St. Lukas 24,36-45 | Ostermontag | Pfr. Dr. Martens

Worum geht es zu Ostern? Geht es darum, dass einige Anhänger eines jüdischen Wanderpredigers nach dessen Hinrichtung so schockiert und verzweifelt waren, dass sie schließlich Halluzinationen bekamen und anfingen, ihren hingerichteten Meister noch einmal gleichsam vor Augen zu sehen? Nein, darum geht es nicht! Geht es darum, dass der verstorbene Wanderprediger Jesus von Nazareth mit seinen Worten in den Herzen seiner Anhänger einen solch unauslöschlichen Eindruck hinterließ, dass er auch nach seinem Tod in ihren Herzen weiterlebte? Nein, darum geht es zu Ostern nicht! Geht es darum, dass die Worte Jesu zum Thema Nächstenliebe auch nach 2000 Jahren genauso aktuell sind wie heute und darum seine Sache immer noch weiterlebt? Nein, auch darum geht es zu Ostern nicht! Geht es darum, dass wir Jesus in jedem Sonnenaufgang in der Natur, in jedem Frühlingserwachen der Natur entdecken können oder dass er uns in jedem Mitmenschen begegnet? Nein, auch darum geht es zu Ostern nicht! Geht es zu Ostern darum, dass wir als Menschen niemals die Hoffnung aufgeben sollten, auch wenn es noch so dunkel um uns herum wird? Nein, auch darum geht es zu Ostern nicht! Und um Osterhasen geht es natürlich in Wirklichkeit auch nicht – wer hätte das gedacht!

Ja, es ist erstaunlich, wie die Osterbotschaft von den Menschen, ja oft genug leider auch von Kirchenvertretern und Predigern bis zur Unkenntlichkeit verzerrt und verdeckt wird, wie Menschen aus dem revolutionärsten Ereignis der Weltgeschichte eine langweilige Alltagswahrheit machen, in der kaum noch etwas Christliches erkannt werden kann, wie sie immer wieder um den heißen Brei herumreden und sich schämen, das zu benennen, was Ostern zu Ostern macht, weil sie glauben, die biblische Osterverkündigung könne man den Menschen heute nicht mehr zumuten.

Doch St. Lukas macht uns in der Predigtlesung des heutigen Ostermontags sehr eindrücklich klar, dass der Glaube an den leibhaftig auferstandenen Christus auch damals vor 2000 Jahren nicht einfach klar und selbstverständlich war, sondern dass die Menschen auch damals schon, als Jesus auferstand, mit ihm und seiner Botschaft erst einmal gar nichts anfangen konnten. Ja, spannend ist es mitzuerleben, wie Jesus hier in unserer Predigtlesung seine eigenen Jünger mühsam Schritt für Schritt dahin führen muss, dass ihnen tatsächlich aufgeht, was Ostern wirklich bedeutet, worum es da in Wirklichkeit geht. Ja, hochaktuell sind von daher die Worte unserer heutigen Predigtlesung, weil die Jünger hier in dieser Geschichte sich nicht anders verhalten als die Menschen heute auch. Und das wollen wir uns nun noch einmal genauer anschauen, wollen mitverfolgen, wie Jesus Menschen, die zu seiner Auferstehung überhaupt keinen Zugang haben, dahin führt, dass sie an ihn, den auferstandenen Herrn, glauben:

Die Geschichte geht damit los, dass Jesus selbst mitten unter seine Jünger tritt und sie anspricht. Ja, so geht das mit dem Glauben immer los, dass Jesus selbst dem, den er zum Glauben ruft, persönlich begegnet. Wir glauben als Christen ja nicht an die Auferstehung Jesu, sondern wir glauben an den auferstandenen Christus. Glaube ist immer eine persönliche Beziehung, die durch die persönliche Begegnung mit Christus gewirkt wird. Er entsteht nicht dadurch, dass wir uns irgendwelche klugen religiösen Gedanken machen, dass wir uns über verschiedene Religionen informieren und dann die auswählen, die uns am meisten zusagt. Sondern immer ist es Christus selber, der in das Leben von Menschen hineintritt und es verändert, auch wenn die es erst einmal gar nicht erkennen und wahrnehmen.

