Amos 5,4-7.10-15 | Mittwoch nach dem 13. Sonntag nach Trinitatis | Pfr. Dr. Martens

„Ich will, dass ihr in Panik geratet“ – Das ist eines der zentralen Mottos der Klimaaktivistin Greta Thunberg, die zurzeit mit eher begrenztem Erfolg durch die USA fährt. Hier in Deutschland kommt der Wunsch danach, dass die Menschen in Panik geraten, offenkundig sehr viel besser an, so werden wir es am kommenden Freitag auch wieder bei zahlreichen Demonstrationen in unserem Land vernehmen. Dass sich Menschen das Entstehen einer Panik wünschen und allen Ernstes glauben, mithilfe von Panik diese Welt retten zu können, zeugt schon von reichlicher geistiger Beschränktheit, denn, so lesen wir es schon bei Wikipedia: „In einer Paniksituation verliert der Akteur die Selbstbeherrschung und damit die Beherrschung einer Situation, was bei einer akuten realen Gefährdung höchst bedrohlich werden kann.“

In der Predigtlesung des heutigen Abends beschreibt der Prophet Amos eine Situation, die damals für das Volk Israel noch sehr viel bedrohlicher war als die angekündigte Klimakatastrophe für uns heutzutage. Er kündigt an, dass das Land bald schon von den Assyrern erobert wird, dass die Israeliten deportiert werden und von ihrem Land, von ihren Gebäuden nichts mehr übrigbleiben wird. Nein, Amos betreibt hier keine Panikmache. Er kündigt einfach nur an, was feststeht und sich nun nicht mehr ändern lässt. Ob nun mit oder ohne Panik: Das Gericht Gottes wird kommen, und diejenigen, die seine Botschaft hören, sollen einfach nur wissen, dass Gott es ihnen durch seinen Propheten schon vorher gesagt hatte. Retten können sie jetzt nichts mehr. Und Amos macht auch sehr deutlich, warum dies Gericht über sein Volk kommen wird: Er stützt sich nicht auf irgendwelche Prognosen oder Berechnungen, die man so oder vielleicht auch anders auslegen kann, er stützt sich erst recht nicht auf sein Bauchgefühl, sondern er nennt klar die Kriterien, warum Gottes Gericht unausweichlich ist: Es ist der Umgang mit den Armen und die Beugung des Rechts, die dort in Israel geschehen und zum Himmel schreien: Nein, Gott sieht nicht für immer zu, wenn Arme unterdrückt werden, wenn Reiche auf Kosten der Armen selber immer reicher werden. Gott sieht nicht für immer zu, wenn seine Rechtsordnung, die die Schwachen schützen soll, mit Füßen getreten wird, wenn Gerichtsurteile interessengeleitet sind und diejenigen bedrängt werden, die es noch wagen, gegen dieses Unrecht ihre Stimme zu erheben. Irgendwann ist Schluss, irgendwann kommt das Gericht – und zwar nicht in ferner Zukunft, sondern so nahe, dass es die Zuhörer seiner Worte sehr direkt selber betrifft. Retten lässt sich nichts mehr, auch nicht dadurch, dass man jetzt mit einem Mal fromm wird und eifrig an den Gottesdiensten teilnimmt. Das rettet gar nichts mehr, erst recht nicht, wenn die Teilnahme am Gottesdienst nur ein Feigenblatt ist für den unveränderten Umgang mit den Armen, für die unveränderte Unterdrückung des Rechts.  Es bleibt nur die Anerkennung dessen, dass Gott mit seinem Gericht Recht hat. Und es bleibt die Hoffnung, dass nach diesem Gericht doch ein Rest übrigbleiben wird, der verstehen wird, wie wichtig es ist, sich Gottes Geboten wieder neu zuzuwenden, das Gute zu suchen: das Recht, den Beistand für die Armen und Schwachen. Doch jetzt ist böse Zeit, nun weiß auch Amos, dass seine Worte das Unheil, das über sein Volk kommt, nicht mehr werden abwenden können. Und genauso ist es dann ja auch gekommen: Wenige Jahre später marschierten die Assyrer im Nordreich Israel ein und verschleppten die Bevölkerung, die zehn Stämme des Volkes Israel, von denen man nie mehr etwas gehört hat. Gottes Gericht, das er ankündigte, traf tatsächlich ein.

