St. Matthäus 25, 1-13 | Ewigkeitssontag | Pfr. Dr. Martens

Gleich knallts – ja, vielleicht gleich hier, gleich neben mir! Das ist das Gefühl, mit dem Menschen in unserem Land in den letzten Tagen gelebt haben. Immer war die Angst irgendwo mit dabei: Es könnte ja jeden Augenblick passieren, jeden Augenblick könnte sich ein durchgeknallter Islamist neben mir in die Luft sprengen! Und diese Angst ist ja auch nicht völlig unbegründet. Allerdings bestand diese Gefährdungslage schon länger – und es wird vermutlich auch wieder eine Zeit kommen, in der die Gefährdungslage ähnlich kritisch ist wie heute und wir doch nicht mehr mit derselben Angst in eine U-Bahn steigen oder irgendwo anders in einer Menschenmenge stehen, weil wir diese Dauererwartung, dass im nächsten Augenblick etwas passieren könnte, gar nicht durchhalten können.

Und damit, Schwestern und Brüder, sind wir nun schon mitten drin im Heiligen Evangelium des heutigen Ewigkeitssonntags. Nein, hier geht es nicht um finstere Gestalten mit Sprengstoffgürteln, nicht um Terroranschläge, sondern ganz im Gegenteil um ein ganz großes Fest, um ein Hochzeitsfest. Aber auch in der Erwartung dieses Hochzeitsfestes beschreibt Christus hier in diesem Gleichnis nun dasselbe Phänomen, das wir auch jetzt gerade angesichts der Terroranschläge kennen: Die Menschen in diesem Gleichnis können ihre Erwartungshaltung nicht immer auf demselben hohen Niveau halten; sie sinkt im Laufe der Zeit. Und was er uns damit sagen will, das wollen wir uns nun noch einmal genauer anschauen.

Hochzeitsfeiern liefen damals in Israel etwas anderes ab als bei uns heute: Da versammelte sich nicht die ganze Hochzeitsgesellschaft zu einer bestimmten Uhrzeit in der Kirche und erlebte mit, wie Braut und Bräutigam nach dem Ende des Glockenläutens in die Kirche einzogen. Sondern da baute der Bräutigam erst einmal für sich und seine künftige Frau ein Haus. Und wenn das Haus dann fertig war, dann wurde eine große Feier in dem neuen Haus vorbereitet. Doch bevor diese Feier losgehen konnte, musste der Bräutigam dann schließlich erst einmal zu dem Haus gehen, in dem seine Verlobte bis zu diesem Zeitpunkt noch bei ihren Eltern wohnte. Und dann gingen die Verhandlungen los: Es war damals üblich, dass der Bräutigam anlässlich der Hochzeit der engsten Verwandtschaft seiner Braut großzügige Geschenke zu machen hatte – schließlich ging ja die Arbeitskraft seiner Verlobten der Familie nun verloren. Und da konnte es durchaus sein, dass man sich so schnell auf den Wert der Geschenke nicht einigen konnte, dass sich die Verhandlungen darum länger hinzogen. Währenddessen warteten draußen schon die Brautjungfern. Ihre Aufgabe war es, Braut und Bräutigam auf ihrem Weg vom Haus der Braut zur Hochzeitsfeier im Haus des Bräutigams zu geleiten. Dass die Verhandlungen etwas länger dauern könnten, darauf waren alle zehn Brautjungfern, die draußen warteten, schon vorbereitet: Alle hatten sie sich Fackeln mitgenommen, um den feierlichen Zug in das Haus des Bräutigams auch in der Dunkelheit noch geleiten zu können. Doch nun zeigt sich ein Unterschied bei den zehn Brautjungfern, die da draußen warten: Fünf von ihnen nehmen zusätzliches Öl mit, um damit ihre Fackeln auch brennen lassen zu können. Die anderen waren auf diese – eigentlich so naheliegende – Idee nicht gekommen. Die Verhandlungen ziehen sich in der Tat lange hin – bis in den späten Abend hinein. Am Ende schlafen alle zehn Brautjungfern ein. Doch dann ist es endlich soweit: Der Bräutigam verlässt mit seiner Braut das Haus der Brauteltern und macht sich auf den Weg zur Hochzeitsfeier. Nun ist die Stunde der Brautjungfern gekommen. Doch, o Schreck, jetzt stellen die einen fünf von ihnen fest, dass sie ja gar nichts haben, womit sie ihre Fackeln brennen lassen könnten. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als loszulaufen und zu versuchen, schnell noch irgendwo Öl zu kaufen. Doch damit kommen sie natürlich zu spät. Als sie schließlich ihre Fackeln angezündet haben, ist der Zug des Bräutigams längst am Ziel angekommen; das Fest hat längst begonnen. Und sie, die fünf, die nicht vorbereitet waren, stehen draußen vor der Tür – kommen nicht mehr hinein zu dem Fest. Ach, wenn sie doch nur früher vorbereitet gewesen wären! Jetzt sind sie zu spät!