Damals am Ostersonntagabend kam Jesus sogar sichtbar zu seinen Jüngern. Doch glauben wir ja nicht, dass dieser Anblick des auferstandenen Christus die Jünger nun gleich zum Glauben an ihn, den lebendigen Herrn, geführt hätte! Genau das Gegenteil ist richtig: Als Jesus seine Jünger mit dem Friedensgruß begrüßt, da erschrecken sich die Jünger nur gewaltig und fürchten sich, ja, mehr noch: Sie halten Jesus für einen Geist. Ja, das ist schon spannend, dass die Jünger eher geneigt sind, auf den wildesten Aberglauben hereinzufallen, als dass sie erkennen und ernst nehmen, dass ihnen da nun gerade Christus selber als der lebendige Herr begegnet.

Auch da hat sich in den letzten 2000 Jahren nichts geändert: Menschen sind eher dazu bereit, an irrsinnigste Zufälle zu glauben, als dass sie Gott als den Schöpfer und Herrn der Welt anerkennen würden. Menschen versuchen auch immer wieder, die Auferstehung Jesu in ihr kleines, beschränktes Weltbild hineinzupressen, auch wenn dies am Ende alles keinen Sinn ergibt. Aber auf die Idee, dass sich ihr Weltbild, ihr Horizont verändern müsste, kommen sie nicht. Menschen können herablassend auf die christliche Botschaft blicken und erklären, das sei ja alles unter ihrem intellektuellen Niveau. Aber allen möglichen esoterischen Schnickschnack finden sie dann wieder ganz interessant und fortschrittlich.

Die Jünger haben damals nicht deswegen an den auferstandenen Christus geglaubt, weil sie ihn gesehen haben. Sondern der Glaube an ihn entsteht erst da, wo er sie anspricht, wo er selber mit ihrem Unglauben ringt und ihn schließlich überwindet. Damals hat Christus seine Jünger tatsächlich mit Argumenten zu überzeugen versucht, die er selber vorbrachte. Sie sollten hinschauen, sollten ihn erkennen an seinen durchbohrten Händen und Füßen. „Fasst mich an“, sagt Jesus, ja, ich lasse mich nicht nur sehen, sondern auch berühren. Von einem Geist wird man das ja wohl nicht behaupten können.

Zum Glauben gehört auch das Tasten, das Berühren dazu, so zeigt es uns Jesus hier. Und auch das gilt eben bis heute: Jesus lässt sich auch heute noch berühren, mit unseren Lippen, wenn er mit seinem Leib zu uns kommt im Heiligen Mahl, mit demselben Leib, den seine Jünger damals am Ostersonntagabend anfassen durften. Jesus lässt sich auch heute noch berühren, mit unseren Lippen, wenn wir mit ihnen hier am Altar das Blut des Herrn empfangen, vergossen am Kreuz zur Vergebung unserer Sünden. Ja, gerade so will Christus unseren Glauben stärken und wachsen lassen, dass er uns diese Möglichkeit der Berührung, der leibhaftigen Erfahrung seiner Gegenwart immer und immer wieder schenkt.

Doch selbst das Sehen und Berühren des auferstandenen Christus reicht den Jüngern damals noch nicht, um tatsächlich an ihn, ihren auferstandenen Herrn, zu glauben. Ausdrücklich betont St. Lukas hier: Da sie es aber noch nicht glauben konnten vor Freude und sich verwunderten ... Ja, auf unserem Weg zum Glauben an Jesus Christus stehen wir mitunter in unserem Leben auf einer ganz schön langen Leitung, wissen doch eigentlich, wie gut und wichtig es wäre, an ihn, Christus, zu glauben, und tun uns doch so schwer damit, weil dieser Glaube dann eben doch immer wieder unserer Erfahrung zu widersprechen scheint. Damals griff Christus vor seinen Jüngern zu einer drastischen Maßnahme: Er bestellte sich bei ihnen ein Fischbrötchen und aß es vor ihren Augen. Noch handgreiflicher lässt es sich wohl kaum demonstrieren, dass er, Jesus, nicht nur irgendwie geistig auferstanden ist und weiterlebt, sondern dass er tatsächlich ganz, mit Leib und Seele, ins Leben der Auferstehung eingegangen ist.

