Fünfte Fastenpredigt zum Thema „Was Bringt Uns Jesus?“: „Christus – der Sieger“ | Mittwoch nach Judika | Pfr. Dr. Martens

In den vergangenen Wochen haben wir in den Fastenpredigten gesehen, auf wie unterschiedliche Weise das Neue Testament beschreiben kann, was Christus für uns getan hat und was er uns bringt. Wir haben miteinander bedacht, was es bedeutet, dass Christus durch seine Menschwerdung unser Bruder geworden ist, was es bedeutet, dass wir durch ihn Versöhnung haben und dass er unsere Gerechtigkeit ist. Und wir haben bedacht, was es bedeutet, dass Christus in uns lebt, um uns an seinem Leben Anteil zu geben.

Heute wollen wir uns nun zum Abschluss dieser Serie von Fastenpredigten mit dem Thema befassen: „Christus – der Sieger“. Sieger – das scheint erst einmal gar nicht zu dem Bild zu passen, das viele sich von Jesus machen. Jesus ist doch immer lieb und nett und freundlich – aber wenn er siegt, dann heißt das doch, dass es einen Gegner gibt, mit dem er gekämpft, den er besiegt hat. Gegner, ja Feind – was für hässliche Worte! Sollte Jesus sich nicht lieber mit allen vertragen, statt jemanden zu bekämpfen? Passt ein Glaube an einen Sieger denn noch in unsere heutige Zeit?

Doch wenn wir uns umschauen, dann stellen wir fest, wie dieselben Menschen, die immer wieder für eine friedliche Welt und für ein tolerantes Miteinander plädieren, in Wirklichkeit oft genug sehr intolerant sind und all diejenigen, die nicht ihre Meinung teilen, als Feinde betrachten und bekämpfen. Auch sie sehen ganz klar, dass es in dieser Welt Gut und Böse gibt, dass das Böse bekämpft und dem Guten zum Sieg verholfen werden muss. Aber genau hier beginnt nun das Problem: Wo Menschen meinen, sie seien dazu in der Lage, das Böse in welcher Gestalt auch immer zu besiegen, da führt dies immer wieder nicht dazu, dass das Gute siegt, sondern dass das Böse die, die es bekämpfen, selber auch böse macht. Solange wir Menschen glauben, wir seien von uns aus dazu in der Lage, das Böse mit welchen Mitteln auch immer zu besiegen, nehmen wir nicht wahr, was für eine Macht das Böse in Wirklichkeit hat und wie sehr es immer wieder auch in unser Leben hineinreicht und hineingreift.

Wenn wir bekennen, dass Christus der Sieger ist, dann bedeutet dies nicht, dass Christus nur so etwas wie ein Cheftrainer wäre, der die Christen dazu anleitet, wie sie das Böse bekämpfen sollen. Sondern wir bekennen, dass Christus diesen Sieg für uns errungen hat, ohne dass wir daran beteiligt gewesen wären. Denn die Mächte, die Christus besiegt hat, sind nicht irgendwelche Menschen, die anderer Meinung sind als wir, sondern diese Mächte kann wirklich nur der besiegen, der der lebendige, Mensch gewordene Gott ist.

Was sind das für Mächte, die Christus besiegt hat? Die Heilige Schrift benennt gleich eine ganze Reihe von Gegnern, denen Christus eine entscheidende Niederlage zugefügt hat:

Da ist zunächst einmal die Sünde. Schauen wir in das Neue Testament, so stellen wir fest, dass der Apostel Paulus von der Sünde wie von einer unheimlichen Macht sprechen kann, der wir von Geburt aus erst einmal hilflos ausgeliefert sind. Sünde ist unendlich mehr als einfach bloß ein moralisch nicht ganz korrektes Fehlverhalten. Sondern Sünde ist eine Macht, die uns immer und immer von Gott wegzieht, die das Leben von uns Menschen durchdringt und durchzieht und gegen die wir von uns aus nicht einmal ansatzweise ankommen. Darum müssen alle Versuche von uns Menschen scheitern, das Böse mit unseren Mitteln zu bekämpfen und zu besiegen, weil wir uns selber nicht aus dem Machtbereich der Sünde entfernen können, sondern von ihr auch und gerade da instrumentalisiert werden, wo wir meinen, die ganz Guten zu sein. Allein Christus konnte die Macht der Sünde brechen – und er hat es eben ganz anders getan, als wir es uns vorgestellt hätten: Er bricht die Macht der Sünde nicht mit moralischen Appellen, sondern damit, dass er die Strafe für die Sünde der ganzen Welt auf sich nimmt und wegträgt. Nein, noch ist die Sünde nicht aus dieser Welt verschwunden – so erleben wir es Tag für Tag in dieser Welt, ja auch an uns selber, in unserem eigenen Leben. Doch wer mit Christus verbunden ist, den kann die Sünde nicht mehr von Gott trennen, weil Christus sie immer wieder neu entmachtet, indem er uns diese Sünde vergibt. Ja, diesen Sieg erleben wir immer wieder neu in unseren Gottesdiensten, wenn uns die Hand aufgelegt wird und uns unsere Sünde vergeben wird. Da verliert die Sünde ihre Macht, uns noch schaden zu können, da erweist sich Christus immer wieder neu als stärker, ja als der Sieger.

