St. Matthäus 10, 16-22 | St. Stephanus | Pfr. Dr. Martens

Wenn unsere Gemeindeglieder und Taufbewerber ihre Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge haben und sich dabei als Christen zu erkennen geben, dann wird ihnen fast automatisch immer gleich eine Frage gestellt: Nennen Sie die wichtigsten kirchlichen Feiertage! Ob man daran tatsächlich erkennen kann, ob die betreffende Person sich ernsthaft dem christlichen Glauben zugewandt hat, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls spielen unsere Gemeindeglieder gerne dieses Spiel mit und erzählen natürlich davon, dass Weihnachten eines der wichtigsten Feste des Jahres ist, der Geburtstag unseres Herrn Jesus Christus. Doch was in den Anhörungen oft gar nicht wahrgenommen wird, ist, dass Weihnachten eben nicht bloß eine schöne romantische Geburtstagsfeier für ein Baby in einer Futterkrippe ist, sondern dass wir zu Weihnachten auch und gerade daran denken, dass die Zugehörigkeit zu diesem Baby viele Menschen das Leben kosten kann und tatsächlich kostet. Es ist kein Zufall, dass die Kirche den zweiten Weihnachtsfeiertag als Tag des Erzmärtyrers Stephanus feiert, dass das Rot seines Blutes an diesem Tag das weihnachtliche Weiß einfärbt.

Doch mit dieser Verbindung können so viele derer, die die Anhörungen durchführen, so gar nichts anfangen. Es ist für sie einfach nicht zu begreifen, weshalb ein Mensch auf diese Idee kommen könnte, sich um seines Glaubens willen tatsächlich verfolgen zu lassen. Warum gibt er seinen Glauben denn dann nicht gleich auf, wenn er Probleme deswegen bekommt? Ich ziehe meine Hand doch auch von der Herdplatte weg, wenn diese zu heiß werden sollte? Dann suche ich mir eben ein anderes, nicht so gefährliches Hobby, wenn ich mir wegen meines christlichen Glaubens sonst das ganze Leben versauen würde!

Auch Christus, unser Herr, geht im Heiligen Evangelium dieses Tages ganz selbstverständlich davon aus, dass Christen um ihres Glaubens willen Verfolgung erleiden müssen, und beschreibt das, was sie zu erwarten hat, hier ja sehr eindrücklich. Es ist noch nicht lange her, dass ich solche Beschreibungen der Verfolgung zwar erschütternd fand, dass sie für mich aber aus einer anderen Welt zu kommen schienen, zu der ich selber mit meinem Leben wenig Zugang hatte. Davon, dass deutsche Pastoren hier in diesem Land verfolgt werden, kann jedenfalls zurzeit wahrlich noch nicht die Rede sein. Und doch sind mir diese Worte unseres Herrn in den letzten Jahren natürlich immer näher gekommen. Ich muss an sie denken, wenn ich in diesen Wochen so viele Anhörungsprotokolle lese von Menschen, die um ihres Glaubens willen verhaftet und gefoltert wurden, die vom Geheimdienst verhört wurden, die von ihren eigenen Eltern mit dem Tode bedroht wurden und werden. Ich muss an unsere Gemeindeglieder und Taufbewerber denken, die in diesen Wochen ihre Anhörungen hatten und haben und die mir dann nicht selten berichten, wie sie ausgelacht und verspottet wurden, wenn sie über ihren Glauben geredet haben, wie in einem Tribunal fertiggemacht wurden und eigentlich überhaupt keine Möglichkeit hatten, einfach nur von dem zu sprechen, was sie als Christen bewegt und bestimmt. „Hütet euch vor den Menschen“, so sagt es Christus hier. Ja, genau so haben wir es in diesem Jahr immer und immer wieder erlebt, dass Menschen, von denen wir geglaubt und gehofft hatten, dass sie sich für die Sache der verfolgten Christen einsetzen könnten, uns in den Rücken gefallen sind, ihre Augen vor ihren Nöten verschlossen haben, weil andere Interessen für sie mehr Gewicht hatten. Das haben wir erlebt, dass Menschen, von denen wir gehofft hatten, dass sie ernsthaft an dem interessiert sein sollten, was euch als bedrängte Christen bewegt, euch ohne große Nachfrage abgeurteilt haben und euch am liebsten gar nicht mehr in diesem Land sehen würden. Menschen, die um ihres Glaubens willen mit dem Tod bedroht und doch von keinem geschützt werden, Menschen, die vom Staat in den Tod geschickt werden – ich hätte nicht gedacht, dass uns das Thema „Christenverfolgung“ hier in Deutschland einmal so direkt betreffen würde!

Doch die Frage bleibt: Warum tun sich Christen das an, warum tut ihr euch das an, warum haben so viele von euch um ihres Glaubens willen alles in ihrer Heimat aufgegeben, und warum haltet ihr auch jetzt noch am Glauben an Christus fest, obwohl euch das auch hier in unserem Land offenkundig nur Nachteile und keine Vorteile bringt?

