Hiob 14,1–6,(7–12),13,(14),15–17 | Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres | Pfr. Turunen

„Gnade sei mit euch und Frieden von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. † (Amen).

Hört Gottes heiliges Wort aus dem Buch Hiobs, aus dem vierzehnten Kapitel:

Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe, geht auf wie eine Blume und welkt, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht. Doch du tust deine Augen über einen solchen auf, dass du mich vor dir ins Gericht ziehst. Kann wohl ein Reiner kommen von Unreinen? Auch nicht einer! Sind seine Tage bestimmt, steht die Zahl seiner Monde bei dir und hast du ein Ziel gesetzt, das er nicht überschreiten kann: so blicke doch weg von ihm, damit er Ruhe hat, bis sein Tag kommt, auf den er sich wie ein Tagelöhner freut.

[Denn ein Baum hat Hoffnung, auch wenn er abgehauen ist; er kann wieder ausschlagen, und seine Schösslinge bleiben nicht aus. Ob seine Wurzel in der Erde alt wird und sein Stumpf im Staub erstirbt, so grünt er doch wieder vom Geruch des Wassers und treibt Zweige wie eine junge Pflanze. Stirbt aber ein Mann, so ist er dahin; kommt ein Mensch um – wo ist er? Wie Wasser ausläuft aus dem See, und wie ein Strom versiegt und vertrocknet, so ist ein Mensch, wenn er sich niederlegt, er wird nicht wieder aufstehen; er wird nicht aufwachen, solange der Himmel bleibt, noch von seinem Schlaf erweckt werden.]

Ach, dass du mich im Totenreich verwahren und verbergen wolltest, bis dein Zorn sich legt, und mir eine Frist setzen und dann an mich denken wolltest!

[Meinst du, einer stirbt und kann wieder leben? Alle Tage meines Dienstes wollte ich harren, bis meine Ablösung kommt.]

Du würdest rufen und ich dir antworten; es würde dich verlangen nach dem Werk deiner Hände. Dann würdest du meine Schritte zählen und nicht achtgeben auf meine Sünde. Du würdest meine Übertretung in ein Bündlein versiegeln und meine Schuld übertünchen.

„Der Herr segne sein Wort an uns allen.“ Amen.

[Predigt] Liebe Schwestern und Brüder, es ist wieder die Zeit im Kirchenjahr gekommen, die wir nutzen, um an unsere Sterblichkeit zu denken. Und nichts ist passender dafür als der Predigttext des heutigen Tages aus dem Buch Hiob. Wenn um uns auch wettermäßig alles welkt und verwest, Regen und Kälte über das Land kommen und das Licht weniger wird, überkommt uns eine gewisse Melancholie und unsere Gedanken gehen von Natur aus auf die Fragen der Vergänglichkeit zu.

Auch Hiob hatte viel Zeit, sich über den Tod Gedanken zu machen. Gott hatte dem Satan erlaubt, Hiob mit vielerlei Unglück zu schlagen. Seine Kinder, sein Vermögen und seine Gesundheit waren dahin, so dass sogar seine Frau ihn aufforderte, nun endlich Gott zu fluchen und endlich wegzusterben. Leider gibt es im Leben keinen Resett-Knopf, mit dem man das Programm oder das Computerspiel neu starten kann. Wenn man von einem Unglück getroffen wird, dann steckt man wirklich drin und kommt nicht heraus. Und so saß auch Hiob auf dem Misthaufen, geplagt von Geschwüren und hatte viel Zeit nachzudenken.

„Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe, geht auf wie eine Blume und welkt, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht.“ Ja, so leben wir: hektisch ist das moderne Leben, wir rennen von einer Aktivität zur nächsten, man muss schließlich Karriere, Familie, Hobbies und zwischenmenschliche Beziehungen alle perfektionieren. Zeit zur Ruhe und Besinnung bleibt da nicht, denn schon macht es „Bling“ in unserer Tasche oder an unserem Computer, und eine neue SMS, WhatsApp- oder Messenger-Nachricht oder E-Mail ist gekommen und verlangt schnell unsere Aufmerksamkeit. So läuft das Menschenleben voll Unruhe. Da ist die Frische der Jugend, die erste Liebe, der erste Job. Wie eine Blume im Frühling geht der Mensch auf. Aber wie Hiob sagt, der Mensch lebt nur kurz: die Jahre vergehen so plötzlich, und schon ist grau in den Haaren, es geht einfach nicht mehr alles so schnell, körperlich und geistig wird man gebrechlicher. Und so schnell es begonnen hat, hört es auch wieder auf das menschliche Leben. Was sind 60, 70 oder 80 Jahre im Vergleich zur Weltgeschichte? Was sind 90 oder 100 Jahre im Vergleich zur Ewigkeit. Ein Augenblick, ein Garnichts, ein Sandkorn in der Wüste. Und was bleibt übrig nach all dem Rennen und Schaffen? Was ist unser Vermächtnis? Ein großes Erbe vielleicht? Viele Nachkommen? Ein berühmter Name? Ach Mensch, was bringt dir das, wenn du einmal im kühlen Grab ruhst? „Wie Wasser ausläuft aus dem See, und wie ein Strom versiegt und vertrocknet, so ist ein Mensch, wenn er sich niederlegt, er wird nicht wieder aufstehen; er wird nicht aufwachen, solange der Himmel bleibt, noch von seinem Schlaf erweckt werden.“ Asche zu Asche, Staub zu Staub. Denn, o Mensch, so sagt Hiob, für dich „ist ein Ziel gesetzt, das du nicht überschreiten kannst“.

