St. Lukas 11, 33-41 | Mittwoch nach 8. Sonntag nach Trinitatis | Pfr. Dr. Martens

Zu den Schlagworten, die wir in diesen Tagen und Wochen in den Diskussionen um religiös motivierte Gewalttaten immer wieder zu hören bekommen, gehört regelmäßig auch das Wort „Interreligiöser Dialog“. Von einigen wird dieser interreligiöse Dialog geradezu als Zauberformel angesehen, mit der es gelingen könnte, alle Konflikte und Auseinandersetzungen in dieser Welt zu überwinden, indem man gemeinsam zu dem Ergebnis kommt, dass letztlich ja doch alle an denselben oder dasselbe glauben und man sich dann an den unterschiedlichen Traditionen erfreuen kann.

Man kann über so viel Weltfremdheit natürlich einfach nur den Kopf schütteln. Dabei ist es natürlich überhaupt nicht falsch und nicht zu kritisieren, wenn sich Vertreter der christlichen Kirchen mit Vertretern verschiedener Religionen zusammensetzen und über ihren Glauben sprechen, wenn sie versuchen, einander besser zu verstehen und über den anderen nicht falsche Behauptungen in die Welt zu setzen. Dialoge sind immer besser, als einander Bomben an den Kopf zu werfen. Doch schwierig wird es, wenn solche interreligiösen Dialoge von vornherein auf falschen Voraussetzungen aufbauen – etwa auf der, dass alle Religionen letztlich nur verschiedene Ausdrücke menschlicher Suche nach der Wahrheit oder auch der Wahrheit selber seien, und dass man von daher aus diesen verschiedenen Religionen gleichsam eine gemeinsame Wahrheit erheben könne. Ja, schwierig wird es, wenn es von vornherein als Verstoß gegen die Etikette gewertet wird, wenn man die Frage von rechter Lehre und Irrlehre, ja von Licht und Finsternis überhaupt thematisiert.

In unserer heutigen Predigtlesung werden wir auch Zeugen eines interreligiösen Dialogs. Der klingt allerdings ganz anders als das, was sich Menschen heutzutage so unter einem interreligiösen Dialog vorstellen:

Da setzt sich Jesus hier in diesen Versen mit Menschen auseinander, die seinen Anspruch, Gottes Sohn zu sein, in der Vollmacht Gottes zu handeln, ablehnen. Nein, Jesus sagt nicht: Ach, ihr habt ja offenbar eine andere religiöse Tradition, ihr habt andere Möglichkeiten, an Gott zu glauben und Gottes Wahrheit auszudrücken. Wenn ihr vor mir Respekt habt und mich für einen guten Menschen haltet, dann ist das doch eigentlich auch schon eine ganz gute Basis, um weiter miteinander diskutieren zu können.

Sondern Jesus redet hier von sich und der Botschaft, die ihn als Sohn Gottes bezeugt, als einem Licht, das in die Finsternis hineinstrahlt. Er behauptet: Da, wo ich nicht bin, da, wo mein Wort nicht zu hören ist, da ist es finster, da gibt es keine andere Möglichkeit der Erleuchtung. Schwestern und Brüder: Man kann diesen Anspruch Jesu natürlich ablehnen. Man kann Jesus für größenwahnsinnig halten und ihn für verrückt erklären. Aber was nicht geht, ist, dass man diesen Anspruch Jesu irgendwie ermäßigt, ihn zu einer Taschenlampe neben vielen anderen Lampen erklärt. Damit würden wir dann in der Tat keinen Respekt vor Jesus und seinem Wort zeigen.

Jesus weiß selber, dass sein Wort nicht überall auf Begeisterung stößt. Er spricht davon, dass Menschen für seine Botschaft blind sein können, dass Menschen vor diesem Licht ihre Augen verschließen. Und wenn Menschen vor ihm, Christus, ihre Augen verschließen, wenn sie einfach ihn nicht als den wahrnehmen wollen, der er ist, wenn sie, anders formuliert, vor seinem Wort die Ohren verschließen, dann werden sie natürlich auch nichts mit seinem Anspruch anfangen können, dann werden sie sich eigene Religionen machen, die doch, so beschreibt es Jesus hier, letztlich dunkel bleiben, weil sie nicht durchleuchtet sind von dem Lichtschein des einen Lichtes der Welt.

