St. Johannes 21,1-14 | Quasimodogeniti | Pfr. Dr. Martens

„Das war’s dann wohl“ – so mag manch einer von euch, liebe Konfirmanden, heute an diesem Tag denken. Zwei Jahre Unterricht liegen hinter euch, drei Freizeiten, die letzte ist gerade gestern zu Ende gegangen. Ja, eine schöne Zeit war das, mögt ihr denken. Aber jetzt ist sie vorbei, jetzt kehrt der Alltag wieder ein – ohne Unterricht am Samstag, und am Sonntag ...? War’s das wirklich schon? Eure Konfirmation als Abschiedsfeier, als Tag des Gedenkens an das, was einmal war?

So ähnlich mögen sich auch die Jünger damals am See von Tiberias, am See Genezareth vorgekommen sein. Ja, Bewegendes lag hinter ihnen: die Zeit, die sie mit Jesus verbracht hatten, schließlich seine Verhaftung, sein Tod – und schließlich so ganz unerwartet seine Auferstehung. Nein, diese Begegnung mit ihm, die würden sie nie vergessen, ganz klar. Aber nun ist das alles Vergangenheit. Nun hält sie nichts mehr in Jerusalem. Irgendwie müssen sie ja nun wieder ihr Geld verdienen, zurück in den Alltag, aus dem Jesus sie damals herausgerufen hatte. Und so finden wir die Jünger wieder beim Fischfang am See Genezareth, so wie früher einmal auch.

Und wie früher machen sie nun auch wieder die Erfahrung, wie vergeblich die Arbeit oftmals ist, die sie tun: Sie fischen die ganze Nacht – und fangen nichts. Alltag der Jünger – Alltag auch bei uns. Wenn wir meinen, wir könnten die Erfahrungen mit Jesus, die Erfahrungen des Lebens mit ihm, in seiner Kirche einfach hinter uns zurücklassen, dann sollen wir nicht meinen, dass unser Leben, unser Alltag dadurch besser und einfacher wird. Immer wieder werden wir erfahren, dass wir an Grenzen stoßen, dass wir nicht mehr weiterkommen in unserem Leben – und was dann? Was bleibt dann?

Die Jünger machen in der Geschichte, die Johannes hier erzählt, die Erfahrung, dass da mit einem Mal Jesus am Ufer steht. Der, den die Jünger eigentlich nur noch in der Vergangenheit zu finden glaubten, steht mit einem Mal vor ihnen, macht ihnen deutlich: Das war’s noch längst nicht! Ich bin nicht weg! Es geht jetzt erst so richtig los!

Genau darum geht es heute bei eurer Konfirmation, liebe Konfirmanden. Genau das sollt ihr heute am Tag eurer Konfirmation erkennen und bekennen: Jesus ist für mich nicht bloß eine Person der Vergangenheit; er ist nicht bloß jemand, dem ich früher vielleicht mal begegnet bin und mit dem ich jetzt nichts mehr zu tun habe. Sondern Jesus lebt, und darum will ich ihm auch in Zukunft immer wieder begegnen, will mit ihm zusammen sein, mein Leben mit ihm führen. Heute mit der Konfirmation war es das noch längst nicht. Jetzt geht es erst richtig los, das Leben mit Jesus Christus, meinem Herrn!

Und dieser Jesus Christus, der interessiert sich tatsächlich für euch, auch für euren Alltag. „Kinder, habt ihr nichts zu essen?“ – So fragte er damals die Jünger. Und so weiß er auch genau, wie es euch geht in eurem Alltag. Er weiß, wie es euch geht, wenn in der Schule alles ganz anders läuft, als ihr euch das vorstellt, wenn ihr den Eindruck habt, einfach nur versagt zu haben, wenn ihr den Eindruck habt, es geht bei euch gar nicht mehr weiter. Jesus weiß das, er ist nicht einfach weg, er ist auferstanden, er lebt, und er ist bei euch, auch wenn ihr ihn nicht gleich erkennt, auch wenn ihr nicht gleich sehen könnt, dass er es ist, der neben euch steht.

Wunderbar beschreibt Johannes hier, wie den Jüngern so ganz allmählich aufgeht, wer der denn ist, der da am Ufer des Sees steht und schon auf sie wartet. Allmählich fällt bei ihnen der Groschen – aber sie reden gar nicht viel darüber, gerade weil sie es verstanden haben: Es ist der Herr! Ja, so soll es auch bei euch in eurem Leben sein. Immer mehr soll auch euch aufgehen, was es heißt, dass Jesus lebt, dass ihr ihm begegnen könnt, dass er tatsächlich da ist. Immer mehr soll euer Glaube wachsen nun in der Zukunft, soll nicht einfach so bleiben, wie er jetzt im Augenblick ist. Immer mehr will Christus selber euch die Augen dafür öffnen, dass er euch in eurem Leben leitet und führt, dass er bei euch da erst gerade anfängt, wo ihr denkt, dass ihr schon am Ende seid.

