Epheser 3,14-21 | Exaudi | Pfr. Dr. Martens
Heute ist T-Shirt-Wetter. Heute möchten sich am liebsten alle ihre Kleider vom Leibe reißen, weil es so warm ist – 34° C! Ja, da gibt es viele, auch hier in der Gemeinde, die sich nicht ganz ungern entkleiden, weil man dann umso schöner die Ergebnisse der regelmäßigen Besuche des Fitnessstudios in den vergangenen Monaten sehen kann. Ja, in der Pflege und Formung des äußerlichen Menschen haben viele Glieder unserer Gemeinde in der vergangenen Zeit große Fortschritte erzielt – mit schön anzusehenden Ergebnissen.
Nun will ich diese Bemühungen im Fitnessstudio in keiner Weise schlechtreden. Das tut vielen von euch gut, wenn ihr dort euren Stress abbauen könnt – und wenn man den Körper als Tempel des heiligen Geistes pflegt, kann man auch mit dem Besuch eines Fitnessstudios Gott ehren. Doch der Apostel Paulus macht in der Epistel des heutigen Sonntags deutlich, dass die Pflege und Stärkung des äußeren Menschen für uns Christen nicht reicht, dass es tatsächlich etwas gibt, was noch wichtiger ist als ein beeindruckender Bizepsumfang oder ein beeindruckender Six-Pack: Es geht darum, stark zu werden an dem „inwendigen Menschen“, wie es St. Paulus hier formuliert. Was ist damit gemeint? Wie sieht ein starker inwendiger Mensch denn aus?
Paulus beschreibt hier sehr eindrücklich, wie die Ziele des Bodybuildings für den inwendigen Menschen aussehen:
Erstes Ziel: „Dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne“. Wichtig ist nicht zuerst und vor allem ein mit Muskeln gefüllter Oberarm, sondern wichtig ist zuerst und vor allem ein gefülltes Herz – ein Herz, das gefüllt ist durch Jesus Christus, dadurch, dass er in unserem Herzen nicht mal bloß kurz vorbeischaut, sondern dort wirklich wohnt, ganz sein Zuhause hat. Darauf sollte also unser Leben abzielen, dass Christus in uns, in unserem Herzen eine feste Wohnung hat.
Zweites Ziel: „Dass ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid“. Beim Fitnesstraining für den äußeren Menschen gibt es den „leg day“, den Tag, an dem in besonderer Weise die Beine trainiert werden. Ja, das ist wichtig, dass man nicht nur den Oberkörper trainiert, sondern den Oberkörper auch auf stabile Beine stellt. Und so ist das mit dem inwendigen Menschen auch. Der braucht auch eine feste Basis, auf der er steht, ja, mehr noch: in der er eingewurzelt ist. Wir merken schon: Die Stärke des inwendigen Menschen, die kommt von außen, nicht von dem, was wir selber sind und tun. Verwurzelung – das geht nicht von heute auf morgen, das ist ein langsames, allmähliches Wachstum. Das braucht Zeit und Geduld – noch viel mehr Zeit als die Schaffung eines Six-Packs. In der Liebe sollen wir eingewurzelt und gegründet sein, schreibt der Apostel. Gemeint ist natürlich nicht unsere eigene oft so mickrige und zweideutige Liebe, sondern die Liebe unseres Herrn Jesus Christus, die die Grundlage für unser ganzes Leben als Christen ist. In diese Liebe sollen wir immer tiefer hineinwachsen und in ihr Wurzeln schlagen. Das macht richtig stark.
Und noch ein drittes Ziel nennt der Apostel hier: Wir sollen begreifen, was die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, anders ausgedrückt: Wir sollen erfüllt werden mit der ganzen Gottesfülle, so formuliert es St. Paulus hier. Geistliches Wachstum, Wachstum des inneren Menschen, geschieht also in der Weise, dass wir immer mehr zu erahnen beginnen, was für Dimensionen unser Glaube, unser Leben als Christ hat: Es geht nicht um ein kleinkariertes Hobby, das wir praktizieren, sondern es geht um Teilhabe an der Wirklichkeit Gottes, um Teilhabe an der Lebensgemeinschaft des dreieinigen Gottes. Das ist etwas so Großes und so Wunderbares, dass wir das nicht einmal kurz verstehen können, wie man vielleicht mit etwa Hintergrundwissen eine chemische Formel verstehen und dann auswendig lernen kann. Die Liebe Christi zu erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft – damit werden wir unser ganzes Leben nicht fertig werden, das ist ein Wachstumsprozess, der erst damit enden wird, dass wir einmal sterben und dann Christus mit eigenen Augen selber schauen werden.
