St. Matthäus 10, 26-33 | Gedenktag des Augsburger Bekenntnisses | Pfr. Dr. Martens

In den letzten Jahren habe ich wieder neu gelernt, was eigentlich „Bekenntnis“ heißt. Natürlich habe ich mich in meinem Theologiestudium intensiv mit dem Augsburger Bekenntnis befasst, habe erkannt, dass es richtig und biblisch ist und die Lehre der einen, heiligen, allumfassenden, apostolischen Kirche zum Ausdruck bringt. Darum habe ich mich bei meiner Ordination auch unter anderem auf dieses Augsburger Bekenntnis verpflichten lassen und vor Gott gelobt, es unverzüglich meinem Superintendent, Propst oder Bischof anzuzeigen, wenn ich an der Wahrheit dieses Bekenntnisses Zweifel bekommen sollte und mich in meiner Verkündigung daran nicht mehr orientieren wollte. Ja, das Augsburger Bekenntnis ist richtig, sagt die Wahrheit, davon war und bin ich überzeugt. Aber dabei hatte ich zugleich lange Zeit nur andere Kirchen im Blick, die sich nicht an diesem Bekenntnis orientieren, die etwas Anderes lehren und praktizieren, als es dieses Bekenntnis besagt. Ja, ich wusste und weiß: Wenn ich Ja sage zum Augsburger Bekenntnis, dann sage ich damit auch Ja zur Lutherischen Kirche, sage ich ganz konkret Ja zu der Kirche, in der dieses Bekenntnis nicht durch gegenteilige Bekenntnisse und Konkordien in Frage gestellt wird, sage ich damit konkret auch Ja zu unserer Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche. Ja, dazu stehe ich natürlich nach wie vor.

Aber in den letzten Jahren habe ich wieder neu gelernt, dass „Bekenntnis“ noch eine andere, eine noch existentiellere Dimension hat, als mir dies zunächst jedenfalls unmittelbar bewusst war.

Da habe ich hier in Steglitz nun mit Menschen zu tun, für die das Bekenntnis zu Jesus Christus tatsächlich unmittelbare Lebensgefahr bedeutet hat, die nicht bloß damit rechnen mussten, vielleicht ein bisschen schief oder mitleidig angeschaut zu werden, wenn sie sich zu Christus bekennen, sondern die damit rechnen mussten, dass sie dafür ins Gefängnis kommen konnten, ausgepeitscht werden konnten, gefoltert werden konnten, wenn sie sagten: Ja, ich glaube, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist. Was der Koran über Jesus Christus sagt, ist nicht richtig.

Ganz neu ist dieses Verständnis von Bekenntnis natürlich nicht. Wer sich den „Luther-Film“ vor einigen Jahren angeschaut hat, der konnte da sehen, wie sich beim Augsburger Reichstag 1530 die Fürsten bei der Übergabe des Augsburger Bekenntnisses vor den Kaiser hinknieten und ihm den Nacken entgegenstreckten und damit zum Ausdruck brachten: Du kannst uns dafür gerne den Kopf abschlagen – aber niemals werden wir von dem weichen, was in diesem Bekenntnis steht. Ob sich das historisch genauso zugetragen hat, wissen wir nicht genau. Aber es bringt doch sachlich genau zum Ausdruck, worum es auch schon damals den Bekennern von Augsburg ging: Es ging ihnen nicht um Rechthaberei, nicht um einen Kampf um theologische Spitzfindigkeiten, sondern um das Bekenntnis zu Jesus Christus selber, um den seligmachenden Glauben, dessen Inhalt in diesem Bekenntnis zusammengefasst ist.

Im Bekenntnis geht es um nicht weniger als um Leben und Tod – ja, das wissen so viele in unserer Mitte, die für dieses Bekenntnis zu Jesus Christus eine Überfahrt auf Schlauchbooten übers Meer auf sich genommen haben, Aufenthalte im Gefängnis und vieles mehr. Im Bekenntnis geht es um nicht weniger als um Leben und Tod – ja, genau das macht auch das Heilige Evangelium des heutigen Abends deutlich. Da will Christus seine Jünger und uns alle dazu ermutigen, an diesem Bekenntnis zu ihm auch öffentlich festzuhalten, es auch öffentlich auszusprechen und uns durch nichts und niemanden davon abhalten zu lassen, auch andere wissen zu lassen, dass wir zu ihm, Jesus Christus, gehören. Ganz aktuell ist das für unsere Schwestern und Brüder, die in Asylbewerberheimen wohnen, gerade jetzt in diesen Wochen des Ramadan, in denen so viele von ihnen von Muslimen bedroht und angegriffen werden, weil sie sich nicht am Fasten beteiligen, nicht am Namas, dem fünfmaligen täglichen Gebet, weil sie im Gegenteil zu erkennen geben, dass sie nun Christen sind oder werden wollen. Wie groß ist da die Gefahr, den christlichen Glauben zu verstecken, um diesen Konflikten aus dem Weg zu gehen! Aber aktuell sind diese Worte auch für diejenigen unter uns, die diese unmittelbaren Probleme nicht haben und sich doch mitunter schon durch viel kleinere Schwierigkeiten davon abhalten lassen, öffentlich dazu zu stehen, dass Jesus Christus ihr Herr und Heiland ist.