Schwestern und Brüder: Christus will uns hier natürlich keinen allgemeinen Vortrag über die Pünktlichkeit halten, auch wenn ein solcher Vortrag für viele unserer Gemeindeglieder und Gottesdienstteilnehmer zweifelsohne sehr hilfreich wäre. Es geht ihm natürlich um sehr viel mehr. Es geht ihm um nicht weniger als um die Bestimmung und das Ziel unseres Lebens. Das Ziel unseres Lebens besteht nicht darin, dass wir uns, sofern wir männlichen Geschlechts sind, für immer mit 72 Jungfrauen vergnügen dürfen. Sondern Jesus mutet es den männlichen Gliedern der christlichen Gemeinde zu, dass auch sie sich mit Frauen identifizieren, mit Frauen, die auf dem Weg sind zu einem großen Hochzeitsfest. Ja, das ist das Ziel unseres Lebens: Für immer mit Christus zu feiern, in seiner Gegenwart zu leben und ein Fest zu feiern, das niemals mehr aufhören wird.

Es ist gut und wichtig, dass wir uns diese wunderbare Botschaft gerade heute an diesem Tag wieder neu in unser Herz prägen lassen. Da gibt es so manche unter uns, die gerade an diesem Tag besonders an einen geliebten Menschen denken, der in diesem vergangenen Jahr oder den Jahren zuvor verstorben ist, nicht mehr hier unter uns ist. Nein, so macht es uns Christus hier deutlich: Am Ende unseres Lebens steht nicht einfach das Dunkel des Todes, steht nicht einfach das Grab oder das Nichts. Am Ende unseres Lebens steht ein ganz großes Fest, das nie mehr aufhören wird, ein Fest, bei dem Gott einmal alle Tränen von unseren Augen abwischen wird, ein Fest, das nicht bedroht sein wird von den Bomben irrsinniger Terroristen, ein Fest, bei dem einmal alle Angst und Furcht endgültig von uns abfallen wird. Ja, am Ende unseres Lebens steht ein Fest, bei dem wir den einmal mit eigenen Augen sehen werden, der doch jetzt schon der Inhalt unseres Lebens ist: Er, unser Herr und Gott Jesus Christus.

Aber vor diesem Fest steht eben noch etwas ganz Entscheidendes: Die sichtbare Begegnung mit ihm, dem kommenden Herrn, die Begegnung, in der sich entscheiden wird, ob wir auf das Treffen mit ihm vorbereitet waren, ja mehr noch: ob wir bei diesem Fest mit dabei sein werden oder nicht. Sehr deutlich macht uns Christus hier, dass die Teilnahme an dem großen Fest kein Automatismus ist, dass nicht jeder Mensch von selbst am Ende seines Lebens an der Tafel bei diesem großen Fest landet. Im Gegenteil: Hier und jetzt in unserem Leben entscheidet sich, ob auch wir bei Christus an seinem Tisch werden Platz nehmen dürfen oder nicht.

