Galater 2,11-16| Tag der Heiligen Apostel Petrus und Paulus | Pfr. Dr. Martens
Was für ein schöner, harmonischer Name für dieses heutige Apostelfest: Die beiden großen Apostel Petrus und Paulus, vereint gefeiert an einem Tag, Seite an Seite – was für eine schöne Vorstellung. Da legen sich gleichsam von selbst Assoziationen nahe, dass Petrus und Paulus für die unterschiedlichen Konfessionskirchen stehen, die alle miteinander doch letztlich in ökumenischer Verbundenheit dasselbe tun und wollen, sodass man eigentlich gar nicht weiß, warum es sie noch in der Gestalt unterschiedlicher Kirchen gibt. Streit, Konflikte um Lehrfragen – das ist alles von vorgestern. Es gibt nur noch unterschiedliche Anliegen, unterschiedliche Bedürfnisse, die aber die große Harmonie untereinander nicht zu stören oder in Frage zu stellen vermögen.
Nun können wir in der Tat ja auch sehr froh und dankbar sein für das gute ökumenische Miteinander, das die christlichen Kirchen hier in unserem Land pflegen. Wer wollte sich ernsthaft wünschen, noch einmal einen Dreißigjährigen Krieg in unserem Land zu erleben, auch wenn die Motive für diesen Krieg natürlich bei weitem nicht bloß religiöser Natur waren? Und wer wollte sich nach Zeiten zurücksehnen, in denen sich schon die Kinder aus unterschiedlichen Kirchen auf der Straße mit Steinen bewarfen, weil sie genau wussten, dass die Kinder aus der anderen Kirche nichts taugten?
Ja, wir sind dankbar für die guten ökumenischen Verbindungen, die wir auch hier in unserer Gemeinde haben. Und wir sind besonders dankbar für die Erfahrungen der Ökumene des Leidens, die wir hier bei uns immer wieder machen, dass Christen aus ganz unterschiedlichen Kirchen darin zusammenwachsen, dass sie gemeinsam erleben, wie sie hier in unserem Land bedrängt und in ihrer Not von denen im Stich gelassen werden, die ihnen eigentlich helfen könnten. Da stehen dann orthodoxe Christen, Christen aus verschiedenen Freikirchen und lutherische Christen ganz eng Seit an Seit, weil die gemeinsamen Erfahrungen der Konsequenzen des Christseins hier in Deutschland sie miteinander verbinden.
Ja, auch zu diesem Aspekt des Apostelfestes könnten wir hier in unserer Gemeinde eine Menge berichten, wenn etwa unsere römisch-katholische Nachbargemeinde Maria Rosenkranzkönigin unlängst eine Kollekte für die Flüchtlingsarbeit unserer lutherischen Dreieinigkeits-Gemeinde gesammelt hat. Auch so kann man das Thema dieses Apostelfestes erläutern.
Doch nun hören wir in der Predigtlesung des heutigen Abends völlig andere Töne. Da schildert uns der Apostel Paulus ein Zusammentreffen mit seinem Apostelkollegen Petrus. Doch dieses Zusammentreffen verläuft alles andere als nett und harmonisch; da findet kein ökumenisches Händchenhalten statt, sondern da kommt es zu einem richtig heftigen Krach: „Als aber Kephas, also Petrus, nach Antiochia kam, widerstand ich ihm ins Angesicht, denn es war Grund zur Klage gegen ihn.“ Kirchendiplomatische Verlautbarungen klingen anders.
Was war passiert? Da war in Antiochia, einer der größten Städte der Antike, gelegen im heutigen Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien direkt an der Mittelmeerküste, sehr früh eine christliche Gemeinde entstanden, zu der nicht allein frühere Juden, sondern auch viele Nichtjuden gehörten. Und da stellte sich in der Gemeinde nun die Frage, wie denn diese Nichtjuden in die Gemeinde aufgenommen werden sollten. Sollten sie erst einmal Juden werden, sollten sie erst einmal beschnitten werden, sollten sie sich erst einmal dazu verpflichten, gemäß den Gesetzen des Alten Testaments zu leben, bevor sie dann auch getauft wurden? Oder konnten sie einfach so durch die Taufe in die christliche Gemeinde aufgenommen werden – ohne Beschneidung, ohne Verpflichtung zur Einhaltung der jüdischen Gesetze? Für Paulus war seit seiner Begegnung mit dem auferstandenen Christus vor den Stadttoren von Damaskus die Sache klar: Christus ist das Ende des Gesetzes. Wir kommen nicht durch die Einhaltung von Gesetzesvorschriften in den Himmel, sondern allein durch den Glauben an Jesus Christus, der für uns am Kreuz getan hat, was wir niemals hätten tun können. Und eben darum können und dürfen wir die Nichtjuden nicht zur Einhaltung von jüdischen Gesetzesvorschriften verpflichten, als ob davon unser Verhältnis zu Gott irgendwie abhinge.
