St. Johannes 3,1-15 | Trinitatis | Pfr. Dr. Martens

„Wie schaffe ich es, meinen muslimischen Freund herumzubekommen, dass er auch Christ wird? Was für Argumente muss ich gebrauchen, um ihn zu überzeugen, um ihn dahin zu brin-gen, dass er erkennt, dass der christliche Glaube besser ist als der Islam?“ Solche und ähnliche Fragen begegnen uns immer wieder in den Diskussionen unserer Persischen Bibelstunden. Die Fragen sind ja nur zu verständlich, und sie betreffen ja auch nicht bloß diejenigen unter uns, die sich gerade in Diskussionen mit muslimischen Freunden befinden; das können genauso Diskussionen mit den eigenen Kindern sein, die vom christlichen Glauben nichts mehr wissen wollen, oder mit Nachbarn und Arbeitskollegen. Ja, wie schaffen wir das bloß, ihnen dies nahezubringen, dass es auch für sie besser ist, Christen zu werden oder zu bleiben?

Schwestern und Brüder: Es ist ja nicht so, dass wir als Christen keine Argumente oder auch nur die schlechteren Argumente im Gespräch mit Menschen hätten, die unseren Glauben nicht teilen. Wir haben richtig gute Argumente, und es macht mir in der Bibelstunde auch immer wieder richtig Spaß, mit den Teilnehmern das Argumentieren zu üben, gemeinsam weiterzu-denken. Wir haben als Christen wahrlich keinen Grund dazu, uns zu verstecken oder zu ver-langen, dass man gefälligst seinen Verstand an der Garderobe abzugeben hat, bevor man sich daran macht, sich dem christlichen Glauben zu nähern. Ja, das ist für uns als Christen ganz entscheidend wichtig, dass wir uns mit anderen tatsächlich nur auf der Ebene des Wortes, mit Argumenten und Einladungen, auseinandersetzen und nicht etwa mit Druck und Gewalt.

Ein Gespräch über entscheidend wichtige Glaubensfragen wird uns auch im Heiligen Evange-lium dieses Festtags geschildert. Da unterhält sich ein Mitglied des Hohen Rates, einer der religiösen Führer Israels, mit Jesus, mitten in der Nacht, zu einer Zeit, die für intensive religi-öse Diskussionen besonders geeignet zu sein scheint. In der Nacht kommt Nikodemus zu Je-sus, ja, das ist verständlich, denn das war für ihn ja nicht ohne Risiko, sich mit einem Men-schen zu treffen, der gerade zuvor im Tempel Randale gemacht hatte und sich bei den führen-den Leuten in Israel nicht gerade sonderlicher Beliebtheit erfreute. Und das Gespräch beginnt auch sehr verheißungsvoll: Nikodemus bringt Jesus gegenüber mehr als bloß Respekt zum Ausdruck; er erklärt sehr offen, dass er glaubt, ja, weiß, dass Jesus ein Lehrer ist, von Gott selber gekommen. Der ältere Ratsherr, der den jüngeren Jesus mit solcher Ehrerbietung be-handelt – das war doch wirklich eine gute Gesprächsgrundlage.

Doch was macht Jesus? Statt Nikodemus nun weiter behutsam an das Geheimnis seiner Per-son heranzuführen, statt ihn mit guten Argumenten zu gewinnen, stößt er ihn hier gleich zu Beginn vor den Kopf. Auf die freundliche Begrüßung des Nikodemus antwortet er mit der Feststellung: Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen. Das wiederum löst bei Nikodemus nur Missverständnisse aus – und bei diesen Miss-verständnissen, bei diesem scheinbaren Aneinander-Vorbeireden bleibt es dann auch in dem ganzen folgenden Gespräch.

Mensch Jesus, mögen wir beim ersten Hinhören denken, hättest du diese Chance nicht besser nutzen können, hättest du nicht vorsichtiger, freundlicher, behutsamer auf das Interesse des Nikodemus reagieren können? Ich stelle mir vor, zu mir würde eines Abends ein Imam kom-men, der sich ernsthaft für den christlichen Glauben interessiert, der nicht gleich sein Urteil gefällt hat, dass wir Christen alle Kuffar, Ungläubige sind, sondern der sich auf ein Gespräch mit mir einlässt. Da würde ich doch alles tun, um diesen Gesprächsfaden tatsächlich auch aufzunehmen, mich vorsichtig mit ihm voranzutasten, ja nichts von dem zerbrechen zu lassen, was sich da möglicherweise zu entwickeln scheint.

