St. Markus 8,31-38 | Estomihi | Pfr. Dr. Martens

Alle paar Wochen wird im ZDF das Polit-Barometer gezeigt. Darin wird dem Fernsehpublikum vorgeführt, welche Beliebtheitswerte die wichtigsten Politiker Deutschlands vorzuweisen haben. Wenn sie sich irgendwie positiv profilieren konnten, dann steigt ihr Wert an, wenn sie sich dagegen einen verbalen Fehlgriff geleistet haben oder sonst etwas gemacht haben, was den Menschen nicht gefällt, dann sinkt ihr Wert mitunter sehr deutlich ab.

Wenn es zur Zeit Jesu schon solch ein Polit-Barometer gegeben hätte, dann hätte man daran gut ablesen können, wie Jesus sich mit einer einzigen Rede, mit den paar Versen unserer heutigen Predigtlesung seine ganzen schönen Sympathiewerte, die er bis dahin besessen hatte, in Null Komma Nichts versaut hat. Da war er doch eigentlich so beliebt bei den Leuten. Und dann muss er hier ausgerechnet solche Sprüche heraushauen – das war werbetechnisch eine einzige Katastrophe. Der PR-Manager von Jesus namens Petrus versucht die Katastrophe noch zu verhindern, versucht noch, Jesus beiseite zu nehmen und ihn zum Schweigen zu bringen – doch vergeblich. Jesus redet immer noch weiter, redet sich, so möchte man meinen, hier um Kopf und Kragen. Wieso musste er denn über so unschöne Sachen reden wie über Leiden, Tod und Kreuz? Reichte es denn nicht, dass er ein paar schöne kuschelige Weisheiten von sich gab, öffentlich ein paar Kinder knuddelte und den Leuten einfach ein gutes Gefühl vermittelte? Damit hätte er es weit bringen können. Doch stattdessen kündigt er hier an, dass er verhaftet, verurteilt, getötet werden wird. Ja, mehr noch, er behauptet doch allen Ernstes, dass das Leben in seiner Gemeinschaft für diejenigen, die bei ihm bleiben, Selbstverleugnung bedeutet, dass dieses Leben in seiner Gemeinschaft dahin führen kann, dass man sein Leben hier auf Erden verliert, ja, er bringt hier sehr deutlich zum Ausdruck, dass er von denen, die zu ihm gehören, erwartet, dass sie sich ohne Wenn und Aber zu ihm bekennen, auch wenn dieses Bekenntnis für sie massive persönliche Nachteile mit sich bringt. Ja, wer will sich denn so etwas anhören, ja, mehr noch: Wer will sich denn so etwas zumuten?

Genau darum geht es auch heute noch, wenn wir diese Worte Jesu im Heiligen Evangelium des heutigen Sonntags hören. Sie taugen scheinbar nicht als Werberede für den christlichen Glauben, scheinen eher zu verärgern und abzustoßen. Wenn wir uns im Fernsehen irgendwelche Werbespots anschauen, dann vermitteln sie das Gefühl einer heilen Welt: Für Leiden und Tod, für Verzicht auf das, was das eigene Ego gerne haben möchte, ist darin gewiss kein Platz. Ja, wie groß ist die Gefahr auch für uns heute in der Kirche, diese Worte unseres Herrn schönzureden oder sie gar ganz zu verschweigen, uns stattdessen einen Jesus nach unseren eigenen Wünschen und Bedürfnissen zusammenzubasteln: Glaube an Jesus, und du fühlst dich gut, glaube an Jesus, und alle deine Probleme werden gelöst! Jesus als eine Art von religiösem Teddy, der sich knuddeln lässt, der für alles Verständnis hat, was man so tut, und einem für alles ein gutes Gefühl vermittelt.

Doch wenn wir solch einen netten, stromlinienförmigen Jesus verkündigen, einen Jesus, der uns genau das gibt, was wir gerne haben wollen, wenn Jesus als Kronzeuge für einen harmlosen Gott herhalten muss, der es mit seinen eigenen Geboten auch nicht so eng sieht, wenn wir ihn nur als eine Art von Yoga-Ersatz präsentieren, als Lehrer, der uns hilft, uns selber zu verwirklichen, dann müssen wir damit rechnen, dass er uns auch heute dieselben Worte an den Kopf wirft wie dem Petrus damals auch: Geh weg von mir, Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.

Ja, ganz offenbar kann der Teufel auch durch den Mund von Kirchenvertretern sprechen, wenn diesen es unangenehm und anstößig ist, vom Leiden und Sterben Jesu Christi zu sprechen, wenn diese lieber nur weichgespülte Allerweltswahrheiten von sich geben und peinlich berührt reagieren, wenn jemand zu deutlich davon sprechen sollte, dass Jesus der einzige Weg zu Gott ist.

