St. Lukas 19, 41-48 | 10. Sonntag nach Trinitatis | Pfr. Dr. Martens

Gestern war es genau 36 Jahre her, dass am 8. August 1979 Ayatollah Khomeini in einem Aufruf den Al-Quds-Tag als gesetzlichen Feiertag der Islamischen Republik Iran einführte. Al Quds ist der arabische Name für Jerusalem, und seitdem wird an diesem Tag nicht allein im Iran, sondern beispielsweise auch hier in Berlin für die Befreiung Jerusalems von den Juden und für die Vernichtung Israels demonstriert, wobei sich die Redner an diesem Tag bis heute an der Rhetorik von Ayatollah Khomeini orientieren, der damals die muslimischen Gläubigen dazu aufforderte, sich an Imam Ali ein Vorbild zu nehmen, der an einem einzigen Tag eigenhändig 700 Juden tötete.

Wenn wir diese Worte hier in Deutschland hören, dann läuft es uns natürlich kalt den Rücken herunter. Wir haben es hier in Deutschland im vergangenen Jahrhundert geschafft, die Taten von Imam Ali noch auf entsetzliche Weise zu überbieten und gleich das Leben von Millionen von Juden zu vernichten. Aber aus dem Erschrecken über das, was da im vergangenen Jahrhundert geschehen ist, sind wir in unserem Land sensibel geworden, so denke und hoffe ich, wenn sich heute wieder Bewegungen und Demonstrationen der nationalsozialistischen Verbrechersprache bedienen und mehr oder weniger offen zur Tötung von Juden, ja zur Vernichtung des jüdischen Volkes aufrufen. Ja, wir erschrecken über den Hass gegen Israel, zu dem auch der jetzige Staatspräsident Hassan Rohani im vergangenen Jahr wieder ganz unverblümt aufgerufen hat, und wir möchten uns lieber nicht vorstellen, was es bedeuten würde, wenn diese blutrünstige Rhetorik tatsächlich auch in die Tat umgesetzt würde.

Was haben wir als christliche Kirche dieser Rhetorik des Hasses und der Feindschaft entgegenzusetzen? Beispielsweise heute Morgen zwölf Taufen. Da haben heute Morgen Menschen, die von Kindheit an die Hassparolen ihrer politischen Führer hören mussten, sich stattdessen zu dem Friedefürsten Jesus Christus bekannt, haben sich zu ihm bekannt als dem Sohn Gottes und Herrn der Welt, haben sich zu dem bekannt, der nicht zur Vernichtung des jüdischen Volkes aufgerufen hat, sondern über die bevorstehende Zerstörung Jerusalems bitterlich geweint hat.

Nein, Jesus ist nicht Imam Ali. Nicht mit einem Schwert in der Hand zieht er in Jerusalem ein, so wird es in den Versen vor unserer heutigen Predigtlesung berichtet, sondern auf einem Esel. Er kommt, so betont er es ausdrücklich, um dieser Stadt Jerusalem den Frieden zu bringen. Frieden, so macht er dabei deutlich, bekommt Jerusalem dadurch, dass es ihn, Jesus, als den Friedensbringer erkennt, als den, der Frieden zwischen Gott und den Menschen schafft und damit die Grundlage für die Versöhnung von Menschen untereinander.

Er, Jesus Christus, ist und bleibt der Friedensbringer für Israel, für Jerusalem auch heute noch. Frieden kehrt da ein, wo Menschen sich von den Parolen von Hass und Vernichtung abwenden und ihn, Christus, als ihren Herrn und Friedenskönig anerkennen, wie wir dies heute Morgen wieder miterleben konnten. Menschen, die an Jesus Christus glauben, die erkennen, dass Gott tatsächlich in einem Juden Mensch geworden ist, können nicht dem Volk Israel Tod und Verderben wünschen, weil sie darum wissen, dass der Gott, an den sie glauben, mit eben diesem Volk Israel seine ganz besondere Geschichte gehabt hat und bis heute noch hat, weil sie darum wissen, dass Gott Versprechen, die er gegeben hat, nicht wieder zurücknimmt. Doch Menschen, die daran glauben, dass Jesus Christus, ihr Herr, tatsächlich für alle Menschen ohne Ausnahme gestorben ist, können eben auch nicht zu Hass und Feindschaft gegen irgendein anderes Volk oder Land aufrufen, können immer wieder nur den Frieden bezeugen, den Christus mit seinem Tod am Kreuz für alle Menschen dieser Welt gestiftet hat.