Dabei kann die Begegnung mit Christus durchaus auf unterschiedliche Weise erfolgen: Ja, wir wissen, dass er, Christus, jeden  Tag, jawohl: wirklich jeden Tag wiederkommen kann. Es gibt keinen Tag in unserem Leben, an dem wir gewiss sein könnten: Heute kommt Christus noch nicht. Heute habe ich noch Zeit. Ja, ganz deutlich macht es Christus, dass er gerade dann sichtbar wiederkommen wird, wenn die allermeisten Menschen es nicht erwarten werden, mit allem möglichen anderen beschäftigt sein werden, nur nicht damit, sich auf sein Kommen auszurichten. Wer nur den großen Knall eines Terroristen erwartet, der erwartet eben viel zu wenig, der übersieht ein Ereignis, das unendlich größer und unendlich folgenschwerer ist als jeder Terroranschlag – und doch zugleich auch unendlich schöner für die, die auf ihn, Christus, gewartet haben.

Aber es mag natürlich auch geschehen, dass wir Christus in der Stunde unseres Todes begegnen, dass in dieser Stunde die Entscheidung fällt, ob wir unser Leben auf ihn ausgerichtet hatten oder nicht. Und wann diese Stunde kommt, wissen wir eben auch so wenig, wie wir um die Stunde der Wiederkunft des Herrn wissen. Es ist ja in der Tat nicht auszuschließen, dass auch wir eines Tages Opfer des islamistischen Terrors werden, dass diese Mörderbanden noch viel mehr Menschen in den Tod reißen, als sie es bisher schon getan haben. Und es kann ebenso sein, dass unsere letzte Stunde hier auf Erden noch einmal unter ganz anderen Umständen erfolgen wird, als wir uns das jetzt im Augenblick gerade vorstellen können.

Wichtig ist nur eins: Dass wir vorbereitet sind auf diese Begegnung, so zeigt es uns Christus. Ganz nüchtern stellt er fest, dass alle zehn Brautjungfern in der Geschichte einschlafen. Es ist auch uns nicht möglich, in jeder Minute unseres Lebens daran zu denken, dass Christus ja jeden Augenblick wiederkommen könnte oder dass wir schon in der nächsten Minute unseres Lebens tot sein könnten. In dieser Daueranspannung können wir nicht leben. Und doch ist es entscheidend wichtig, dass wir diesen Zielpunkt unseres Lebens niemals aus dem Auge verlieren, dass wir niemals auf die irrsinnige Idee kommen zu meinen: Jetzt habe ich keine Zeit für Christus, jetzt habe ich erst einmal so viel anderes zu tun. Später, irgendwann später kann ich mich ja immer noch mit ihm beschäftigen, kann ich mein Leben auf ihn ausrichten. Du weißt nicht, was dir noch an „später“ bleibt. Du weißt nicht Tag noch Stunde, so schärft es dir Christus ein. Sei doch bloß nicht so kurzsichtig wie die fünf Brautjungfern in der Geschichte, die für ihre Fackeln kein Öl mitnahmen, die überhaupt nicht darüber nachdachten, was denn nun weiter an diesem Abend noch geschehen könnte!

Bereite dich vor auf die Begegnung mit deinem Herrn! Begegne ihm darum schon jetzt immer wieder in seinem Heiligen Mahl! Es ist derselbe Herr, dessen Leib und Blut du auch heute wieder hier empfängst und dem du dann einmal sichtbar gegenübertreten wirst! Fülle deinen Glauben immer wieder hier auf, lade ihn auf, richte dein Leben immer wieder aus auf ihn, deinen Herrn! Warte ja nicht damit, schiebe es nicht auf die lange Bank!

Und wenn die Begegnung mit Christus, deinem Herrn, ganz fest zu deinem Leben dazugehört, wenn du hier und jetzt schon mit ihm eins wirst, dann kannst du dich auch ganz beruhigt schlafen legen, dann kannst du trotz aller Schreckensmeldungen, die uns in diesen Tagen erreichen, ganz getrost nach vorne blicken. Am Ende wird nicht der Hass siegen, ja, am Ende wirst du nicht den schrecklichen Ruf hören müssen: „Allahu akbar!“ Am Ende wirst du einen ganz anderen Ruf hören dürfen: „Siehe, der Bräutigam kommt!“ Amen, ja, komm, Herr Jesu! Amen.

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