Viele Menschen mögen nicht an diese Dinge denken. Sie füllen deshalb ihr Leben mit Sachen, die sie ablenken. Die existentielle Angst vor dem Tod ist einfach zu groß, und so hat der moderne Mensch den Tod aus dem Alltag verbannt. Der Tod findet nur noch klinisch in Anstalten statt, weit entfernt vom normalen Leben. Da lobe ich mir doch die in Stein gemeißelten Schädel und Skelette mit Sanduhren in alten Kirchen, die mit ihrem grinsenden Knochenmund uns anschreien: „Memento mori – gedenke, dass du sterben wirst.“ Nur wenn man dies im Hinterkopf behält, kann man sein Leben realistisch einschätzen und kriegt echte Perspektive, was in diesem Leben wirklich Bedeutung und Wert hat.

Aber wie trostlos und furchtbar wäre diese Existenz, wenn memento mori der Schlusspunkt wäre oder es tatsächlich so wäre wie Hiob laut nachdenkt, nämlich dass der Mensch, wenn er sich einmal hinlegt, nicht wieder aufsteht. Welch ein Glück, dass er mit seinen Gedanken weitergeht und fragt: „Meinst du, einer stirbt und kann wieder leben?“ Könnte es tatsächlich so sein, dass der Tod doch nicht das absolute Ende ist? Wäre es möglich, dass der Schöpfer sein Geschöpf doch noch einmal aus dem langen Schlaf herausruft? „Du würdest rufen und ich dir antworten; es würde dich verlangen nach dem Werk deiner Hände.“ Ist die Liebe Gottes zu seiner Kreatur so groß, dass ihn nach dem Werk seiner Hände verlangt? Und Hiob führt seinen hoffnungsvollen Wunsch noch weiter: „Dann würdest du meine Schritte zählen und nicht achtgeben auf meine Sünde. Du würdest meine Übertretung in ein Bündlein versiegeln und meine Schuld übertünchen.“ Wäre es vielleicht möglich, dass es ein Auferstehen von den Toten gibt und dazu noch eine Vergebung der Sünden? Könnte es sein, dass dieses kurze Leben auf diesem todgeweihten Planeten doch nicht das Ende ist? Könnte es sein, dass nach all dem Schaffen und Rennen, nach all der Unruhe, wir uns endlich ausruhen können? Könnte es sein, dass nach all den furchtbaren, unvorstellbaren Leiden, die manche hier auf der Erde ertragen müssen, endlich Ruhe und Frieden einkehrt, und kein Leid, kein Schmerz und keine Tränen mehr existieren? Könnte es sein, dass wir doch nicht in ein kaltes und unbarmherziges Universum hineingeworfen sind, sondern dass das Leben einen Sinn hat?

Liebe Schwestern und Brüder, was Hiob nur erahnen konnte, das wissen wir aus dem Neuen Testament: Jesus Christus kam in diese Welt, um uns vom Tod zu retten. Es ist gut und richtig zu gedenken, dass wir sterben müssen, aber als Christen konzentrieren wir unser Denken mehr auf die Freude der Auferstehung. Denn Christus kam, um auf unsere Fragen das große Ja-Wort zu sein: Ja, es gibt eine Auferstehung nach dem Tod. Ja, es gibt ein großes Wiedersehen. Ja, dir sind in Christi Blut alle deine Sünden vergeben. Ja, du bist frei von deinen Sünden, du musst kein Gericht fürchten. Ja, als in Christus getauftes Kind Gottes wirst du im Himmel ewig leben. Ja, Gott selbst wird dir alle deine Tränen abwischen und dich in seinen Schoß nehmen und dich trösten. Ja, dein Leben hat jetzt schon einen Sinn: du darfst dieses Leben jetzt schon in Christus leben und an der Freude der Ewigkeit teilhaben und jetzt schon daraus Trost und Hoffnung in all deinen Schwierigkeiten und Leiden schöpfen.

Wenn wir uns also heute zu Christi Füßen werfen beim Heiligen Abendmahl, dann darfst du da schon die Ewigkeit kosten. Der ewige Gott und Herr Jesus Christus schenkt sich dir und mir, er lässt uns an seinem wahren Leib und seinem wahren Blut teilhaben. Das ist die Medizin des ewigen Lebens. Durch diesen Leib und durch dieses Blut kommst du in den Himmel und wirst vom ewigen Tod gerettet. Komm mit mir heute an den Tisch des Herrn, wo unser kurzes Leben einen Sinn bekommt. Denn wer den Leib des Herrn isst und das Blut des Herrn trinkt, der muss den Tod nicht mehr fürchten.

Amen.

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