Zunächst einmal macht Christus hier deutlich: Er erwartet von denen, die zu ihm gehören, in der Tat, dass sie auch öffentlich zu dem stehen, was Christus ihnen gesagt hat: „Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird. Was ich euch sage in der Finsternis, das redet im Licht; und was euch gesagt wird in das Ohr, das predigt auf den Dächern.“ Gerade neulich las ich wieder ein Gerichtsurteil eines norwegischen Gerichts. Es erklärte, ein Asylbewerber aus dem Iran, der Christ geworden sei, könne doch ohne Probleme wieder in seine Heimat zurückkehren. Er solle eben den Mund halten und nicht nach außen hin deutlich machen, dass er Christ sei, dann würde ihm schon nichts passieren. Das Gericht verlangte also von dem Asylbewerber, als Christ den Worten seines Herrn direkt zu widersprechen. Dazu war er nicht bereit und floh nach Deutschland. Doch Deutschland sah keinen Anlass, dieser norwegischen Gerichtsentscheidung zu widersprechen. Auch in unserem Lande kann es also lebensgefährlich sein, am Bekenntnis zu Jesus Christus und zu seinen Worten festzuhalten, machen wir da uns nichts vor. Christenverfolgung gibt es, wenn auch zumeist juristisch geschickt getarnt, auch hier in unserem Land.

Doch auch wenn europäische Gerichte und Regierungen und das Mullah-Regime im Iran Seit an Seit meinen, Christen im Iran den Mund verbieten zu können, schaffen sie es einfach nicht. Die Verheißung unseres Herrn erfüllt sich auch heute immer wieder in Teheran und in Esfahan, in Ahvaz und in Rasht: Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird.

Die Furcht versucht Christus hier all denen zu nehmen, die zunächst einmal vor denen erschrecken mögen, die sie an diesem Bekenntnis zu hindern versuchen: Was sind denn schon politische Machthaber im Vergleich zu Gott selbst? Haben sie etwa irgendeinen Einfluss auf euer ewiges Geschick? Auch wenn muslimische Geistliche immer wieder behaupten mögen, wer vom Islam abfalle, der komme in die Hölle – sie irren, und sie sind auch nicht dazu in der Lage, durchzusetzen, was sie behaupten. Wenn einer Menschen in die Hölle bringen könnte, dann wäre es ja Gott selber – doch der sagt hier ganz klar: Fürchtet euch nicht! Eure Haare auf dem Haupt sind doch alle gezählt. Ich kenne euch ganz genau, ich weiß, wo ihr seid, ich weiß, wie es euch geht, ich kenne eure Ängste und Sorgen, wenn ihr erfahrt, dass eure Eltern in der Heimat schikaniert werden, weil ihr euch hier habt taufen lassen. Ich kenne eure Ängste, mit denen ihr abends ins Asylbewerberheim zurückkehrt. Ja, ich weiß auch, wie schwer ihr euch schon tut, euch als Christen zu erkennen zu geben, wenn dabei eigentlich gar nichts auf dem Spiel steht. Fürchtet euch nicht! Ihr seid in meinen Augen unendlich wertvoll, sagt Gott. Nichts geschieht in eurem Leben, ohne dass ich dabei wäre. Auch das Schreckliche und zunächst so Unbegreifliche geschieht nicht, ohne dass ich nicht dabei wäre, sagt Gott. Ich halte euch in meiner Hand, was auch geschehen mag. Ich führe euch auf allen Wegen, so schwer sie manchmal auch sein mögen.

Bleibt nur an mir, sagt Christus darum. Bekennt euch zu mir, auch wenn so vieles euch bedrängt. Ich werde mich auch zu euch bekennen, stärke euch den Rücken, werde am Ende im letzten Gericht für euch einstehen. Nein, es geht im Bekenntnis nicht bloß um Worte, die über unsere Lippen kommen. Unser Bekenntnis und das Bekenntnis, das Christus zu unseren Gunsten spricht, sie sind unmittelbar miteinander verbunden. Und niemals können wir uns dem Bekenntnis aus taktischen Gründen entziehen. Es geht doch um unsere Beziehung zu Christus, die wir nicht leugnen oder in Frage stellen können, ohne sie selbst damit zu bedrohen.

Mut machen zum Bekenntnis und trösten will Christus uns hier im Heiligen Evangelium, ganz besonders diejenigen, die selber sehr direkt erfahren, was für Konsequenzen das Bekenntnis zu ihm, Christus, für sie haben kann. Eines ist allerdings auch klar: Dieses Bekenntnis zu Jesus Christus ist nicht einfach nur eine Leerformel, sondern dieses Bekenntnis hat einen Inhalt. Wenn ich sage: Ich bekenne Jesus Christus, dann sage ich damit zugleich: Ich bekenne, dass er Gottes Sohn ist, dass er für meine Sünden am Kreuz gestorben ist, dass er auferstanden ist, dass er mir den Glauben geschenkt hat, dass er mich in der Taufe gerettet hat, dass er leibhaft gegenwärtig ist im Heiligen Mahl, dass er einmal wiederkommen wird. Das steckt alles drin in diesem Bekenntnis. Und darum ist genau dies auch formuliert im Augsburger Bekenntnis. Und eben darum hat auch dieses Augsburger Bekenntnis die Verheißung unseres Herrn: Wer mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater. Möge Christus selber uns immer wieder die Kraft schenken, dafür auch den Kopf hinzuhalten! Amen.

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