Was sagen uns diese Worte des Propheten Amos heute? Nein, wir können sie nicht einfach auf unsere Situation heute übertragen und aus der Eroberung des Nordreichs Israel die Klimakatastrophe unserer Tage machen. Das würde im Übrigen ja auch gerade Klimaaktivisten überhaupt nicht passen, weil Amos hier ja deutlich ausspricht, dass alles zu spät ist, dass Gottes Gericht kommt, ganz gleich, was die Menschen jetzt auch noch machen mögen. Amos ist eben gerade kein Weltrettungsprophet wie Greta Thunberg; seine Aufgabe besteht einzig und allein darin, den Menschen Gottes Willen zu verkündigen, auch wenn die sich durch dessen Einhaltung nicht mehr retten können.

Und dieser Wille Gottes, der ist heute allerdings derselbe wie auch zur Zeit des Amos. Gott ist auch heute darüber erzürnt, wenn Arme in einer Gesellschaft unterdrückt werden, wenn Reiche auf Kosten von Armen leben. Gott ist auch heute darüber erzürnt, wenn im Gericht die Schwachen keine Chance haben, zu ihrem Recht zu kommen, weil die, die die Macht haben, aus ihren Interessen das Recht beugen. Gott ist auch heute darüber erzürnt, wenn Menschen vor seinem Wort die Ohren verschließen und lieber das hören, was ihnen in ihrem Denken, heute würde man sagen: in ihrer Filterblase, passt. Die Worte des Propheten: „Darum muss der Kluge zu dieser Zeit schweigen, denn es ist eine böse Zeit“ sind heute in der Tat von geradezu beklemmender Aktualität. Ja, Gott hat allen Grund dazu, erzürnt zu sein über das, was er heute in unserem Land erlebt. Wir wissen nicht, ob Gott uns in unserem Land noch die Zeit lässt, zu ihm zurückzukehren, ihn zu suchen, auf sein Wort zu hören. Doch eines ist klar: Gottes letztem Gericht gehen wir allemal entgegen, ganz gleich, ob Gott unserem Land noch eine Schonfrist lässt oder nicht. Dieses letzte Gericht Gottes steht fest, es lässt sich nicht nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit voraussagen.

Und das heißt zugleich: Diejenigen, die den Auftrag haben, Gottes Wort zu verkündigen, machen sich schuldig an ihren Hörern, wenn sie von allen möglichen Katastrophenszenarien sprechen, aber dieses letzte Gericht Gottes verschweigen. Wir tun gewiss gut daran, mit unserer Umwelt sorgsam und nachhaltig umzugehen. Doch wenn Kirchen zwar zur Teilnahme an Fridays for Future aufrufen, aber die Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus zum letzten Gericht weitgehend verschweigen, dann verführen sie diejenigen, die ihnen anvertraut sind. Dann erwecken sie den Eindruck, als ob wir Menschen uns selber und diese Welt retten könnten, und führen die Menschen eben damit in die Irre.

Das letzte Wort in unserem Leben und in der Geschichte dieser Welt hat Gott allein. Vor seinem Gericht haben wir uns einmal zu verantworten. Und weh uns, wenn wir dann Gott nicht mehr zu präsentieren haben als einen guten CO²-Fußabdruck und ein moralisch reines Gewissen, zu den Guten in diesem Land gehört zu haben! Die einzige Rettung in Gottes letztem Gericht ist der Glaube an Jesus Christus, an sein Werk, das er für uns getan hat an dem einen wahren Friday for Future, als er am Kreuz für unsere Sünden starb. Auf ihn, Christus, hat alle Verkündigung der Kirchen zunächst und vor allem zu zielen, darauf, dass wir ihn, Christus, suchen, wo er sich finden lässt: in seinem Wort und seinem Heiligen Mahl. Das sind die Kraftquellen, aus denen wir dann auch schöpfen können, wenn wir uns einsetzen für die Armen und Schwachen in unserem Land, für die ungeborenen Kinder genauso wie für unsere geflüchteten christlichen Brüder und Schwestern. Das sind die Kraftquellen, aus denen wir uns dann auch einsetzen für eine Welt, in der auch unsere Kinder noch leben können – wenn Christus bis dahin nicht schon wiedergekommen ist. Nein, das machen wir gerade nicht in Panik, sondern ganz nüchtern – in dem Wissen, was wir können und was wir nicht können, aus der Liebe zu den Menschen heraus, die uns anvertraut sind, aus der Freude heraus, dass durch Christus unsere ewige Zukunft gesichert ist. „Vielleicht wird der HERR, der Gott Zebaoth, gnädig sein dem Rest Josefs.“ – So verkündigte es einst Amos. Gott sei Lob und Dank, dass wir mehr sagen können als „vielleicht“, dass wir sagen können: Ganz gewiss wird Gott uns gnädig sein um Christi willen. Und weil wir das wissen, können wir dann auch leidenschaftlich über Klimaschutz und Klimawandel diskutieren. Ja, wie gut, dass wir diese Welt nicht retten müssen! Amen.

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