St. Matthäus 6, 24-34 | 15. Sonntag nach Trinitatis | Pfr. Dr. Martens

Diese Worte unseres Herrn Jesus Christus können wir alle miteinander so gut gebrauchen! Um das Sorgen geht es hier im Heiligen Evangelium – und was Sorgen heißt, das wissen wir alle miteinander nur allzu gut.

Da sitzen hier in unserer Kirche heute Morgen Menschen, die schon ihren gelben Brief bekommen haben. Aus Deutschland sollen sie abgeschoben werden. Während syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aus Ungarn aufgenommen werden, sollen Christen aus dem Iran und Afghanistan wieder nach Ungarn zurückgeschickt werden, nein, nicht bloß in eines der völlig überfüllten Auffanglager, sondern erst einmal für sechs Monate ins Gefängnis. Kein Wunder, dass diese Brüder in unserer Mitte Sorgen haben. Da sitzen hier in unserer Kirche heute Morgen Menschen, die sich große Sorgen darüber machen, wie es mit ihrem Asylverfahren weitergehen wird. Jahrelang warten sie nun schon auf eine Entscheidung, wissen nicht, ob sie hier nun bleiben können oder nicht. Da sitzen hier in unserer Kirche heute Morgen Menschen, die sich große Sorgen um ihre Familien machen, was mit ihnen geschehen wird, wenn man im Iran oder Afghanistan erfährt, dass sie, die Söhne oder Töchter, hier in Deutschland Christen geworden sind. Da sitzen hier in unserer Kirche heute Morgen Menschen, die sich große Sorgen um ihre Eltern machen, weil die schwer krank sind und weil es keine Möglichkeit für sie gibt, die Eltern nun zu besuchen. Da sitzen hier in unserer Kirche heute Morgen Menschen, die sich Sorgen machen um ihre eigene Gesundheit, die immer schlechter wird. Was wird sein, wenn ich nicht mehr für mich selber sorgen kann, was soll dann aus mir werden? Da sitzen hier in unserer Kirche heute Morgen Menschen, die sich Sorgen machen um ihre Kinder, die nichts von Christus wissen wollen. Und da stehe ich heute Morgen nun hier in der Kirche auf der Kanzel und gestehe, dass mich Sorgen auch immer wieder umtreiben, große Sorgen um unsere Gemeinde: Wie soll ich diesen Zustrom in unsere Gemeinde auf die Dauer noch bewältigen? Wie soll das mit dem Zusammenleben hier in der Gemeinde auf die Dauer gut gehen, wenn so unterschiedliche Menschen hier zusammenkommen, wenn dazu auch noch manche gerne hinter dem Rücken anderer schlecht über sie reden und böse Gerüchte in die Welt setzen? Wie soll ich verhindern, dass Menschen, die hier in die Gemeinde gekommen sind, später wieder allmählich den Kontakt zu Christus und seiner Gemeinde verlieren? Und wo sollen wir eigentlich das ganze Geld für die Gemeindearbeit auf die Dauer hernehmen? Ja, wie sollen wir überhaupt erst einmal die ganze Umbauphase hier in der Gemeinde überstehen? Und natürlich bewegen mich eure Sorgen auch noch mit dazu, verfolgen mich bis in den Schlaf. Ja, auch ich selber kann sie so gut gebrauchen, die Worte unseres Herrn Jesus Christus hier im Heiligen Evangelium.

„Darum sollt ihr nicht sorgen“, sagt Jesus hier. Das klingt erst einmal wie ein Befehl. Ist aber gar keiner. Sondern es ist ein Zuspruch, ein Trost. Denn was Jesus hier sagt, entfaltet er gleich in dreifacher Weise:

Zunächst einmal sagt er: Sorgen bringt überhaupt nichts. Durch Sorgen macht ihr nichts, aber auch gar nichts in eurem Leben besser. Nein, Jesus sagt nicht: Wenn ihr nur richtig an mich glaubt, dann habt ihr keine Probleme mehr, dann erübrigt sich das mit dem Sorgen. Sagt er nicht. Die Probleme sind da. Die gelben Briefe vom Bundesamt verschwinden nicht dadurch, dass man getauft wird, die Schmerzen und die Schwäche werden durch einen starken Glauben nicht weniger. Doch all dies wird eben auch nicht weniger, verschwindet erst recht nicht dadurch, dass wir uns besonders viele Sorgen um die Zukunft machen, dass wir uns ausmalen, was alles sein und passieren könnte. „Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt?“ – So fragt Jesus ganz nüchtern. Nein, Sorgen bringt gar nichts, überhaupt nichts. Wir bekommen dadurch unsere Zukunft nicht in die Hand, verbessern sie nicht durch unser Sorgen – eher im Gegenteil. Einen verblüffend einfachen Rat gibt uns Jesus darum hier: „Sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen.“ Jesus lehrt uns, ganz konsequent das Vaterunser zu leben, jeden Tag neu um das zu bitten, was wir brauchen, und jeden Tag neu Gott dafür zu danken, dass er uns jetzt an diesem Tag wieder gegeben hat, was nötig war.

