Hebräer 11,32-40 | Mittwoch nach dem 17. Sonntag nach Trinitatis | Pfr. Dr. Martens

Glaubst du so richtig fest und stark und ganz von Herzen und von innen an Jesus? Ist dein Glaube wirklich ganz echt, ja, so stark, dass er auch Wunder zu vollbringen vermag? Oder bist du mit deinem Glauben noch nicht so weit fortgeschritten? Kannst du ihn vielleicht gar nicht richtig fühlen? Gibt es da etwa noch Zweifel oder Schwäche in deinem Herzen?

Um den Glauben geht es in den Lesungen dieses 17. Sonntags nach Trinitatis, geht es auch in unserem Wochenspruch: „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“ – So heißt es im 1. Johannesbrief. Doch immer wieder wird dieser Wochenspruch falsch verstanden, etwa in dem Sinne der Fragen, die ich am Anfang dieser Predigt gestellt habe und die natürlich in Wirklichkeit gerade nicht meine Fragen sind, sondern ein völlig falsches Verständnis von Glauben zum Ausdruck bringen. Glauben bedeutet gerade nicht ein starkes, inneres Gefühl, Glauben ist nicht eine Fähigkeit in uns, die wir trainieren und weiterentwickeln können. Das Entscheidende am Glauben ist nicht seine Stärke, erst recht nicht, seine Fähigkeit, etwas Sensationelles zu vollbringen. Glauben ist in Wirklichkeit etwas ganz Anderes, so macht es uns der Verfasser des Hebräerbriefs in der Predigtlesung des heutigen Abends deutlich:

  • Glauben hängt an Gottes Versprechen.
  • Glauben hat keine Erfolgsgarantie.
  • Glauben ist immer vorläufig.


I.

Um zu zeigen, was Glauben ist, stellt uns der Verfasser des Hebräerbriefs im 11. Kapitel viele Beispiele aus dem Alten Testament vor Augen. In den Versen unserer heutigen Predigtlesung sind es so viele, dass ich diese Beispiele nun gar nicht alle einzeln besprechen kann. Doch eines wird in den Beispielen immer wieder deutlich, was sich als grundlegende Botschaft durch das ganze Kapitel hindurchzieht: Glaube bezieht seine Kraft gerade nicht aus der inneren Stärke derer, die glauben. Sondern der Glaube hängt immer wieder ganz an Gottes Versprechen, an Gottes Kraft und nicht an unserer. Die Richter, die Könige und Propheten, die hier erwähnt werden, sie haben ihre Taten nicht vollbracht, weil sie so großartige Glaubenshelden waren, geschweige denn so wunderbare moralische Vorbilder. Sondern alle hatten sie gemeinsam, dass sie sich auf Gottes Verheißung, auf seine Zusagen verließen – und dann erlebten, dass auf Gottes Wort Verlass ist, dass Gott tatsächlich dazu in der Lage ist, Dinge zu vollbringen, die wir für völlig unmöglich und ausgeschlossen halten. Ja, was Gott verspricht, das hält er auch – darauf dürfen wir uns verlassen. Das gilt nicht nur für die Richter, die Könige und Propheten im Alten Testament. Das gilt auch für uns. Wenn Gott uns etwas verspricht, dann zieht er das auch durch, selbst wenn alles dagegen zu sprechen scheint. Wenn Gott uns in unserer Taufe versprochen hat, uns am ewigen Leben Anteil zu geben, dann zieht er das durch, auch wenn wir von unserem Glauben selber überhaupt nichts mehr fühlen und spüren. Wenn Christus uns versprochen hat, dass sein Leib und sein Blut uns mit seinem unvergänglichen Leben erfüllen, dann gilt das auch und gerade dann, wenn dies all unseren Gefühlen zu widersprechen scheint. Und wenn Christus uns das Versprechen gibt, dass Gott unsere Gebete hört, dann dürfen wir tatsächlich damit rechnen, dass Gott mehr tun kann, als wir mit unserem menschlichen Kleinglauben erst einmal erwarten. Dann kann er auch heute noch Menschen retten vor der Abschiebung in den Tod, kann sie schützen vor dem Rachen der Löwen, die heute das Leben konvertierter Christen bedrohen, dann kann er auch uns wieder zu Kräften kommen lassen, wo wir in unserer Schwachheit gar nicht mehr damit rechnen.


II.

