handys ist. Lasst darum erst recht euren Glauben hier im Gottesdienst immer wieder aufladen – ganz besonders durch das Heilige Abendmahl! Denn da dürft ihr letztlich ja doch dasselbe erleben wie der Thomas damals auch: Da dürft ihr Christus selber berühren, sogar mit eurem Mund, da stärkt Christus euren Glauben durch diese Begegnung mit ihm. Ja, das wünsche ich euch allen, liebe Konfirmanden, dass es euch in eurem Leben immer wieder so geht wie dem Thomas, dass ihr nicht in euren Zweifeln hängen bleibt, sondern erfahrt, wie Christus euren Zweifel immer wieder überwindet und euch zum Glauben an ihn führt. Ja, Gott geb’s, dass ihr dieses Bekenntnis zu Jesus Christus euer Leben lang ganz fröhlich und ganz bewusst sprechen könnt: „Mein Herr und mein Gott!“ Ja, Gott geb’s, dass ihr in eurem Leben keinen anderen Gott, keine andere Nummer 1 habt als Jesus Christus allein! Amen.

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