St. Matthäus 12, 38-42 | Reminiszere | Pfr. Dr. Martens

„So viel du brauchst ...“ – So lautet das Thema einer Broschüre, die von sieben evangelischen Landeskirchen herausgegeben wird und in der Anregungen zur Gestaltung der diesjährigen Fastenzeit gegeben werden. Da werden Anregungen dazu gegeben, anders zu kochen, anders unterwegs zu sein, weniger zu kaufen, weniger Energie zu verbrauchen und manches mehr, kurzum: So heißt es in der Einladung der Evangelischen Kirche Berlin- Brandenburg-Schlesische Oberlausitz: „Wir laden Sie ein, den Klimaschutz in den Mittelpunkt Ihrer Fastenzeit zu stellen.“ Nein, Schwestern und Brüder, das ist keine Karikatur, das steht tatsächlich so da.

Was in dieser Broschüre steht, ist alles nicht falsch, ist alles schön und lobenswert. Doch eines fällt auf: Der Name Jesus Christus wird in der ganzen Broschüre kein einziges Mal erwähnt. Das Heil der Welt, um das es doch in der Fastenzeit in ganz besonderer Weise geht, wird nicht in Christus festgemacht, sondern im Klimaschutz, in menschlichem Handeln, das am Ende der eigenen Selbstbestätigung, ja der eigenen Selbstrechtfertigung dient. Und entsprechend soll auch der Klimaschutz und nicht Jesus Christus im Mittelpunkt der Fastenzeit stehen.

Und damit, Schwestern und Brüder, sind wir nun tatsächlich schon mitten drin in der Predigtlesung dieses Sonntags: Da schildert uns St. Matthäus, wie das religiöse Establishment, Schriftgelehrte und Pharisäer, Jesus eine Frage stellen: „Meister, wir wollen ein Zeichen von dir sehen.“ Was für eine scheinbar doch so verständliche Frage: Wäre das nicht wunderbar, wenn wir so richtige Beweise in der Hand hätten, mit denen wir zeigen könnten, dass es sich lohnt, Christ zu sein, mit denen wir zeigen könnten, dass wir recht haben mit unserem Glauben? Wäre das nicht wunderbar, wenn wir den ganzen Muslimen im Heim mal so richtig demonstrieren könnten, warum sie auf dem falschen Weg sind, warum der christliche Glaube der richtige Weg ist?

Doch Jesus reagiert auf diese Frage nicht sehr erfreut. „Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht“ – so nennt er die, die solch ein Zeichen von ihm verlangen, Menschen, die unter dem Gericht Gottes stehen, weil sie sich von Gott getrennt, aus seiner Gemeinschaft ausgeklinkt haben. Warum reagiert Jesus hier so scharf, warum zeigt er für diese Frage kein Verständnis? Er tut dies, weil er weiß, dass die, die ihn so fragen, von vornherein gar nicht daran interessiert sind, an ihn, Jesus, zu glauben, sondern sich mit dieser Frage nur die entscheidende Frage vom Halse halten: Wie stehst du zu Jesus Christus, glaubst du, dass er mehr ist als ein Prophet, mehr als ein König – eben nicht weniger als Gott selbst?

Ob damals die Forderung eines Zeichens oder heute die Einladung, den Klimaschutz in den Mittelpunkt der Fastenzeit zu stellen – es geht jedes Mal um dasselbe: Menschen übersehen Jesus selber, blicken an ihm, an seiner Person vorbei auf das, was sie interessiert, ja, was sie in ihren eigenen Ansichten, in ihrer eigenen Lebensgestaltung bestätigt, weichen der Konfrontation mit dem Anspruch Jesu aus, weil das ja ihr wohlgeordnetes Koordinatensystem ganz und gar durcheinander bringen könnte.

Doch schauen wir eben nicht nur auf die anderen – schauen wir auf uns selbst: Stehen wir etwa auch in der Gefahr, an Christus vorbeizublicken wie die Schriftgelehrten und Pharisäer damals? Stehen auch wir in der Gefahr, unseren Glauben an etwas anderem festzumachen als an Christus allein? Wenn wir anderen Menschen von unserem Glauben erzählen, sie zum Glauben einladen – wovon erzählen wir dann? Erzählen wir von den netten Leuten in der Gemeinde, von dem, was hier alles bei uns geboten wird, laden wir vielleicht gar Menschen ein, weil wir glauben, wir könnten ihnen damit helfen, hier in Deutschland zu bleiben? Und woran machen wir fest, dass es sich lohnt, Christ zu sein? An der positiven Antwort im Asylverfahren, am persönlichen Wohlergehen, daran, dass die Aussagen der Bibel unseren Wünschen und Vorstellungen entsprechen?

Erschüttert ist Jesus hier darüber, dass diejenigen, die doch eigentlich am nächsten an ihm dran waren, die ganz direkt mit ihm zu tun hatten, einfach nicht wahrnehmen, wer er ist, die eigene Bestätigung suchen, statt in ihm, Jesus, ihr Heil und ihre Rettung zu erkennen. Menschen, die weit entfernt von Israel lebten, haben mehr verstanden als die, die es doch eigentlich als erste hätten wissen müssen.

