St. Matthäus 16,13-19 | Pfingstmontag | Pfr. Dr. Martens

In der letzten Zeit haben wir uns schon daran gewöhnt, dass immer wieder neu Journalisten von verschiedenen Zeitungen, dass Hörfunkredakteure und Kamerateams von verschiedenen Fernsehsendern hier bei uns in der Kirche auftauchen. Heute ist nun also das ZDF dran. Ihr Interesse gilt immer wieder dem gleichen Geschehen: Dass sich hier bei uns in der Kirche ehemalige Muslime taufen lassen, dem Islam abschwören und sich zum Glauben an den dreieinigen Gott bekennen, so wie es heute nun auch wieder 15 Täuflinge hier an unserem Taufstein getan haben. Und die Frage, die dabei dann gestellt wird, ist immer wieder dieselbe: Warum machen die das, was sind ihre Motive, sich taufen zu lassen? Machen die das vielleicht einfach nur, um sich einen Vorteil im Asylverfahren zu verschaffen? Das ist doch sonst eigentlich gar nicht möglich, dass ehemalige Muslime dazu bereit sind, ihren Glauben zu wechseln!

Es ist verständlich, wenn Außenstehende versuchen, auf diesem Wege zu erklären, was doch eigentlich nicht erklärlich zu sein scheint. Doch mit solchen Erklärungsversuchen greift man am Ende eben doch viel zu kurz, so macht es uns das Heilige Evangelium dieses heutigen Festtags deutlich. Da stellt Jesus seinen Jüngern eine entscheidende Frage: Wer bin ich? Das ist in der Tat die eine entscheidende Frage, um die es in unserem christlichen Glauben geht, um die es auch heute Morgen hier bei den Taufen ging: Wer ist Jesus, als wen bekennen wir ihn?

Jesus spricht die Jünger zunächst einmal auf die Ergebnisse einer Meinungsumfrage zu diesem Thema an: „Wer sagen die Leute, dass der Menschensohn sei?“ Gemeint ist: Was sagen die Leute: Wer bin ich? Und die Ergebnisse der Meinungsumfrage fallen für Jesus nicht schlecht aus: Er wird als ein großer Prophet angesehen, in einer Reihe mit den größten Propheten des Volkes Israel überhaupt. Keine negativen Beliebtheitswerte sind bei ihm zu erkennen. Alle schätzen ihn, verehren ihn als einen großen Propheten. Von solchen Beliebtheitswerten können unsere heutigen Politiker nur träumen. Und doch gibt sich Jesus mit diesem Ergebnis nicht zufrieden. Entscheidend für ihn ist eben gerade nicht, was die anderen über ihn denken, wofür ihn eine Mehrheit hält. Entscheidend für ihn ist nur, ob es Menschen gibt, denen Gott dafür die Augen geöffnet hat, wer er, Jesus, denn in Wirklichkeit ist: eben nicht bloß ein Prophet, sondern der Sohn des lebendigen Gottes, so bezeugt es Petrus hier.

Was die Jünger Jesu hier als Ergebnis der Meinungsumfrage in ihrer Umgebung bekanntgeben, ist letztlich genau das Grundbekenntnis des Islam: Jesus ist einer der Propheten, ja, sogar ein ganz besonderer, aber eben auch nicht der letzte, nicht das Siegel der Propheten. Und mehr als ein Prophet ist er ganz sicher nicht, jedenfalls nicht der Sohn Gottes, denn Gott hat keinen Sohn, so bezeugt es der Koran, so erschallt es als Ruf des Muezzin von den Minaretten der Moscheen. Diejenigen, die sich heute hier haben taufen lassen, die können etwas davon erzählen, was es bedeutet, in einer Gesellschaft zu leben, in der die allermeisten Leute genau dieses Ergebnis der Meinungsumfrage von damals teilen, in der Menschen Jesus nur für einen Propheten halten und für mehr nicht. Ja, unsere Täuflinge können bezeugen, was es heißt, in solch einer Gesellschaft als eine Minderheit zu leben, die das nicht teilt, was die allermeisten für richtig halten. Und viele von euch können eben auch bezeugen, was es heißt, in einem Asylbewerberheim eine kleine, verschwindende Minderheit zu sein, umgeben von Menschen, die fest davon überzeugt sind, dass die Leute damals schon wussten, was die Wahrheit ist: Jesus ist einer der Propheten, mehr aber auch nicht.

Doch die, die sich heute haben taufen lassen, haben heute nun etwas ganz Anderes bekannt, als was damals die Leute dachten und was heute im Islam bekannt wird: Sie haben bekannt: Ja, ich glaube an Gott, den Vater Jesu Christi, der in der Taufe auch unser Vater wird. Gott hat einen Sohn, Jesus Christus, und an den glaube ich, ja, ich glaube daran, dass ich an ihn, Jesus Christus nur glauben kann durch den Heiligen Geist.

