Apostelgeschichte 2,1-18 | Heiliges Pfingstfest | Pfr. Dr. Martens
Gestern Abend wurden hier an diesem Taufstein wieder 24 Menschen getauft und durch die Heilige Taufe zum ewigen Leben in der Gemeinschaft mit Jesus Christus wiedergeboren. Im Vergleich zu den 3000 Täuflingen beim ersten Pfingsten sind 24 natürlich wenig – und doch ist auch solch ein Taufgottesdienst für uns eine ganz schöne logistische Herausforderung. Denn bevor die 24 getauft werden konnten, mussten sie erst einmal am Taufunterricht teilnehmen und die Prüfung vor der Taufe bestehen. Ja, ich weiß, damals zu Pfingsten ging das alles offenkundig sehr viel schneller, ja im ganzen Neuen Testament wird immer wieder diese Praxis der Schnelltaufe geschildert. Und doch gibt es natürlich gute Gründe, weshalb wir solche Taufprüfungen durchführen, uns persönlich davon überzeugen, dass der Täufling es mit seinem Bekenntnis auch tatsächlich ernst meint und auch weiß, worum es im christlichen Glauben eigentlich geht. Denn schließlich steht auf die Taufen, die wir auch gestern Abend erlebt haben, im Falle von allen 24 Täuflingen in ihrer Heimat die Todesstrafe. Da sollte man schon wissen, was man tut.
Zu den Fragen, die ich in den Taufprüfungen stelle, gehört natürlich immer wieder auch die Frage nach dem Heiligen Geist: Wer ist er, und was macht er? Und später in der Prüfung frage ich auch danach, was wir denn eigentlich zu Pfingsten feiern. Man merkt es den Prüflingen dann häufig an, dass das für sie besonders schwierige Fragen sind – und umso mehr freue ich mich darüber, dass sie schließlich doch alle miteinander in einer guten Weise beschreiben konnten, was der Heilige Geist denn in ihrem Leben wirkt.
Eben haben wir die Epistel des Heiligen Pfingstfestes aus der Apostelgeschichte vernommen. Sie klärt uns nicht nur darüber auf, was wir denn zu Pfingsten eigentlich feiern, sondern lässt uns zugleich auch in sehr eindrücklicher Weise erkennen, was und wie der Heilige Geist eigentlich wirkt und wie wir dieses Wirken erkennen können. Ein Doppeltes macht uns St. Lukas hier in der Apostelgeschichte über den Heiligen Geist deutlich:
- Der Heilige Geist ist für uns nicht verfügbar.
- Der Heilige Geist wirkt Verstehen und Glauben.
I.
Schwestern und Brüder: Eins müssen wir uns klarmachen: Das erste Pfingstfest war von den Aposteln nicht geplant; sie hatten noch nicht einmal den Termin für dieses Pfingstfest ansetzen können. Als Jesus sich von ihnen bei seiner Himmelfahrt verabschiedet hatte, hatte er ihnen den Auftrag gegeben, in Jerusalem zu bleiben und auf die Gabe Gottes zu warten, die er ihnen versprochen hatte. Nun gut, ganz untätig waren die Apostel dann in der Zwischenzeit nicht gewesen, hatten diese Zeit des Wartens genutzt, um nach dem Tod des Judas einen zwölften Apostel nachzuwählen. Doch alles andere hatten sie nicht in der Hand: Sie konnten nicht bestimmen, wann der Heilige Geist zu ihnen kommen würde und was er an ihnen bewirken würde. Sie konnten in der Tat nur warten, konnten nur darauf warten, wann und wie Gott selber durch seinen Heiligen Geist anfangen würde, seine Kirche zu bauen.
Es ist gut, dass wir uns dies gerade heute zu Pfingsten wieder neu deutlich machen: Auch wir können nicht einfach loslegen und die Kirche Jesu Christi bauen, wie es uns gefällt. Auch für uns ist es ganz wichtig, dass wir mit den Jüngern Jesu immer wieder neu das Warten lernen, das Warten darauf, wann und wie der Heilige Geist auch unter uns seine Kirche baut, wie er dies damals zu Pfingsten auch getan hat.