Ja, wir können noch so viele interreligiöse Dialoge betreiben – an dem Anspruch Jesu Christi können wir uns nicht vorbeimogeln. Und unsere Aufgabe als Christen ist es nicht, zu behaupten, dass wir Recht haben und die anderen nicht. Sondern unsere Aufgabe besteht schlicht und einfach darin, das Licht des Wortes Jesu auf einen Leuchter zu stellen, es klar und deutlich zu bezeugen, es erkennbar werden zu lassen und es nicht irgendwie zu verdunkeln. Wenn wir über alles Mögliche reden und nicht Jesus Christus als den einzigen Herrn und Retter der Welt bezeugen, dann stellen wir, mit den Worten Jesu selber formuliert, unser Licht unter einen Scheffel, unter einen Eimer, dann mögen wir uns mit anderen gemeinsam im kuscheligen Dunkel wohlfühlen, in dem das helle Licht Jesu Christi nur stören und Gegensätze nur allzu deutlich beleuchten würde. Und wenn wir in Gesprächen den Eindruck erwecken, als gebe es doch Wege zu Gott an Jesus Christus vorbei, als könne man seinen Anspruch doch irgendwie ermäßigen, dann gilt auch uns die Warnung unseres Herrn: „Schaue darauf, dass nicht das Licht in dir Finsternis sei!“ Es geht um das helle Licht des Evangeliums von Jesus Christus, das nicht getrübt, verdunkelt, gefiltert werden soll, weil es doch die Kraft hat, Menschen zu erleuchten, selbst in der tiefsten Finsternis. Nein, es ist nicht einfach Schicksal, wenn Menschen nicht an Jesus Christus glauben, das steckt auch nicht unveränderlich in ihren Genen drin. Es ist auch nicht so, dass nun einmal diese Welt in verschiedene Religionsbereiche aufgeteilt wäre. Nein, das Evangelium von Jesus Christus ist Licht, das das Leben von Menschen völlig zu verändern vermag, so können es so viele bezeugen, die hier in unserer Gemeinde sind und noch vor einigen Jahren von diesem Licht überhaupt nichts wussten. Ja, dieses Licht will auch das Leben von Muslimen verändern und hell machen. Das müssen gar nicht wir tun; das macht das Licht schon selber. Verstecken wir es bloß nicht!

Und was für praktische Auswirkungen das hat, beschreibt uns St. Lukas hier ebenfalls in unserer Predigtlesung:

Da geht es um das Thema „Reinheitsvorschriften“. Das ist ein Thema, das für so viele unserer Gemeindeglieder in den Asylbewerberunterkünften sehr aktuell ist. Als „Unreine“ werden die Christen dort immer wieder beschimpft und behandelt, und weil sie sich nicht an die muslimischen Vorschriften zur rituellen Reinigung halten, wird ihnen der Zugang zu Küchen und Toiletten immer wieder verwehrt.

Von einem ähnlichen Konflikt berichtet uns St. Lukas hier nun auch in unserer Predigtlesung: Jesus wird von einem Pharisäer zum Essen eingeladen – und vollzieht vorher nicht die rituelle Waschung, von der im Alten Testament selber nichts geschrieben steht, die aber die Pharisäer als religiöse Übung eingeführt hatten. Das stößt bei seinem Gastgeber auf Verwunderung. Doch Jesus redet Klartext: Äußere rituelle Waschungen bringen gar nichts – denn sie bleiben tatsächlich an der Oberfläche. Sie haben keinen Einfluss auf das Innere. Und wenn das Innere nicht in Ordnung ist, wenn dort nicht das Licht von Jesus Christus Einzug  gehalten hat, dann kann man sich noch so oft rituell reinigen, dann kommt dadurch das Verhältnis zu Gott nicht in Ordnung.

Ja, genau das ist bis heute ein Diskussionsgegenstand im Gespräch mit Muslimen: Ihr legt solchen Wert auf äußere rituelle Reinheit. Aber das Wasser, mit dem ihr euch wascht, kommt eben nicht an eure Seele heran. Wie aber werdet ihr innerlich rein? Wie kann eure Schuld vergeben werden, die ihr in euch, in eurem Herzen tragt?

St. Lukas gibt das Wort für „waschen“ hier in unserer Predigtlesung mit dem griechischen Wort „baptizein“ wieder, mit dem Wort, das auch für „taufen“ verwendet wird. Damit markiert er den Ort, wo wir durch Wasser nicht nur äußerlich, sondern innerlich rein werden, wo uns Schuld vergeben wird, ja, wo das Licht des Lebens in uns hineindringt und uns hell und licht macht. In der Taufe wird unser Inneres, wird damit unser ganzes Leben Eigentum unseres Herrn Jesus Christus, ihm übergeben. Alle weiteren rituellen Waschungen werden damit überflüssig. An der einen Waschung hängt alles, weil in ihr unser Herr Jesus Christus selber handelt und alles neu und alles rein macht.

An der Taufe führt kein Weg vorbei; auch dies gilt für Muslime in gleicher Weise wie für Menschen, deren Eltern schon Christen waren, ja für alle Menschen überhaupt. Wir können uns nicht selber innerlich reinigen, so wenig, wie wir uns selber innerlich erleuchten können. Alles hängt an Christus, an dem, was er tut. Ja, das lässt uns dann in der Tat auch anders leben. Mögen wir gerade auch mit unserem Leben Zeugnis ablegen von ihm, unserem Herrn! Denn so sagt es Christus selber im Heiligen Evangelium dieses Sonntags: „So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ Amen.

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