Und so wurden in Antiochia Nichtjuden ohne vorherige Beschneidung in die Gemeinde aufgenommen, wurden nicht dazu verpflichtet, jüdische Speise- oder Reinheitsgebote einzuhalten. Gemeinsam feierten Juden, die Christen geworden waren, und frühere Heiden das Heilige Mahl – und alle wussten: Was uns eint, ist die Gemeinschaft mit Christus, nicht unsere Herkunft, nicht unsere Einhaltung des Gesetzes.
In der Muttergemeinde in Jerusalem sah man die Entwicklungen in Antiochia mit gemischten Gefühlen. Hier waren die Gemeindeglieder im Wesentlichen alle noch Juden, die es von Kindheit an gewohnt waren, nach den Bestimmungen des jüdischen Gesetzes zu leben. Doch sie waren weise genug anzuerkennen, dass das, was in Antiochia und an anderen Orten unter der Missionsarbeit von Paulus geschah, von Gottes Geist gewirkt war und man dem nicht widerstreben sollte. Zu denen, die diese Haltung vertraten, gehörte auch Petrus, einer der Leiter der Jerusalemer Gemeinde. Aber da gab es dann auch damals schon Konflikte innerhalb der Gemeinde: eine Minderheit in der Jerusalemer Gemeinde war überhaupt nicht damit einverstanden, dass der Verzicht auf die Beschneidung, auf die Einhaltung des Gesetzes des Alten Testaments dort in der Gemeinde in Antiochia einfach so anerkannt werden sollte. Wer nicht erst Jude wurde, konnte nicht als Christ anerkannt werden, mit dem durfte man natürlich auch nicht zusammen das Heilige Abendmahl feiern.
Nun kam der Apostel Petrus in Antiochia zu Besuch. Zunächst hatte er keine Probleme damit, gemeinsam mit den Nichtjuden zu essen und entsprechend auch mit ihnen das Heilige Abendmahl zu feiern. Gott selbst hatte ihn ja davon überzeugt, dass dies in Ordnung sei, dass auch Nichtjuden ihren Platz in Gottes Volk haben. Aber dann kamen Vertreter der Minderheit aus Jerusalem nach Antiochia, um sich anzuschauen, was der Petrus dort in Antiochia wohl trieb und wie er sich da verhielt. Und da knickt der Petrus nun ein, als die Delegation aus Jerusalem kommt. Mit einem Mal macht er nicht mehr mit bei den gemeinsamen Abendmahlsfeiern in Jerusalem, ja, mehr noch: Er verleitet damit auch die jüdischen Gemeindeglieder der Gemeinde in Antiochia dazu, sich aus der gemeinsamen Sakramentsfeier auszuklinken und ihre eigenen Mahlfeiern zu veranstalten. Selbst Barnabas, einer der engsten Mitarbeiter des Paulus, kippt um und macht bei den Extra-Feiern des Petrus mit, hat nicht mehr den Mut, gemeinsam mit den nichtjüdischen Gemeindegliedern zusammen das Sakrament zu feiern.
Und als das der Paulus nun mitbekommt, knöpft er sich den Petrus vor der versammelten Gemeinde vor und bläst ihm gewaltig den Marsch. Ja, er stellt ihn vor den Vertretern der Gemeinde in Jerusalem bloß und erzählt ganz offen davon, dass ihr lieber Petrus vor kurzem noch ganz selbstverständlich mit den Nichtjuden zusammen gegessen und das Mahl gefeiert hat und nun nach dem Eintreffen der Jerusalemer Delegation umgekippt ist.