Dann kann die Heilige Schrift davon sprechen, dass Christus die Welt besiegt hat. Nein, das hat nichts mit irgendwelchen Star Wars-Fantasien zu tun. Vielmehr macht Christus gerade im Johannesevangelium deutlich, dass die Welt, in der wir leben, die Menschheit, deren Teil wir sind, nicht einfach neutral gegenüber Gottes Anspruch auf sie ist, sondern diesen Anspruch grundlegend ablehnt. Nicht wundern sollen wir uns also, wenn wir als Christen mitunter ziemlich allein in dieser Welt dastehen, nicht wundern sollen wir uns, wenn Menschen in unserer Umgebung immer wieder so aggressiv auf die Botschaft des christlichen Glaubens reagieren. Nicht wundern sollen wir uns auch darüber, wenn auch staatliche Institutionen mit dem Anspruch Christi auf diese Welt und unser Leben so wenig anfangen können, ja in ihren Entscheidungen immer wieder so feindselig auf ihn reagieren. Diese Erfahrung hat Christus selber eben auch schon gemacht – bis hin zu seiner Verurteilung und Hinrichtung am Kreuz. Ja, Christus weiß, wie uns in dieser Welt zumute ist: „In der Welt habt ihr Angst“, so erklärt er es seinen Jüngern, „aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden“, „ich habe sie besiegt“, so heißt es wörtlich. Wie hat Christus die Welt besiegt? Eben gerade nicht so, dass er sie in Schutt und Asche gelegt hat, dass er seinen Machtanspruch gegenüber der Welt mit Gewalt durchgesetzt hätte. Nein, er hat sie besiegt mit der Macht seiner Liebe: Also hat Gott die Welt, ja, diese gottfeindliche Welt, geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Christus – der Sieger, der mit seiner Liebe den Hass der Welt überwindet. Was für eine großartige Botschaft!

Doch wir haben noch mehr Grund, Christus als Sieger zu feiern. Vor uns liegt nun die Heilige Woche, an deren Ende wir darüber jubeln werden, dass Christus dem Tod die Macht genommen hat, sich durch seine Auferstehung als Sieger über den Tod erwiesen hat. Ja, gegen den Tod kommen wir Menschen einfach nicht an. Wir können hier und da das Leben von Menschen um das eine oder andere Jahr verlängern – aber dem Tod entkommen können wir alle nicht, erfahren schließlich immer wieder, dass gegen die Macht des Todes alles menschliche Bemühen nichts hilft. Wir können den Tod nicht bekämpfen oder gar besiegen. Aber Christus hat es auf seine Weise gemacht, als er am Ostermorgen auferstanden ist. Ja, es gibt ihn noch, den Tod, das wissen wir alle miteinander nur allzu gut. Doch Christus hat dem Tod schon jetzt die entscheidende Niederlage beigefügt, dass er ab jetzt ihm, Christus, dienen muss, als Eingangstür zum ewigen Leben. Und so werden wir auch dieses Jahr zu Ostern wieder Spottlieder über den Tod singen, werden ihn, Christus, feiern, der auch uns in der Taufe an seinem Sieg über den Tod Anteil gegeben hat.

Und da ist schließlich auch noch der Teufel. Wir haben es gerade zu Beginn der Fastenzeit vernommen, dass Christus dazu erschienen ist, die Werke des Teufels zu zerstören. Nein, es ist nicht mehr ungewiss, wie unsere Zukunft, wie die Zukunft dieser Welt aussehen wird – allen bedrückenden und erschreckenden Erfahrungen, die wir im Augenblick machen, zum Trotz: Der Teufel ist jetzt schon durch Christus besiegt, er hat alle Möglichkeiten verloren, die Geschichte der Welt doch noch zum Schlechteren zu wenden. Er mag jetzt noch toben – aber es ist das Toben eines Verlierers, der weiß, dass er am Ende keine Chance mehr hat. Noch versucht er, Menschen mit sich in den Abgrund zu reißen. Doch in jeder Taufe entreißt der Sieger Christus ihm Menschen, die er mit sich ins Verderben zu stürzen versuchte. Und so ist jede Taufe eine Siegesfeier – eine Siegesfeier, bei der wir Christus feiern, gegen den der Teufel nichts mehr auszurichten vermag.

Ja, der Kampf Gut gegen Böse ist entschieden – und wir können immer wieder nur staunen und feiern, wie Christus diesen Kampf gewonnen hat und wie er uns daran Anteil gibt. Noch können wir von diesem Sieg in unserem Leben zumeist nicht viel erkennen. Aber wir dürfen darauf vertrauen: Wer zu Christus gehört, ist jetzt schon in der Mannschaft des Siegers, der braucht sich nicht mehr zu fürchten – nicht vor der Sünde, nicht vor den Anfeindungen dieser Welt, nicht vor Tod und Teufel. Ja, das und nicht weniger hat uns Christus gebracht. Amen.

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