Widerstehen wir also der Verlockung, uns einen eigenen Jesus nach unseren Wünschen zurechtzubasteln, hören wir auf das, was er, der wirkliche Jesus zu sagen hat: Ja, er erwartet von uns in der Tat Selbstverleugnung statt Streben nach Selbstverwirklichung; er erwartet von uns, dass wir uns und unsere Wünsche nicht an die erste Stelle setzen, sondern sie bewusst zurückstellen in der Nachfolge unseres Herrn. Ja, er erwartet von uns allen Ernstes, dass wir dazu bereit sind, um seines Namens willen Nachteile auf sich zu nehmen, erwartet von uns, dass wir dort, wo wir auf unsere Zugehörigkeit zu ihm angesprochen werden, nicht kneifen, nicht verschämt verstecken, dass wir Christen sind, sondern uns offen zu unserem Herrn und Retter bekennen.

Ja, das klingt beim ersten Hinhören nach einer einzigen Zumutung, lässt uns beim ersten Hinhören vielleicht danach fragen, ob es nicht einfachere, nettere religiöse Angebote gibt als jemanden, der so etwas von uns erwartet. Doch wenn wir ein wenig weiter nachdenken, dann stoßen wir auf eine ganz andere Frage: Was muss dieser Mensch, der uns solche Worte zumutet, zu bieten haben, dass er so etwas von uns erwarten kann? Eines ist jedenfalls klar: Dieser Mensch ist nicht von Polit-Barometern, nicht von Zustimmungswerten, nicht von irgendwelchen Wahlen abhängig. Er muss sein Fähnlein nicht nach dem Wind hängen, sondern kann offen aussprechen, was Sache ist. Und er kann in der Tat etwas bieten, was unendlich mehr ist, als was je sonst ein Mensch versprechen könnte, unendlich mehr, als was je in einem Werbespot angeboten werden könnte. Er bietet mehr als die ganze Welt, er bietet den Gewinn eines unzerstörbaren Lebens, er bietet die Auslösung, die Rettung unseres Lebens, das ansonsten bei allem Spaß, den wir hier haben, dem ewigen Tod verfallen wäre.

Ja, wenn Jesus so viel zu bieten hat, dann lohnt es sich in der Tat, in seiner Gemeinschaft zu leben, dann lohnt es sich in der Tat, ihm nachzufolgen, um seinetwillen auch Verzicht zu üben, Nachteile auf sich zu nehmen, ja gar das eigene Leben hinzugeben.

Eben haben wir hier in unserer Kirche wieder miterlebt, wie sechzehn Menschen sich öffentlich vom Islam losgesagt und sich zu Jesus als dem Sohn Gottes bekannt haben. Viele von ihnen haben bereits in ihrer Heimat genau das erkannt, was ich gerade geschildert habe, haben um dieses Jesus willen alles aufgegeben, was sie hatten, haben um dieses Jesus willen ihr bisheriges Leben verloren, weil sie erkannt hatten: Mit Jesus gewinnen wir unendlich mehr, als wir mit der Flucht aus unserer Heimat, mit der Preisgabe all unseres Besitzes verlieren. Und wenn sie sich nun eben haben taufen lassen, haben sie sich damit nun endgültig den Weg zurück in ihr altes Leben abgeschnitten, haben damit ihr eigenes Todesurteil in der Heimat unterzeichnet, haben sich ihres Glaubens an Jesus nicht geschämt, sondern sich ganz öffentlich zu ihrem Herrn bekannt.

Ja, eine Ermutigung sind diese neugetauften Christen für uns alle, die wir so leicht doch wieder in die Gefahr geraten, nur ein gemütliches Christentum praktizieren zu wollen, eine Ermutigung, unseren Weg mit Jesus konsequent weiterzugehen, auch wenn das hier in unserer Gemeinde ebenfalls mit Selbstverleugnung verbunden ist, mit dem Verzicht auf Gottesdienste in einem kleinen, gemütlichen Kreis, mit dem Verzicht darauf, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse in der Gemeinde vornean zu stellen.

Nein, wir müssen uns nicht selber den Himmel dadurch verdienen, dass wir Verzicht üben, dass wir vielleicht gar unser Leben opfern. Es ist und bleibt genau umgekehrt: Vor uns her geht Christus, der selber getan hat, was wir nie werden tun müssen und tun können, der sein Leben für uns am Kreuz in den Tod gegeben hat, um uns das ewige Leben zu schenken. Weil er alles für uns getan hat, wollen wir an ihm dranbleiben, wollen wir in seiner Gemeinschaft leben. Nein, Jesus zwingt uns dazu nicht. Er sagt es ganz offen: Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Gott geb’s, dass uns das Kreuz unseres Herrn in unserem Leben immer lieber und wichtiger wird, dass wir unser Leben lang immer wieder fröhlich sprechen, was auch unsere Täuflinge heute bei ihrer Taufe gesagt haben: Ja, ich will! Amen.

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