Nein, es geht Paulus hier nicht um irgendwelche persönlichen Konflikte. Es geht ihm auch nicht bloß darum, dass der Petrus in der Gemeinde in Antiochia mit seinem Verhalten Unruhe, ja geradezu Spaltungen hervorgerufen hat. Paulus geht es um mehr: Es geht ihm um nicht weniger als um das Evangelium selber, um die Wahrheit des Evangeliums, wie er es hier so schön formuliert: Petrus zieht mit seinem Verhalten mit einem Mal in Zweifel, dass Nichtjuden ohne Übertritt zum Judentum Anteil am Heil, Anteil am Volk Gottes haben, ja, letztlich, dass Nichtjuden auch ohne Beschneidung und Einhaltung der jüdischen Gesetze tatsächlich gerettet werden können. Und da hört für Paulus nun endgültig der Spaß auf: Wo die zentrale Botschaft des christlichen Glaubens, die Botschaft von unserer Rettung allein um Christi willen, allein aus Gnaden, allein durch den Glauben in Frage gestellt wird, da ist kein ökumenischer Ringelpiez mehr angesagt, sondern nur noch das klare Bekenntnis zu Christus, durch den allein wir gerettet werden, ganz gleich, woher wir stammen.
Ganz aktuell sind diese Ausführungen des Apostels Paulus auch für uns heute: Es geht in der Kirche niemals bloß um Menschen, die irgendwelche Meinungen vertreten, die einander gut oder nicht so gut verstehen. Es geht nicht bloß darum, ob in einer Gemeinde Harmonie herrscht oder nicht. Wirklich entscheidend dafür, ob eine christliche Gemeinde wirklich christliche Gemeinde ist, ob sie diesen Namen tatsächlich verdient, ist eben dies, dass in ihr die Rettung allein um Christi willen, allein aus Gnaden, allein durch den Glauben verkündigt wird und das Leben in der Gemeinde eben dieser Wahrheit des Evangeliums entspricht.
Wo in der christlichen Kirche eine Lehre und Praxis geduldet oder gar als „ökumenische Bereicherung“ hingestellt wird, die diese Wahrheit des Evangeliums in Frage stellt und verdunkelt, da sollen und dürfen wir ebenso wenig schweigen wie Paulus damals, da ist es auch unsere Aufgabe, klar und eindeutig die Stimme zu erheben, auch wenn dies für die menschliche Harmonie nicht unbedingt förderlich ist. Wenn heutzutage in kirchlichen Erklärungen der Eindruck erweckt wird, als sei der Weg des Gesetzes, den der Islam verkündigt, vielleicht doch auch ein Weg zum Heil an Christus vorbei, wenn man die Wahrheit des Evangeliums zu einer subjektiven Meinung oder Tradition reduziert, dann haben wir zu widerstehen wie Paulus damals auch, haben klar und eindeutig Christus als den zu verkündigen, der allein der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Wenn in christlichen Gemeinden der Eindruck erweckt wird, der Glaube an Christus allein reiche nicht aus, um gerettet zu werden; da müsse noch eine bestimmte Form der Entscheidung oder eine bestimmte Glückserfahrung oder eine bestimmte Form moralischen Lebenswandels dazukommen, dann haben wir zu widerstehen, haben die Wahrheit des Evangeliums klar und eindeutig zu bezeugen. Und wenn heute immer wieder unseren iranischen und afghanischen Brüdern und Schwestern unterstellt wird, sie seien vielleicht doch gar keine ganz richtigen Christen, jedenfalls nicht so richtig wie ein anständiger Deutscher, dann ist es unsere Aufgabe, mit allem Nachdruck an der Seite unserer Geschwister zu stehen, mit ihnen zusammen das Heilige Mahl zu feiern und damit zum Ausdruck zu bringen, dass nicht die Herkunft, sondern der gemeinsame Glaube an Jesus Christus uns verbindet.
Ja, wir dürfen dankbar sein, wo wir die einigende Kraft des Evangeliums in der Kirche erleben, gerade auch wie verschiedene Kirchen dadurch miteinander immer enger verbunden werden. Doch die Einheit der Kirche ist niemals ein Zweck in sich. Es gibt auch eine Einheit im Irrtum und in der Unklarheit. Die wahre Einheit der Kirche wird dort erkennbar, wo die Wahrheit des Evangeliums klar bezeugt wird und die Sakramente nach der Einsetzung Christi verwaltet werden, wo Christus allein mit seinem Tod am Kreuz ganz im Zentrum steht. Ja, daran vor allem soll uns der Gedenktag der heiligen Apostel Petrus und Paulus erinnern! Amen.