Wie aktuell sind diese Worte Jesu auch heute noch: Da feiern wir in diesem Jahr das 500. Reformationsjubiläum in besonderer Weise hier in unserem Land, hier in dieser Gegend, in der Martin Luther vor 500 Jahren gelebt hat. Wir müssten es doch eigentlich als allererste wissen, worum es im Evangelium geht, auf das Martin Luther mit seinem ganzen Wirken immer wieder verwiesen hat. Doch statt von Christus, von Christus und noch einmal von Christus zu reden, verteilt man lieber Martin-Luther-Fruchtgummis und klärt die Leute über ökologisch korrektes Essverhalten auf. Was für eine Verirrung! Und da kommen dann Menschen von weit, weit her, über viele Tausend Kilometer hier in unser Land – und sie können uns etwas davon erzählen, was der zivilreligiösen Kirchlichkeit schon längst aus dem Blick geraten ist: Dass man sein Leben eben nicht für klimagerechtes Verhalten aufs Spiel setzt, sondern allein für ihn, Christus, der sein Leben für uns in den Tod gegeben hat, für ihn, der eben unendlich mehr ist als ein Prophet, unendlich mehr als ein politischer Führer, für ihn, in dem Gott selber Mensch geworden ist.

Ja, um nicht weniger als um Gottes Gericht geht es in der Frage nach den Zeichen, die man von Jesus fordert, um nicht weniger als um Gottes Gericht geht es auch heute, wenn die, die eigentlich Christus predigen sollten, von allem möglichen anderen reden, nur nicht von ihm, der hier in diesen Worten zu uns spricht. Wenn ich mein Heil, meine Rettung nicht in Christus allein suche, sondern in meinen guten Werken, in meinem anständigen und ökologisch korrekten Lebenswandel, dann habe ich am Ende keine Chance, in Gottes Gericht zu bestehen. Wenn ich von Christus nicht mehr erwarte, als dass er mir hilft, meine Alltagsprobleme zu lösen und mir einen Aufenthalt in Deutschland zu besorgen, dann habe ich am Ende keine Chance, in Gottes Gericht zu bestehen.

Vom Zeichen des Jona spricht Jesus hier in einem scheinbaren Rätselspruch. Das Zeichen des Jona ist das Zeichen, das Jesus denen gibt, die ein Zeichen von ihm verlangen: Jona war drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches – und so wird er, Jesus, selber, nun bald darauf im Herzen der Erde sein, bis er am dritten Tage wieder sichtbar ans Licht tritt. Das Zeichen des Jona – es ist der Tod Jesu, seine scheinbare Niederlage, seine scheinbare Abwesenheit. Doch wer in diesem Tod Jesu sein Heil, seine Rettung erkennt, der braucht am Ende auch Gottes Gericht nicht zu fürchten, der weiß, dass der Tod Jesu für uns, an unserer statt geschehen ist, der weiß, dass auch er einmal mit Christus durch das Dunkel des Todes in das Licht des neuen, ewigen Lebens treten wird.

Darum, Schwestern und Brüder, werden wir in unserer Kirche niemals etwas oder jemanden anders in den Mittelpunkt der Fastenzeit stellen als ihn, Christus, allein. Denn allein die Predigt von Christus hat die Kraft, Glauben zu wirken, der gewiss nicht dort entsteht, wo die Kirche einfach noch einmal wiederholt, was auch jedem ohne Glauben an Christus sofort einleuchten würde. Glauben wird allein dort gewirkt, wo wir vom Tod Jesu reden, von seinem Kreuz, diesem Zeichen, dem immer widersprochen werden wird und in dem wir doch unser Heil und unsere Rettung erkennen. Ja, diese Botschaft von dem Tod Jesu, sie wirkt, was auch das spektakulärste Zeichen nicht bewirken könnte: Sie wirkt das Vertrauen auf Christus, den Herrn, der allein uns rettet im Gericht.

Übersehen wir darum ja niemals Christus, wenn es darum geht, was in unserem Leben wirklich wichtig ist, verkündigen wir ihn, der so viel mehr ist als Mohammad, der nicht nur eine Botschaft gebracht hat, sondern für uns gestorben ist! Ja, lassen wir uns auch durch weite Wege nicht davon abzuhalten, zu dem zu kommen, der unendlich mehr ist als ein Prophet, unendlich mehr als auch der allergrößte politische Führer, unendlich mehr als jeder Sport- oder Showstar! Wir haben es doch so gut! Wir haben ihn doch in unserer Mitte, wieder ganz klein und verborgen wie Jona damals im Bauch des Fisches, nun wieder klein und verborgen in und unter den Gestalten von Brot und Wein! Schauen wir nicht bloß auf die Zeichen von Brot und Wein; schauen wir auf den, der sich in ihnen verbirgt, uns zugut! Hier ist er, hier kommt er dir so nahe – dein Herr und Retter! Amen.

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