Dass wir uns nicht falsch verstehen: Natürlich dürfen wir gewiss sein, dass der Heilige Geist am Werke ist, wenn ein Mensch getauft wird, dass der Heilige Geist am Werk ist, wenn das Wort Gottes verkündigt wird – im Taufunterricht, in der Bibelstunde und natürlich auch jetzt in dieser Predigt. Natürlich dürfen wir gewiss sein, dass der Heilige Geist am Werk ist, wenn wir Gottes Vergebung, wenn wir das Heilige Mahl empfangen. Es ist nicht so, dass wir bei einer Taufe niemals wissen könnten, ob denn da der Heilige Geist nun gewirkt hat oder nicht. Nein, er hat sich an das Wasser der Taufe gebunden, und genauso an die Verkündigung des Wortes Gottes. Aber was er, der Heilige Geist, dann in unserem Leben und auch im Zusammenleben der Gemeindeglieder alles bewirkt und bewegt, das liegt nicht in unserer Verfügungsgewalt.
Plötzlich kam der Heilige Geist damals auf die Apostel, schreibt St. Lukas, trotz allen Wartens dann letztlich doch auch wieder ganz unerwartet. Und von solch einem „Plötzlich“ könnten eben auch wir in unserer Gemeinde, könnten gerade diejenigen berichten, die sich hier in unserer Gemeinde mit verschiedenen Diensten einbringen. Wir haben das nicht in der Hand, was hier bei uns geschieht. Wir können keine Planungen und Prognosen abgeben, wie unsere Gemeinde in einem Jahr aussehen wird; und es hat auch keinen Zweck, dass wir doch irgendwie darauf spekulieren, wie es denn wohl in der Zukunft sein könnte. Ganz und gar sollen wir dies dem Wirken von Gottes Geist selber überlassen und uns von ihm überraschen lassen.
Nein, das habe ich noch vor wenigen Jahren nicht und niemals geahnt, dass ich eines Tages mit über 1200 iranischen und afghanischen Taufbewerbern und Gemeindegliedern hier in dieser Kirche sitzen würde, in dieser Kirche, die wir doch immer wieder abreißen wollten, bis wir schließlich merkten, dass es wohl Gottes Geist selber gewesen sein muss, der für unsere Gemeinde noch einmal ganz andere Pläne hatte. Lassen wir uns daran auch in der Zukunft immer wieder denken: In Interviews mit Journalisten werde ich immer wieder gefragt, wie unsere Gemeinde wohl in zwei oder fünf Jahren aussehen wird. Ich kann immer wieder nur antworten: Ich weiß es nicht; ich habe das nicht selber in der Hand. Wir können hier nur in Treue tun, was uns aufgetragen ist: Gottes Wort verkündigen, Menschen auf die Taufe vorbereiten und ihnen schließlich diese Taufe spenden, Gottesdienst feiern und die Heiligen Sakramente austeilen. Ja, da ist der Heilige Geist ganz gewiss mit dabei. Und der öffnet und schließt Türen, wie er will. Ja, er weiß schon, wie es mit unserer Gemeinde weitergehen wird. Und wir – wir können nur immer wieder gespannt warten, können Gott immer wieder nur darum bitten, dass er uns seinen Heiligen Geist ja nicht nehmen möge, dass er seine Kirche unter uns auch weiter bauen und erhalten möge.
Natürlich können wir Baumaßnahmen hier auf unserem Grundstück planen, können auf diese Weise ganz menschlich gesprochen die Arbeit hier in unserer Gemeinde zukunftsfähig machen. Doch was Gott der Heilige Geist dann in diesen Räumlichkeiten alles wirken wird, das entzieht sich unseren Möglichkeiten. Aber eines können und dürfen wir allemal: Uns an das Wirken des Heiligen Geistes in unserer Mitte zu erinnern, das auch wir schon erlebt haben, an all die Pfingstwunder, die hier bei uns schon geschehen sind, an die wunderbaren Führungen und Fügungen, in denen wir dieses Wirken des Heiligen Geistes gleichsam mit Händen greifen konnten, an die Lebenswenden, die Menschen hier in unserer Mitte erfahren haben, an die Kraft, die das Evangelium immer wieder ausübt und das Leben von Menschen dadurch neu macht. Ja, immer und immer wieder erfahren wir in unserer Gemeinde, was Martin Luther in seinem Kleinen Katechismus so wunderbar zum Ausdruck gebracht hat: „Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann, sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten.“
II.