Schwestern und Brüder: Ich bin eigentlich ein Mensch, der gerne alles möglichst lange schon im Voraus plant und festmacht. Doch zu den Dingen, die ich hier in Steglitz in der Gemeindearbeit ganz neu gelernt habe, gehört eben dies, nicht für den morgigen Tag zu sorgen, jeden Tag zu bitten und zu danken – und alles Weitere, was einen an Sorgen überkommen mag, wirklich ihm, dem Vater im Himmel zu überlassen.

Und damit sind wir beim Zweiten, was Jesus uns hier deutlich macht: Ihr braucht euch nicht zu sorgen – denn euer himmlischer Vater weiß, was ihr braucht. Er sorgt für euch viel besser, als ihr es mit all eurem Sorgen jemals hinbekommen würdet.

Von den Vögeln unter dem Himmel spricht Christus hier, für die der Vater im Himmel sorgt. Und dann sagt Jesus einen wunderbaren Satz: „Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?“ Ja, das seid ihr. Ihr seid nicht einfach nur Zufallsprodukte, ihr seid schon von Mutterleib an Ebenbilder Gottes, sein Gegenüber, unendlich wertvoll in seinen Augen. Und in der Heiligen Taufe seid ihr dann sogar noch mehr geworden: Königskinder, Kinder eures Vaters im Himmel, zugehörig zur Familie Gottes. Jawohl, Gott ist dein Vater. Das bedeutet etwas; das bedeutet unendlich viel. Das bedeutet, dass du ihm niemals gleichgültig sein wirst, dass er dich niemals im Stich lassen wird. Es bedeutet nicht, dass dich dein Vater in deinem Leben nicht manchmal auch auf schweren Wegen führen wird. Und doch weiß er stets, was du brauchst, wird es dir geben, ganz gleich, ob du dich sorgst oder nicht.

Gib all deine Sorgen darum immer wieder bei deinem Vater im Himmel ab, nenne sie ihm im Gebet – und dann deponiere sie auch ganz und gar bei ihm, hole sie dir nicht anschließend wieder zurück! Gott weiß ohnehin, was du brauchst. Aber er möchte gerne, dass du es ihm auch noch einmal sagst, hört dir dabei immer aufmerksam zu. Wie gut, dass wir in unserem Sorgen nicht immer um uns selber kreisen müssen; wie gut, dass wir in unserem Sorgen ein Gegenüber haben – einen liebenden Vater, der uns sagt: Ich sorge für dich!

Und damit können wir uns nun drittens auf etwas Anderes konzentrieren statt nur auf das Sorgen: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit“, sagt Christus. Ach, wenn unsere Gedanken doch nur halb so oft darum kreisen würden, wie wir in den Himmel kommen, als um all die anderen Sorgen, die wir uns in unserem Leben machen! Ach, wenn uns das doch in unserem Leben immer so klar bliebe, was denn nun eigentlich das Ziel unseres Lebens ist, auf das wir zugehen: nicht der Aufenthalt in Deutschland, nicht der Beruf, nicht das Geld, nicht die Rente, sondern das ewige Leben in der Gemeinschaft mit Christus. Alles andere in unserem Leben wird irgendwann wegfallen, alles andere wird irgendwann nicht mehr wichtig sein. Aber wenn wir sonst alles im Leben haben und am Ende doch das Reich Gottes verpassen, dann haben wir alles, ja wirklich alles verloren.

Übe es darum Tag für Tag, jawohl Tag für Tag ein, deine Gedanken immer wieder neu auf dieses eine Ziel deines Lebens auszurichten! Dann werden auch all die Sorgen und Probleme, die du sonst in deinem Leben hast, noch einmal in einem anderen Lichte erscheinen. Frage dich bei allem, was dir begegnet: Wie kann das mir und anderen helfen, den Weg zum Ziel, den Weg zum Reich Gottes zu gehen? Ich bin gewiss: Du wirst staunen, wie manches Problem noch einmal anders aussieht, wenn du so fragst!

Nein, du brauchst doch keine Angst zu haben, musst dir doch nicht Sorgen machen, ob du tatsächlich in den Himmel kommst. Christus hat es dir versprochen, und er verspricht es dir jetzt gleich wieder, wenn du seinen Leib und sein Blut im Heiligen Mahl empfängst. Da nimmt er dir die wichtigste und größte Sorge deines Lebens ab. Und alles andere wird dir dann auch zufallen. Ja, auch das hat Christus dir versprochen. Amen.

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