Wie kommt es, dass unsere Täuflinge dies heute bekannt haben, sich nicht an der Mehrheit, nicht an Meinungsumfragen orientiert haben? Die Antwort darauf ist genau dieselbe, die Jesus damals schon dem Petrus gegeben hat: Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Wo Menschen bekennen, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist, da haben sie sich dieses Bekenntnis nicht selber aus den Rippen geleiert, sondern dieses Bekenntnis ist immer wieder Gabe und Wirkung des Heiligen Geistes, ein Wunder, das nicht wir bewirken können, sondern das allein der lebendige Gott in Menschen zu bewirken vermag und tatsächlich immer wieder bewirkt.

Nein, das ist nicht logisch, wenn ein Mensch, der viele Jahre seines Lebens immer wieder gehört hat, dass Jesus nur ein Prophet ist, nun hier am Taufstein etwas anderes bekennt. Das liegt nicht daran, dass wir hier Menschen anlocken oder rumkriegen, dass Menschen hier aus Berechnung handeln. Immer wieder gilt: Selig bist du, Gott, der Vater im Himmel, hat dir die Augen geöffnet für die letzte wichtigste Realität deines Lebens, dass du in Jesus Christus Gott selber findest, die Brücke, die Himmel und Erde miteinander verbindet.

Wir feiern heute das Pfingstfest weiter an diesem Pfingstmontag. Mit Pfingsten wissen ja heute die meisten Menschen nicht mehr viel anzufangen, und auch in den Kirchen selber löst dieses Fest oftmals eine gewisse Verlegenheit aus: Was sollen wir denn eigentlich an diesem Tag feiern oder sagen? Ja, die beste Art und Weise, Pfingsten zu feiern, ist in der Tat: einen Taufgottesdienst zu feiern, einen Taufgottesdienst mit Menschen, von denen so manche sich vor einiger Zeit noch nicht im Traum hätten vorstellen können, dass sie eines Tages an diesem Taufstein stehen würden und bekennen würden: Ich glaube an Jesus Christus, Gottes Sohn, meinen Herrn. Immer wieder dürfen wir hier in unserer Mitte erfahren, dass der Heilige Geist nicht bloß eine blasse Idee ist, sondern in der Tat der Herr, der lebendig macht, der das Leben von Menschen völlig zu verändern vermag, ihnen eine Freude und einen Frieden schenkt, von dem sie zuvor nicht die geringste Ahnung gehabt hatten.

Und wem Gott der Heilige Geist die Augen dafür geöffnet hat, wer Jesus Christus ist: Nicht bloß ein Prophet, sondern wahrhaftig Gottes Sohn, der wird dann auch erkennen, dass es hier in der Kirche ganz anders zugeht als in den Religionen: Ein Prophet sagt den Menschen, was sie tun müssen, um in den Himmel zu kommen. Eine Religion zeigt den Menschen, was sie leisten müssen, was für Gesetze sie einhalten müssen, um in den Himmel zu kommen. Bei Christus ist es genau umgekehrt: Der vertraut dem Petrus, der vertraut den Aposteln die Schlüssel des Himmelreichs an, gibt ihnen die Vollmacht, Menschen mit der Vergebung der Sünden die Tür zum Himmel aufzuschließen. Nicht wir müssen etwas tun, um in den Himmel zu kommen, sondern Christus selber schließt uns durch den Dienst seiner Boten die Tür zum Himmel auf, schenkt uns die Gewissheit, dass uns am Ziel unseres Lebens nicht die Hölle, sondern der Himmel erwartet, nicht der ewige Tod, sondern das ewige Leben.

Ja, wer in der Kraft des Heiligen Geistes erkannt hat, dass Jesus Christus die Brücke zwischen Gott und den Menschen ist, dem eröffnet sich eine völlig andere Sicht auf Gott und auf sein Leben, der nimmt eine Wirklichkeit wahr, für die all diejenigen blind sind, die sich nur an dem orientieren, was Menschen so denken. Ja, es ist der Heilige Geist, der heute diese 15 Menschen an den Taufstein geführt hat. Sehen kann man den nicht – auch nicht mit noch so guter Kameratechnik. Und doch bringt er uns immer wieder zum Staunen – nicht nur über die anderen, sondern hoffentlich auch über uns selbst. Denn dass ihr als Getaufte heute Morgen hier nun auch in der Kirche sitzt, das Glaubensbekenntnis gesprochen habt und nun gleich vor dem lebendigen Christus auf die Knie sinken werdet hier am Altar – auch das ist ein Wunder des Heiligen Geistes. Ja, selig seid ihr, alle miteinander! Amen.

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