St. Lukas 1, 39-56 | Mariae Heimsuchung | Pfr. Dr. Martens

„Mariae Heimsuchung“ – so wird das Fest genannt, an dessen Vorabend wir diesen Gottesdienst feiern. „Mariae Heimsuchung“ – man muss sich schon gut auskennen, um zu wissen, was mit dieser „Heimsuchung“ denn nun gemeint ist. „Visitatio“ – so wird das Fest auf Lateinisch genannt; das ist fast verständlicher als das deutsche Wort: „Visitatio“ – Besuch. Ja, es ist das Fest, bei dem wir an den Besuch von Maria bei Elisabeth denken, wie ihn uns St. Lukas im Heiligen Evangelium dieses Festtages schildert. Nun ist es immer eine erfreuliche Begebenheit, wenn sich zwei schwangere Frauen treffen. Doch warum sind wir dazu heute Abend nun hierher gekommen, haben extra unseren Gemeinderaum zu einem Gottesdienstraum umgebaut, weil die Kirche gerade nicht benutzbar ist, haben uns extra diese Mühe gemacht? Wenn wir genauer hinschauen, dann erkennen wir, warum es sich lohnt, dieses Fest heute Abend zu feiern. Mariae Heimsuchung – es ist das Fest des Staunens, es ist das Fest, bei dem wir als Christen wieder neu lernen können und dürfen, so richtig zu staunen. Staunen sollen und dürfen wir gleich über dreierlei:

  • über das Wunder des menschlichen Lebens
  • über das Wunder der Menschwerdung Gottes
  • über das Wunder des Glaubens

I.

Von einem Tanz ist hier im Heiligen Evangelium gleich zweimal die Rede – von einem sehr ungewöhnlichen Tanz, zugegebenermaßen, denn die Tanzfläche ist für den Tänzer sehr begrenzt. Vor allem aber ist ungewöhnlich, dass man dem Tänzer diesen Tanz überhaupt zutraut. Ein Zellklumpen ist er, mehr nicht, so sehen es so viele Menschen heutzutage, kommen gar nicht auf die Idee, dass der, der da tanzt und jubelt über die Ankunft seines Herrn und Gottes, zu solch einer Reaktion überhaupt in der Lage sein könnte. Elisabeth war damals wohl schon deutlich über 40. Würde sie heute schwanger, so wäre der Rat ihres Arztes wohl klar: „Wegmachen“ muss man den Zellklumpen in ihrem Bauch; zu groß ist die Gefahr, dass er bei einer Mutter in diesem Alter behindert sein könnte, für die Mutter eine unerträgliche Belastung sein könnte nach der Geburt. Also weg damit – so schnell wie möglich!

Elisabeth hat das damals offenkundig anders gesehen. Ja, ein Glück, dass sie beide anders gedacht haben als so viele heute: Die ältere Schwangere und das unverheiratete junge Mädchen, das schwanger geworden war, obwohl sie es selber überhaupt nicht geplant hatte. Beide staunen sie über das Kind, das sie unter ihrem Herzen tragen, jawohl, über das Kind. In der Heiligen Schrift wird interessanterweise für das ungeborene Kind im Mutterleib und für das neugeborene Kind dasselbe Wort verwendet – „brephos“. Für die Heilige Schrift macht es keinen Unterschied, ob ein Kind schon geboren ist oder nicht. Es ist und bleibt ein Mensch, von Gott gewollt und geschaffen, ein Wunder, über das man nur staunen kann – und das nicht bloß, wenn die Umstände so ungewöhnlich sind wie im Fall von Elisabeth und Maria. Ja, staunen wir über das Wunder des menschlichen Lebens, das uns hier bezeugt wird, staunen wir über das Wunder, dass auch Kinder, die noch nicht geboren sind, schon ganz und gar Menschen sind, Menschen auch mit Regungen und Gefühlen. Der tanzende Johannes im Leibe seiner Mutter ermutigt uns dazu, uns für das Recht aller Kinder auf Leben einzusetzen – auf das Recht der geborenen wie der ungeborenen.

II.