Ein starker inwendiger Mensch – in ihm wohnt Christus, er ist in der Liebe Gottes gegründet und erahnt immer mehr, was es heißt, Anteil zu haben an der Fülle Gottes. Das ist schon ein starkes Ziel, das der Apostel Paulus hier setzt. Die Frage ist: Wie können wir dieses Ziel erreichen?
Da gibt es dann doch entscheidende Unterschiede zur Formung des äußeren Menschen: Wenn Leute in ein Fitnessstudio gehen, dann ziehen sie da ihr Programm nur für sich selber durch. Alles hängt nur davon ab, wie sehr sie sich anstrengen, wie intensiv sie ihr Programm absolvieren. Aber letztlich geht es dabei immer wieder nur um sie selber, um den eigenen schönen Körper.
Für den inwendigen Menschen gibt es auch ein Fitnessstudio. Der Apostel nennt es hier auch ausdrücklich: Es ist die Kirche, es ist die Gemeinde, es sind die Heiligen, mit denen wir zusammen sind, mit denen im Himmel und mit denen auf der Erde. Und da läuft eben vieles ganz anders ab als bei McFit:
Das merken wir schon gleich am Anfang der Epistel: Die beginnt ja auch mit einer körperlichen Übung: Der Apostel Paulus beugt seine Knie – aber nicht, weil gerade sein leg day ist, sondern weil er zum Gebet niederkniet, weil er für die Glieder der Gemeinde betet. Damit geht also alles Wachstum los, dass in der christlichen Gemeinde Menschen füreinander beten.
Ja, das ist eine ganz wichtige Einsicht auch für uns, für unsere Gemeinde: Wir können hier ja nicht nur sehr wohlgeformte Körper von Gemeindegliedern vorweisen, sondern auch beeindruckende statistische Zahlen, Zahlen, die ein äußeres Wachstum der Gemeinde dokumentieren. Doch für das äußere Wachstum der Gemeinde gilt dasselbe wie für das Bodybuilding: Es bleibt ziemlich hohl, wenn ihm kein inneres Wachstum, kein Wachstum des inwendigen Menschen entspricht. Und darum ist die Fürbitte so wichtig, die Fürbitte, die wir auch hier in der Gemeinde füreinander leisten, dass die Glieder unserer Gemeinde auch nach ihrer Taufe weiter geistlich wachsen, dass sie keine geistlichen Kleinkinder bleiben, sondern geistlich stark werden, wie wir dies eben bedacht haben. Ach, wie sehr brauchen wir diese Fürbitte gerade hier in unserer Gemeinde, in der so viele erst ganz neu Christen geworden sind, dass das geistliche, innere Wachstum weitergeht. Ja, dafür lohnt es sich allemal, die Knie zu beugen, Gott, unseren Vater anzurufen, dass er den Gliedern unserer Gemeinde dieses Wachstum schenken möge.
Ja, Gott lässt den inwendigen Menschen wachsen, nicht wir mit dem, was wir tun. Das ist entscheidend wichtig, dass wir das nicht aus den Augen verlieren. Und gerade darum ist die Fürbitte für die Glieder der Gemeinde so wichtig, weil sie deutlich macht, woher alles geistliche Wachstum in unserer Gemeinde kommt.