Drei Hinweise gibt uns Christus hierzu im Heiligen Evangelium:

Zunächst einmal sagt er: „Ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe.“ Wenn Christen scheinbar völlig wehrlos ihren Feinden ausgeliefert sind, dann ist das nicht einfach nur Pech oder gar Dummheit. Sondern sie machen das, weil sie von Christus selber in diese Situation gesandt sind. Christen leiden um ihres Glaubens willen, weil sie an Christus gebunden sind, weil diese Bindung nicht etwas ist, über das sie frei verfügen könnten, sondern weil diese Bindung darauf beruht, dass Christus sie gerufen, bei ihrem Namen gerufen, in seine Gemeinschaft gerufen hat. Der christliche Glaube ist nicht bloß eine Idee, die ich auch wechseln kann, wenn sie mir nicht gefällt. Er ist und bleibt eine persönliche Beziehung, aus der ich nicht einfach aussteigen kann. Und es ist eine persönliche Beziehung zu jemand, der seinen Weg bis ans Kreuz und durch den Tod hindurch zur Auferstehung gegangen ist. Wenn ich mit dem verbunden bin, ist es naheliegend, dass sein Schicksal auch mein Schicksal wird. Aber es geht eben noch um mehr: Wenn Christus uns als Schafe unter die Wölfe sendet, dann heißt es ja: Wir haben als Christen einen Auftrag, gerade auch mit unserem Leiden Christus zu bezeugen. Es ist der Weg, auf dem Christus immer wieder seine Botschaft ausbreitet, so haben wir es im Laufe der Kirchengeschichte bis zum heutigen Tag immer wieder erlebt. Auch wenn das Unrecht und das Leiden, das ihr selber als Christen schon erfahren habt und bis jetzt erlebt, euch oft so sinnlos erscheinen – Christus sendet euch dazu. Ihr leidet, weil ihr von Christus berufen seid.

Ein zweiter Hinweis: Christus spricht davon, dass Christen gerade in ihrem Leiden, gerade da, wo sie sich für ihren Glauben verantworten müssen, mit dem Beistand des Heiligen Geistes rechnen können. Unser Glaube an Christus ist nicht das Ergebnis menschlicher Entscheidungen, auch wenn Menschen, auch Anhörer, sich das immer wieder so vorstellen mögen. Er ist Gabe und Wirkung des Heiligen Geistes. Der bindet uns, der hält uns fest, der lässt uns von Christus auch und gerade im Leiden nicht loskommen. Der lässt Menschen scheinbar so verrückte Dinge tun wie die, dass sie im Iran in Hauskirchen gehen, dass sie ihr Leben und ihre Freiheit für den Glauben an Christus riskieren. Der steht uns bei, wenn wir selber gar nicht mehr weiter wissen, wenn uns selber gar kein Wort mehr über die Lippen kommt. Ja, der nimmt uns sogar immer wieder die Sorge ab, auch die Sorge um die Zukunft unserer Gemeinde, weil wir gewiss sein dürfen: Er, der Heilige Geist, wird uns auch als Gemeinde leiten und führen, wie er es bei jedem von euch persönlich auch tut. Schwach und unsinnig mag für Außenstehende erscheinen, dass Christen für ihren Glauben auch Leiden, Schikanen und Tod auf sich nehmen. Doch Außenstehende wissen eben nichts von der Kraft des Geistes Gottes, die genug ist, die ausreicht, die uns trägt und festhält, auch und gerade da, wo wir nicht mehr weiterkönnen.

Und dann haben wir als Christen drittens noch eine wunderbare Verheißung unseres Herrn: Wer bis an das Ende beharrt, der wird selig. Ja, es geht in unserem christlichen Glauben nicht bloß um eine nette Freizeitbeschäftigung, die man ganz gut ausüben kann, wenn man sich ansonsten in seinem Asylbewerberheim oder in seiner Wohnung langweilen würde. Es geht um nicht weniger als darum, dass wir selig werden, dass wir gerettet werden, dass wir in den Himmel kommen. Das ist so schön und so wichtig, dass dahinter tatsächlich alles zurücksteht. Es geht darum, dass du selig wirst. Denke daran, wenn du dich entscheiden musst zwischen deinem bequemen Bett am Sonntagmorgen oder dem Aufstehen, um rechtzeitig bei Christus zu sein! Es geht darum, dass du selig wirst. Denke daran, wenn du dich entscheiden musst, was dir wichtiger ist: Geld oder Jesus. Denke daran, wenn dich andere wegen deines Glaubens blöde anmachen: Am Ende geht es nicht darum, was andere über dich denken und urteilen. Es zählt allein, was Christus über dich denkt, es zählt allein, dass du bei ihm geblieben bist. Wenn dir auch sonst alles genommen wird: Wenn du Christus hast, bist du reich. Ja, bleibe nur bei ihm, Christus. Wer bis an das Ende beharrt, wird selig, so betont es Christus. Es geht darum, bei ihm zu bleiben bis ans Ende, ganz gleich, wann dieses Ende auch sein mag.

Ja, eben darum geht es auch zu Weihnachten: nicht bloß um ein Fest der Familie, des Friedens und der Liebe. Es geht darum, dass wir selig werden sollen, dass wir gerettet werden sollen, eben durch dieses Kind in der Krippe. Und eben darum ging es eben auch bei der Taufe von Emily: Dass sie durch die Taufe gerettet und selig werden soll.

Verlieren wir dieses Ziel niemals aus dem Blick! Es lässt uns erkennen, was wirklich wichtig ist – jetzt zu Weihnachten und auch in unserem Leben überhaupt! Hauptsache, wir bleiben bei Jesus! Dann ist alles gut. Dann kann uns nichts schaden, keine Schikane und keine Verfolgung. Ja, dann kommen wir in den Himmel. Genau darum ist er, Jesus Christus, Mensch geworden, genau darum hat er in der Krippe gelegen – für dich, damit du selig wirst. Amen.

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