Diese Möglichkeit der Demonstration der Auferstehung Jesu haben wir heute nicht mehr. Die Zeit, in der Jesus sichtbar bei seinen Jüngern war, sie ist vorbei. Aber wir haben noch das Zeugnis der Zeugen Jesu, derer, die es damals selber miterlebt haben, was St. Lukas hier schildert, derer, die selber noch erfahren haben, dass es die Wahrheit ist, dass Jesus tatsächlich leibhaftig auferstanden ist.

Und so sind wir an die Heilige Schrift verwiesen, wenn wir verstehen wollen, was damals an jenem Ostersonntag in Jerusalem geschehen ist. Und zwar verweist Christus seine Jünger damals und auch uns heute darauf, wie das Alte Testament zu lesen ist – das Neue gab es ja damals noch gar nicht zu seiner Zeit. Die drei Teile des Alten Testaments, die Christus selber hier benennt, sind alle Zeugnisse für Jesus Christus, können nur von daher richtig verstanden werden. Wenn ich das Alte Testament nicht so lese, wie Christus es zu tun mich anleitet, dann muss ich mich nicht wundern, wenn ich diese ganzen Geschichten nicht einordnen kann, wenn ich am Ende der Lektüre nur darüber staunen kann, weshalb die Christen denn angeblich die Asche von roten Kühen verstreuen sollen oder kein Schweinefleisch essen dürfen. Nein, was im Alten Testament geschrieben ist, das ist „von mir“ geschrieben, so betont es Christus hier ausdrücklich, leitet auch uns dazu an, immer wieder neu das Alte Testament als Christusbuch zu entdecken, das uns immer besser verstehen lernt, was er, Christus, selber im Neuen Testament gesagt und getan hat.

Christus ist es, der den Jüngern das Verständnis der Heiligen Schrift öffnet. Ohne Christus hätten sie auch vor dem Buch genauso gestanden wie vor ihm selber, hätten auch sie nichts mit dem Alten Testament anfangen können. Doch Christus selber befreit die, die zu ihm gehören, von ihrer geistlichen Blindheit, lässt sie das Alte Testament in einer Weise verstehen, wie sie es von sich aus niemals hätten tun können. Und in der Auslegung der Heiligen Schrift ruft er nun den Glauben hervor, bringt damit zum Ziel, wozu er den Jüngern doch nun zu Ostern nach seiner Auferstehung erschienen war.

Halten wir uns also an die Heilige Schrift, wenn wir an Jesus Christus glauben wollen! Prüfen wir alles, was wir über Christus und seine Auferstehung sagen, an eben dieser Heiligen Schrift, an den Augenzeugenberichten derer, die seine Auferstehung selber noch miterlebt haben. Dann werden wir davor bewahrt, Ostern zu einem besinnlichen Hasen- und Frühlingsfest zu degradieren und aus Jesus doch wieder nur einen beeindruckenden Lehrer und Propheten zu machen. Ja, halten wir uns an die Heilige Schrift! Christus spricht auch heute noch durch sie zu uns, wirkt auch heute durch diese Worte noch den Glauben an ihn. Ja, das Wort der Heiligen Schrift, das Wort Jesu selber hat die Kraft, Unglauben und Blockaden zu überwinden, hat die Kraft, Menschen immer wieder zu dem leibhaftig auferstandenen Christus zu führen, dass sie ihm begegnen im Heiligen Mahl. Ja, genau darum geht es bei Ostern: Dass auch wir dahin geführt werden, in das Osterzeugnis der Jünger Jesu und der Christen aller Zeiten fröhlich und bewusst mit einzustimmen: Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja! Amen.

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