Jesus geht hier anders vor. Nein, er stellt uns hier nicht vor Augen, wie wir in Gesprächen mit religiös Suchenden vorzugehen haben, denn eines ist ja ganz klar: Wir sind nicht Jesus; wir sind in einer ganz anderen Situation. Doch zweierlei macht Jesus hier gleich zu Beginn des Gespräches mit Nikodemus ganz deutlich, was auch für uns wahrzunehmen und zu erkennen von entscheidender Bedeutung ist:

Zum einen macht Jesus deutlich, um was für ein Thema es im Gespräch mit Menschen anderen Glaubens letztlich immer wieder und vor allem zu gehen hat: Um die Frage, wie wir in das Reich Gottes kommen, wie wir in den Himmel kommen. Es ist schön und nett, wenn wir menschliche Freundlichkeiten zwischen Vertretern verschiedener Religionen und Glaubens-richtungen austauschen und uns nicht gegenseitig beleidigen oder gar mit Messern aufeinander losgehen. Es ist schön und nett, wenn wir ausloten, wie weit wir miteinander zusamme-narbeiten können, um uns in dieser Welt für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung einzusetzen. Aber letztlich ist nur eine Frage wirklich wichtig und von Bedeutung: Wie kommen wir in den Himmel, wie werden wir gerettet? Das sollte uns immer wieder um-treiben, gerade auch im Gespräch mit Muslimen: Nicht als Bedrohung sollten wir sie ansehen, erst recht nicht als Feinde, sondern als Menschen, die es so dringend nötig haben, dass sie erfahren, wie sie in das Reich Gottes kommen.

Und den Weg dorthin beschreibt Jesus nun allerdings sehr klar und eindeutig: Wenn jemand nicht geboren wird aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Ich komme nicht in das Reich Gottes dadurch, dass ich irgendwelche Gesetze einhalte, dass ich mich bemühe, ein frommes Leben zu führen, dass ich zu bestimmten Zeiten Gebete verrichte, faste und Geld für gute Zwecke gebe und natürlich erst recht nicht dadurch, dass ich eine Pilgerfahrt nach Mekka unternehme. Sondern ich komme in das Reich Gottes dadurch, dass ich geboren werde, neu geboren werde, selber gerade nichts tue, sondern etwas an mir geschieht, wozu ich selber keinerlei Beitrag leisten kann. Ich komme in das Reich Gottes, weil Gottes Geist an mir arbeitet, mich zu einem neuen Menschen macht, der anders ausgerichtet ist als der alte, der nicht mehr selber etwas tun will, um in den Himmel zu kommen, sondern ganz und gar aus Gottes Geschenken lebt, ganz und gar davon lebt, dass Jesus Christus alles für uns getan hat, als er am Kreuz erhöht wurde, als er am Kreuz für uns gestorben ist

Und an diesem Punkt kommt man eben nun auch im Gespräch mit Menschen aus anderen Religionen nicht weiter mit guten Argumenten. Da kann man tatsächlich nur noch Christus bezeugen und darauf vertrauen, dass dieses Zeugnis am Ende nicht ohne Wirkung bleiben wird. Nein, wir schaffen es eben nicht, einen Menschen zum christlichen Glauben herumzu-bekommen, und wenn wir ihn mit 1000 guten Argumenten zu bombardieren. Das Entschei-dende kann allein Gottes Geist tun, weil ein Mensch von sich aus gerade nicht dazu bereit ist, alles Entscheidende in seinem Leben Christus tun zu lassen. Im Gegenteil: Je besser die Ar-gumente sind, desto mehr wird er sich gegen sie wehren – wenn nicht Gottes Geist auch ihn verändert und ihn schließlich an den Ort führt, wo sich seine neue Geburt vollzieht: Im Wasser der Heiligen Taufe.

Genau dieses Wunder durften wir heute Morgen nun hier im Gottesdienst miterleben, wie 13 Menschen, die von sich aus nie auf die Idee gekommen wären, an Christus zu glauben, eben dies nun bekannt haben: Ja, ich glaube an Christus, der unendlich mehr ist als bloß ein Lehrer, ein Prophet, der selber Gottes Sohn ist, mit dem Vater eins. Genau dies Wunder durften wir erleben, dass sie hier am Taufstein neu geboren wurden und dass für sie nun in der Kraft ihrer Taufe eben dies auch gilt: Wer an Jesus glaubt, der hat das ewige Leben.

Wir feiern heute das Trinitatisfest. Das Bekenntnis unseres christlichen Glaubens, dass der eine wahre Gott der dreieinige Gott ist, Vater, Sohn und Heiliger Geist, gehört ja zu den Hauptanstößen nicht nur für den Islam, sondern für viele andere Menschen auch. Nein, wir können gerade auch in der Frage der Dreieinigkeit Gottes Menschen anderen Glaubens nicht mit guten Argumenten davon überzeugen, dass dieser Glaube wahr und besser ist als der Glaube des Islam. Zum Glauben an ihn führen kann nur der dreieinige Gott selber, der Vater, der seinen Sohn in die Welt schickt und für uns am Kreuz sterben lässt, der Sohn, der sich uns in seinem Wort zu erkennen gibt, der Heilige Geist, der uns zu Christus und durch Christus in die Gemeinschaft mit Gott dem Vater führt. Und genau das macht er, lässt dieses Wunder immer wieder in unserer Mitte geschehen, hat es auch an uns, in unserem Leben geschehen lassen. Und eben weil wir darauf vertrauen dürfen, dass dies geschieht, dürfen wir uns dann auch weiter gerne auf Diskussionen mit Menschen einlassen, die unseren Glauben nicht teilen, dürfen wir auch weiter argumentieren und bezeugen. Gott will doch, dass auch die, die jetzt noch so wenig von ihm wissen, am Ende in das Reich Gottes kommen, hineingeboren werden in seine neue Welt. Amen.

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