Genau das erleben wir ja auch hier in unserer Gemeinde, dass Jesus da erst anfängt, wo wir schon glauben, dass es gar nicht mehr weitergeht. Damals hat er die Jünger losgeschickt, mitten am Tag auf Fischfang zu gehen – was für ein Blödsinn! Doch schon bald sind ihre Netze so voll, dass sie sie kaum noch an Land ziehen können. Als wir hier in Steglitz vor knapp vier Jahren mit unserer neuen Arbeit angefangen haben, da haben auch viele gesagt: Solch ein Blödsinn, die Leute, um die du dich hier kümmerst, die sind bald alle wieder weg, wenn sie erst einmal ihre positive Antwort vom Bundesamt haben, und dann sitzt du hier am Ende wieder ganz allein. Doch dann haben wir auch hier in Steglitz unsere Netze ausgeworfen – und nun sind sie schon so voll, dass es wirklich ein Wunder ist, dass sie immer noch nicht reißen. Nein, das liegt nicht an uns, nicht an unserer Arbeit, an unserem Einsatz. Das liegt allein an Christus, der Menschen hier zu uns geführt hat, der hier bei uns bewirkt hat, was wir selber niemals hätten tun können. Ja, das wünsche ich euch, dass ihr das in unserer Gemeinde miterlebt, was der lebendige Herr Jesus Christus hier immer wieder für Wunder wirkt, dass ihr merkt: Der christliche Glaube ist nicht bloß ein netter Gedanke oder ein nettes Hobby. Hier haben wir es wirklich mit keinem Geringeren als mit dem Herrn zu tun, der stärker ist als alle Mächte der Welt, der stärker ist auch als der Tod.

Und wenn ihr das verstanden habt, dann werdet ihr ganz von selbst auch dem Ruf eures Herrn folgen: „Kommt und haltet das Mahl!“ Das machen die Erzählungen von der Auferstehung Jesu im Neuen Testament immer wieder deutlich: Der auferstandene Jesus lädt immer wieder dazu ein, mit ihm das Mahl zu feiern, zu essen und zu trinken. Da erkannten die Jünger damals immer wieder, wer Jesus ist, dass er tatsächlich auferstanden ist und lebt.

Und genauso ist das auch heute noch: Wenn ihr erleben wollt, dass Jesus wirklich lebt, dann folgt seiner Einladung: „Kommt und haltet das Mahl!“ Kommt und empfangt auch in Zukunft immer wieder den Leib und das Blut des Herrn, berührt ihn, lasst ihn in euch leben – und erfahrt eben dadurch immer wieder neu: Wir glauben nicht an einen toten Jesus, sondern an einen lebendigen Herrn, den man berühren, den man anfassen kann, wie wir es eben auch im Heiligen Evangelium gehört haben. Um mit Jesus hier im Heiligen Mahl zusammen zu sein, muss man nicht viel reden können, muss man auch nicht viel Deutsch können. Hauptsache, die, die hierher kommen, wissen dies eine: Es ist der Herr, es ist sein Leib, es ist sein Blut.

Und eben darum kann es das heute einfach nicht für euch gewesen sein, kann heute mit der Konfirmation nicht Schluss sein. Denn Christus steht hier auch weiter jeden Sonntag und ruft es euch zu: Kommt und haltet das Mahl! Kommt, ich warte auf euch! Kommt, ich will euch ganz reich beschenken!

Ja, das wünsche ich euch heute am Tag eurer Konfirmation, dass ihr diese Einladung unseres Herrn Jesus Christus niemals aus den Ohren verliert: Kommt und haltet das Mahl! Das wünsche ich euch, dass euch hier am Altar immer wieder aufgeht, was das eigentlich heißt: „Es ist der Herr!“ Es ist sein Leib, es ist sein Blut. Da müsst ihr dann gar nicht viel reden. Das haben die Jünger damals auch nicht getan bei dem Mahl, das Jesus damals mit ihnen hielt. Hauptsache, ihr kommt, Hauptsache, ihr folgt immer wieder neu der Einladung eures Herrn, Hauptsache, ihr könnt mit Johannes sagen: „Es ist der Herr!“ Er ist wirklich da.

Ja, Gott geb’s, dass ihr das nicht nur heute sagt, sondern auch in der Zukunft immer wieder, euer ganzes Leben lang. Ja, Gott geb’s, dass ihr euer Versprechen, das ihr heute ablegt, euer ganzes Leben lang haltet und zugleich immer noch besser versteht, warum das so wichtig ist, dass ihr bei ihm, Jesus, bleibt!  Ja, Gott geb’s, dass das Heilige Mahl immer im Zentrum eures Lebens bleibt – bis ihr einmal Jesus mit eigenen Augen sehen werdet und es endgültig erkennen werdet: „Es ist der Herr!“ Amen.

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