Doch nun ist es natürlich nicht bloß irgendein ungeborenes Kind, das Maria bei ihrem Besuch bei Elisabeth unter ihrem Herzen trägt. Sehen kann man von diesem besonderen Kind natürlich noch nichts. Doch Elisabeth erkennt es eben doch, weil sie, so betont es St. Lukas hier, erfüllt ist vom Heiligen Geist. Der Heilige Geist öffnet ihr die Augen, und sie erkennt etwas Unfassliches: Im Leib seiner Mutter kommt der Herr, der lebendige Gott, zu ihr. Und so ruft sie staunend aus: „Wie geschieht mir das, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?“

Schwestern und Brüder: Wir haben uns oft schon so sehr daran gewöhnt, davon zu sprechen, dass Gott Mensch geworden ist, dass wir mitunter schon das Staunen verlernt haben, das Staunen darüber, dass Gott allen Ernstes ein Embryo geworden ist. Vielleicht können uns unsere Geschwister aus dem Iran und Afghanistan wieder neu zu solchem Staunen anleiten. Denn im Islam ist das undenkbar, ja höchste Gotteslästerung, zu behaupten, dass Gott ein Embryo werden könnte, dass er sich für uns so klein macht, dass er sich im Leib einer Frau durch das Land Israel tragen lässt. Gott ist doch überaus groß – nicht klein, nicht winzig. Gott ist doch erhaben, nicht so nah, dass man bis auf wenige Zentimeter an ihn herankommen kann, wenn man seine Mutter begrüßt.

Ist er eben doch, klein und nah, der große und erhabene Gott, so verkündigt es Elisabeth in der Kraft des Heiligen Geistes hier. Der große und erhabene Gott will mit uns Menschen zu tun haben, ja will uns Menschen retten, in seine Gemeinschaft zurückholen. Darum macht er, worüber wir nur staunen können, wird zur Frucht des Leibes einer Frau. Und wenn wir über die Menschwerdung Gottes staunen und sie loben und preisen, dann können wir gar nicht anders, als damit zugleich auch die zu preisen, die unseren Herrn und Gott als Embryo unter ihrem Herzen getragen hat, können wir gar nicht anders, als damit zugleich auch zu bekennen, dass Maria die Mutter des Herrn, die Mutter Gottes ist. Wenn wir Maria als Mutter Gottes preisen, dann preisen wir damit das Wunder, das Gott an ihr getan hat, üben wir wieder neu das Staunen darüber ein, was für einen Weg Gott gegangen ist, um uns zu retten.

III.

Aber nun staunt Elisabeth schließlich noch über etwas anderes: Sie staunt über den Glauben Marias, darüber, dass sie tatsächlich im Glauben Ja gesagt hat zu dem, was Gott an ihr getan hat. Nein, das war nicht einfach der Mut einer jungen Frau, der sie zu diesem Ja veranlasst hat, das war und ist Gottes Gnade, die Maria zu solchem Glauben verholfen hat, zum Vertrauen auf das Wort Gottes selber, zu einem Glauben, der Maria selig macht.

Ja, um Christus geht es natürlich heute an diesem Tag. Alle Marienfeste sind immer Christusfeste, und darum haben wir heute auch die liturgische Farbe Weiß. Aber es geht heute auch um Maria selber. Sie ist und bleibt für uns als Christen von großer Bedeutung – als Mutter Gottes, aber eben auch als Vorbild des Glaubens, der Ja sagt zu etwas, was so lächerlich und so unmöglich erscheint und doch Gottes Weg ist, uns Menschen zu retten.

Von Maria wollen wir uns dazu ermutigen lassen, Gottes Wort mehr zu vertrauen als dem, was uns erst einmal einleuchtet, Gottes Wort mehr zu vertrauen als dem, was irgendwelche Mehrheiten für richtig halten. Von Maria wollen wir uns dazu ermutigen lassen, es Gottes Wort zuzutrauen, Wunder zu wirken, ja, eben dieses Wunder, dass der große Gott sich für uns ganz klein macht. Von Maria wollen wir uns dazu ermutigen lassen, immer wieder neu über das Wunder zu staunen, dass wir den Schöpfer des Universums in den Gestalten von Brot und Wein empfangen und in uns aufnehmen dürfen, dass Gott auch heute noch diesen Weg wählt, sich für uns klein zu machen, um uns zu retten.

Ja, Mariae Heimsuchung feiern wir in der Tat am besten so, dass wir miteinander das Sakrament feiern, dass wir gemeinsam Gott loben, der uns unser Leben geschenkt hat, der für uns durch Maria Mensch geworden ist und der auch uns den Glauben geschenkt hat und ihn nun wieder stärkt, indem er in uns Wohnung nimmt. Da kann man in der Tat nur staunen! Amen.

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