Doch der Hebräerbrief macht zugleich auch deutlich, dass dieser Glaube, der sich an Gottes Versprechen hängt, keine irdische Erfolgsgarantie hat. Wenn sich der Glaube an Gottes Wort hängt, dann ist das etwas anderes, als wenn er sich an unsere eigenen menschlichen Wünsche hängt. Deren Erfüllung wird uns von Gott gerade nicht versprochen. Im Gegenteil, so betont es der Hebräerbrief hier ausdrücklich: „Andere aber sind gemartert worden und haben die Freilassung nicht angenommen.“ Damit spielt er zunächst auf das Geschick frommer Juden in der Zeit der Makkabäerkriege in Israel an, in der das Festhalten am jüdischen Glauben oft genug das Todesurteil bedeuten konnte. Doch wie aktuell sind diese Worte auch heute noch: Wer im Iran Christ wird, der weiß, dass dies für ihn Folter bedeuten kann, und wie viele Christen, die zurzeit im Iran im Gefängnis sitzen, haben schon dieses Angebot gehört: „Du musst einfach nur zum Islam zurückkehren, dann darfst du das Gefängnis verlassen.“ Doch sie haben die Freilassung nicht angenommen, weil sie wussten und wissen, dass es etwas gibt, was größer und besser ist als die Freiheit, die wir hier auf Erden haben können.

Nein, wenn Christen in so vielen Ländern unserer Erde genau das Geschick erleiden, das der Hebräerbrief hier in unserer Predigtlesung beschreibt, dann liegt das gerade nicht daran, dass sie nicht fest genug geglaubt hätten – genau im Gegenteil: Gerade weil sie geglaubt haben, weil sie ihr Vertrauen ganz auf Christus und seine Versprechen gerichtet haben, haben sie all dies erfahren und erfahren es auch jetzt noch zu dieser Stunde. Eine Stärkung unseres Glaubens sind diese Glaubensgeschwister für uns, in ihrem Festhalten an Gottes Wort, in ihrer Bereitschaft, ihr ganzes Leben für Christus hinzugeben, Mangel, Bedrängnis, Misshandlung, ja, den Tod zu erleiden. Dieser Glaube, zu dem sie uns ermutigen, ist nicht ein schönes Gefühl, sondern ein Glaube gegen alle Erfahrung, gegen allen Augenschein, so betont es der Hebräerbrief. Glauben hat kein irdisches Erfolgsversprechen; aber in ihm erweist sich die Kraft unseres Herrn Jesus Christus gerade dann, wenn menschlich gesprochen alles in unserem Leben gegen uns zu laufen scheint.


III.

Und damit sind wir schon beim Dritten, was uns der Verfasser des Hebräerbriefs hier deutlich macht: Glaube ist immer vorläufig. Er wartet immer noch auf die Vollendung. „Diese alle haben durch den Glauben Gottes Zeugnis empfangen und doch nicht die Verheißung erlangt“, schreibt der Hebräerbrief hier: Sie alle haben sich auf Gottes Versprechen verlassen und im Geschick ihres Lebens doch nicht erkennen können, dass sich dieses Vertrauen gelohnt hat. Und doch wussten sie zugleich, dass „Gott etwas Besseres für uns vorgesehen hat“, wie es der Hebräerbrief so schön formuliert. Ja, im Glauben wissen wir, dass das Beste immer noch vor uns liegt, das Beste, das wirklich so gut ist, dass sich dafür auch Leiden und Verzicht allemal lohnen. Nein, dieses Leben mit all dem Schweren, das wir darin erfahren mögen, ist eben nicht alles, ist immer nur der Anfang dessen, was kommt. Und unser Glaube richtet seine Erwartung eben gerade nicht darauf, jetzt schon alles zu bekommen, was man haben möchte, er richtet seine Erwartung auf die Zukunft, die vor uns liegt, richtet seine Erwartung ganz konkret auf die große Schar der Heiligen und Vollendeten, die jetzt schon auf uns warten, damit wir einmal gemeinsam mit ihnen Christus, unseren Herrn, preisen, der mit seinem Tod am Kreuz uns diese wunderbare Zukunft eröffnet hat.

Ja, das ist etwas, was wir gerade in diesen letzten Wochen des Kirchenjahres wieder neu einüben wollen: Dass uns das Beste noch bevorsteht, dass unser Glaube immer auf die Zukunft ausgerichtet bleibt, dass sich erst vom Ziel her erkennen lässt, warum all das Unverständliche in unserem Leben eben doch nicht umsonst und sinnlos war. Was für ein wunderbares Bild, das uns hier vor Augen gestellt wird: Da stehen die, die vor uns um Christi willen so viel erlitten haben, schon am Ziel, und von dort rufen sie uns zu: Laufe weiter, gib nicht auf! Es lohnt sich! Und wir – wir schauen ganz von uns selber weg, schauen nur auf das Ziel, auf ihn, Christus, der dort steht und uns zugleich doch auch schon jetzt und hier begegnet, wenn wir seinen Leib und sein Blut empfangen. Ja, genau das ist Glaube. Amen.

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