Nein, es ist nicht selbstverständlich, dass Menschen in Jesus Christus Gott selber erkennen, dass sie wahrnehmen, dass in ihm Gott selber sein Volk, ja, diese Welt heimgesucht hat. Jesus weinte damals darüber, dass den meisten Einwohnern seiner geliebten Stadt Jerusalem verborgen blieb, wen sie da in ihrer Mitte hatte: der Gott, auf dessen Kommen sie so lange gewartet hatten. Nun war er da – und sie bekamen es einfach nicht mit, konnten und wollten nicht erkennen, dass da gerade der Friede, das Heil in Person bei ihnen eingezogen war.

Heute geht es so vielen auch in unserer Mitte an die Nieren, dass Menschen, die ihnen so nahestehen, die sie so lieb haben, auch einfach nicht erkennen können und wollen, dass Jesus Christus auch ihr Herr und Retter, ja, auch ihr Gott ist. Sie weinen, wenn Menschen, die sie so lieb haben, nichts mehr von ihnen wissen wollen, weil sie an Jesus Christus glauben, weil sie sich haben taufen lassen, sie weinen, weil sich an ihm, Jesus Christus, auch heute noch dieselbe Scheidung vollzieht wie damals auch. Und auch heute gibt es viele Menschen in unserer Mitte, die die einzige Hoffnung für die Zukunft ihres Landes Iran oder Afghanistan darin sehen, dass sich die Menschen in ihrem Land auch dem Friedefürsten Jesus Christus zuwenden, der nicht zu Hass und Gewalt, nicht zu Krieg und Tod aufruft, sondern Menschen mit seinem Frieden beschenkt.

Doch schauen wir nicht bloß auf andere, weder bloß auf Israel noch auf den Islam, schauen wir nicht zuletzt auch auf uns selber. Ist uns das immer so klar, dass für uns hier und jetzt die Zeit ist, in der Gott uns heimsucht, in der er uns besucht, um uns Frieden und Leben zu schenken? Ist uns das immer so klar, dass auch unser Geschick und unsere Zukunft allein in unserem Verhältnis zu Jesus Christus beschlossen liegt? Ist uns das immer so klar, dass es um unseren Frieden, um unser Heil, um unser Leben geht, wenn Christus uns Sonntag für Sonntag in sein Haus, an seinen Altar lädt? Ist uns das immer so klar, dass auch wir uns Gottes Gericht auf den Hals laden, wenn wir diese Einladung und in dieser Einladung ihn selbst, Jesus Christus, ablehnen?

Jesus ist danach in den Tempel gegangen und hat darin gründlich aufgeräumt. Unerträglich war es für ihn, dass der Tempel nur als Mittel zum Zweck zur Erreichung eigener Wünsche und Ziele missbraucht werden könnte. Unerträglich ist es für Jesus auch heute, wenn Menschen in sein Haus kommen und darin gar nicht ihn suchen, sondern nur sich selbst, ihren eigenen Vorteil, ihren Aufenthalt in Deutschland, vielleicht auch nur ein nettes Zusammensein. Ja, unerträglich ist es auch für ihn heute, wenn Menschen sein Haus nicht als Haus Gottes wahrnehmen, sich von allem möglichen anderen ablenken lassen, von Gesprächen mit den Nachbarn, von Handys und Facebook-Nachrichten, wenn Menschen das Haus Gottes mit einer Partyhöhle verwechseln und mit ihrem Verhalten so wenig zeigen, dass auch dieses Haus ein Bethaus ist für alle Völker.

Frieden will Jesus euch hier und heute, Frieden will er euch jetzt schenken. Erkennt es, nehmt es wahr, lasst euch von diesem Frieden umhüllen – heute und auch in Zukunft immer wieder. Ja, lasst euch durch diesen Frieden, den Christus euch schenkt, dann immer wieder dazu anleiten, die Worte des 122. Psalms zu beten: „Wünschet Jerusalem Glück! Es möge wohlgehen denen, die dich lieben! Es möge Friede sein in deinen Mauern und Glück in deinen Palästen! Um meiner Brüder und Freunde willen will ich dir Frieden wünschen. Um des Hauses des HERRN willen, unseres Gottes, will ich dein Bestes suchen.“ Amen.

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