Ein Zweites macht uns die Epistel des heutigen Festtags deutlich: Der Heilige Geist wirkt Verstehen und Glauben.
Von der Muttersprache ist hier in unserer Predigtlesung wiederholt die Rede. Die Zuhörer der Apostel erfahren, dass sie die Predigt der Apostel in ihrer Muttersprache vernehmen – und das öffnet ihr Herz, dass sie dann auch zum Glauben an Jesus Christus finden. Das ist etwas, was wir ja auch heute in unserer Gemeinde erfahren, wie wichtig es ist, dass Menschen die frohe Botschaft in ihrer Muttersprache vernehmen – im Taufunterricht und auch hier im Gottesdienst. Das öffnet in der Tat auch heute noch Herzen, lässt Menschen noch einmal ganz anders hinhören. Heute sind wir im Unterschied zu den Aposteln damals auf Dolmetscher angewiesen, damit Menschen auch in ihrer Muttersprache erreicht werden. Doch auch noch so gute Dolmetscher und auch kein noch so bemühter Pastor kann mit seinen Vermittlungsbemühungen auch nur in einem Menschen Verstehen und Glauben wirken. Verstehen ist im biblischen Sinne eben noch viel mehr als bloß das Einprägen von irgendwelchen Daten und Fakten; da geht es darum, dass wir einen Durchblick erhalten, der uns unser Leben und die ganze Welt noch einmal mit anderen Augen wahrnehmen lässt. Ja, solches Verstehen wirkt allein der Heilige Geist. Und auch nur und einzig und allein durch das Wirken des Heiligen Geistes kann ein Mensch von Herzen bekennen: „Ich glaube an Jesus Christus, meinen Herrn.“ Wenn wir das Apostolische Glaubensbekenntnis nachher miteinander auf Farsi sprechen, wenn wir gemeinsam bekennen: Ich glaube an Jesus Christus, unseren Herrn – be khodowande ma Isa Masih, ja dann wird darin das Wirken des Heiligen Geistes in unserer Mitte hörbar und erkennbar.
Ja, Gottes Geist wirkt Verstehen und Glauben, lässt uns die Welt und unser Leben immer wieder mit neuen Augen betrachten. Doch da, wo er wirksam ist, werden wir immer wieder auch das andere erleben: Dass Menschen sich dem Wirken dieses Geistes verschließen, davon nichts wissen wollen, dass Menschen versuchen, auf ihre Weise das Wirken des Geistes lächerlich zu machen und damit auch die, die von diesem Geist erfasst sind: „Sie sind voll von süßem Wein.“ Lass dich darum nicht davon irritieren, wenn Menschen in deiner Umgebung nur voller Unverständnis auf das reagieren, was dir so wichtig geworden ist, wenn Menschen dir Motive für deine Hinwendung zu Christus unterstellen, die mit dem Glauben in Wirklichkeit gar nichts zu tun haben. An der Predigt von Jesus Christus scheiden sich die Geister, ja, da tritt dann schließlich immer wieder auch Verstockung ein, wenn Gottes Geist bei Menschen den Glauben wirkt, dass Menschen ganz bewusst nein sagen zu dem, was sie von Christus gehört haben. Lass dich nicht davon irritieren, wenn man versucht, dich lächerlich zu machen, weil du Christ bist, wenn man in Frage stellt, woran nun doch dein Herz hängt! So war es schon beim ersten Pfingstfest, und so wird es auch in Zukunft bleiben.
Ja, der Heilige Geist ist in der Tat keine Theorie, kein Gespenst, kein Gedankenkonstrukt. Er hat göttliche Kraft, um Menschen zum Glauben an Christus zu führen. Schauen wir dabei nicht auf Zahlen, sondern vertrauen wir auf das Wirken des Heiligen Geistes, wann immer wir mit Menschen über Jesus Christus sprechen. Ja, Gott geb’s, dass wir nicht nur gut über den Heiligen Geist Bescheid wissen, sondern dass wir unser Leben tatsächlich von ihm führen und bestimmen lassen. Gott will, dass in unserem Leben das ganze Jahr über Pfingsten ist und bleibt. Amen.