Gott lässt dieses Wachstum dadurch geschehen, dass er in uns Wohnung nimmt, so zeigt es uns St. Paulus hier. Wachstum des inneren Menschen, jawohl, es geschieht hier in der Gemeinde, in der Menschen füreinander beten und in der Menschen gemeinsam miteinander das heilige Mahl empfangen, Christus leibhaftig in sich aufnehmen, sodass er in unseren Herzen wohnt. Wenn Paulus hier davon redet, dass Christus in unseren Herzen wohnt, meint er das ja nicht sentimental wie in den Überschriften so mancher Todesanzeigen, in denen die Angehörigen beteuern, der Verstorbene werde für immer in ihren Herzen weiterleben. Es geht nicht bloß um Erinnerung, sondern es geht um reale Gegenwart, es geht darum, dass Christus mit seinem Leib und Blut tatsächlich Wohnung in uns nimmt.
Ich höre immer wieder den Spruch: „Ich kann leider nicht zur Kirche kommen, aber ich habe Jesus immer in meinem Herzen.“ Nein, das meint der Apostel hier gerade nicht, dass Jesus in unseren Herzen wohnt, ohne dass wir mit ihm leibhaftig verbunden werden. Sondern dieser Einzug Jesu in unser Herz geschieht über unseren Mund, wenn wir Christus aufnehmen. Und wenn wir ihn aufnehmen, dann nehmen wir tatsächlich den lebendigen Gott in uns auf, dann werden wir erfüllt mit der ganzen Gottesfülle, wie es Paulus hier formuliert. Ja, das ist etwas, was wir unser ganzes Leben lang nie ganz erfassen können, was das heißt, dass der Schöpfer des Universums in uns lebt, uns ganz und gar erfüllt. Wir können nur immer wieder neu tun, wozu er uns einlädt, ihn in uns aufnehmen, ihn in uns wohnen lassen, wenn er in den Gestalten von Brot und Wein zu uns kommt.
Und wenn uns dann doch etwas schwindlig wird bei dem Gedanken, dass Gott mit seiner ganzen Fülle in uns scheinbar so kleinen, mickrigen Menschen wohnt – dann ist es gut, wenn wir uns durch Gottes Wort immer wieder neu die Augen dafür öffnen lassen, was hier mit uns geschieht, wenn wir hier im Gottesdienst zusammenkommen und Gottes Gaben empfangen. Verwurzelung in Gottes Liebe – sie findet nicht dadurch statt, dass wir in uns irgendwelche schönen Gefühle hervorkitzeln. Die sorgen nämlich gerade für keine Verwurzelung. Sondern Verwurzelung geschieht durch immer tieferes Hineinwachsen in Gottes Wort, durch immer tieferes Hineinwachsen in Gottes Liebe, die wir uns nicht mit geistlichen Fitnessübungen verdienen, sondern die uns einfach nur geschenkt wird.
In Fitnessstudios quälen sich Menschen für einen sehr begrenzten, vergänglichen äußerlichen Erfolg, von dem nicht lange etwas übrigbleibt. Hier in der Kirche quälen wir uns nicht, sondern lassen wir uns im Gegenteil einfach nur beschenken – und das Wachstum, das hier geschieht, das ist nicht zeitlich begrenzt, sondern das bleibt, bleibt bis in die Ewigkeit. Gott geb’s, dass wir uns für dieses Wachstum mindestens ebenso viel Zeit nehmen wie für das Wachstum unserer Muskeln! Ja, Gott geb’s, dass wir den inwendigen Menschen immer wieder im Blick behalten und darauf achten, was er braucht. Der braucht kein geistliches Fastfood, sondern richtig kräftige Kost aus Gottes Wort. Ja, der wächst gerade auch dadurch, dass wir hier im Gottesdienst gemeinsam Gott loben, wie es auch Paulus hier am Schluss unserer Epistel tut. Da, wo wir Gott loben, da nehmen wir schon vorweg, was wir einmal für immer im Himmel tun werden. Ja, Gott zu loben, das macht schön und jung für die Ewigkeit. Und dort in der Ewigkeit wird es dann übrigens auch keine Sonne mehr geben, die uns stechen wird, sondern nur noch das Leben spendende Licht, das unser Herr Jesus Christus selber ist. Und der lädt uns schon jetzt bei jedem Wetter zu sich ein: „Wen dürstet, der komme; wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst.“ Ja, eben so werden wir fit, fit für die Ewigkeit! Amen.