1. Johannes 3,7-11 | Vorabend zu Invokavit | Pfr. Dr. Martens

Zurzeit wird in unserem Land viel über mögliche und unmögliche Koalitionen gesprochen, über Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit anderen Parteien und über Unvereinbarkeiten, die eine Zusammenarbeit von vornherein ausschließen. Ja, heiße Diskussionen gibt es zu dieser Frage, weil in der Praxis sich manches dann doch als komplizierter herauszustellen scheint, als es zunächst einmal grundsätzlich behauptet worden war.

Ja, wir leben in einer Zeit, in der ein Schwarz-Weiß-Denken verpönt ist, in der jeder irgendwie auf seine Weise recht hat, in der es sich nicht gehört, das, was ein anderer glaubt und für richtig hält, grundsätzlich als falsch oder böse hinzustellen. Ja, das gilt auch und gerade im Bereich der Religion. Es kann doch nicht einfach eine Religion behaupten, das, was sie verkünde, sei wahr. Vielmehr hat doch jeder Glaube seine eigene Wahrheit, und dann ist es doch ganz chic und nett, wenn man den christlichen Gottesdienst mit ein wenig Zen-Buddhismus vermischt oder wenn, wie kürzlich hier in Berlin geschehen, eine Kirchengemeinde auf der Titelseite ihres Pfarrbriefs einfach das islamische Bekenntnis „Allahu akbar“ abdruckt. Irgendwie können wir doch alle miteinander, können einander doch nicht einfach ausschließen!

Wie ganz anders klingen dagegen die Worte der Predigtlesung des heutigen Abends! Da beschreibt St. Johannes eine letzte Unvereinbarkeit, eine letzte Alternative, bei der es keinerlei Vermittlung gibt, keine Kompromisse, ja keinerlei Schnittmengen. Und diese Unvereinbarkeit besteht, so zeigt es uns St. Johannes hier, zwischen Gott und dem Teufel. Da gibt es keine Möglichkeit einer großen Koalition, noch nicht einmal die Möglichkeit einer Tolerierung, da gibt es nur ein ganz scharfes Entweder-Oder.

Diese Art zu reden, wie es St. Johannes hier tut, gefällt uns heutzutage nicht. Das geht schon damit los, dass Johannes hier überhaupt vom Teufel redet. Das klingt doch nun arg mittelalterlich, arg überholt. Darüber sind wir doch längst hinweg, dass wir an den Teufel glauben. So abergläubisch sind wir doch nun wahrlich nicht. Ja, das ist durchaus richtig: An den Teufel zu glauben, ist schlimmster Aberglaube; Christen glauben nicht an den Teufel; sie glauben natürlich nur an Gott. Sehr wohl aber wissen sie darum, dass dieser Widersacher Gottes nicht nur ein Gedankenkonstrukt ist, sondern eine Realität, mit der wir in unserem Leben immer wieder konfrontiert werden, eine Macht, die allemal stärker ist als wir Menschen und unser menschlicher Wille. Nein, es ist gerade nicht völlig antiquiert, vom Teufel zu sprechen. Wir können die Geschichte dieser Welt, wir können die Nachrichten, die wir Tag für Tag zu hören und zu sehen bekommen, wir können auch die Geschichte unseres eigenen Lebens gar nicht recht erfassen, wenn wir nicht um diesen Widersacher Gottes wissen und mit ihm ganz konkret rechnen.

Nein, es ist eine Illusion zu glauben, dass wir als Menschen neutral bleiben könnten, uns einfach nicht mit diesem Gegenüber von Gott und Teufel befassen könnten, weil uns das nicht interessiert. Im Gegenteil: St. Johannes macht uns hier sehr deutlich, dass es nur eine Alternative zum Leben in der Gemeinschaft mit Gott gibt: nicht die Zuschauerrolle, sondern allein das Leben in der Gemeinschaft mit dem Widersacher Gottes, dem Teufel. Nein, der Teufel begegnet uns eben nicht bloß in irgendwelchen Horror- und Gruselfilmen. Er ist in Wirklichkeit viel netter, freundlicher, überzeugender, so sehr, dass man als vernünftiger Mensch ihm doch gar nicht widerstehen kann. Und doch ist und bleibt er der Widersacher Gottes, völlig unvereinbar in seinen Positionen, in seinen Handlungen mit dem, was Gott will und tut. Gottes Wirken ist gekennzeichnet von Liebe, von dem Verlangen nach Gemeinschaft zwischen ihm und dem Menschen. Das Wirken des Teufels ist dadurch gekennzeichnet, Menschen von dieser Gemeinschaft fernhalten zu wollen, sie von Gott trennen zu wollen, ist gekennzeichnet durch alle möglichen Perversionen der Liebe, die das Wesen Gottes ausmacht.

Nun können wir uns mit dem Gedanken an eine Unvereinbarkeit von Gott und dem Teufel vielleicht noch anfreunden, aber was St. Johannes daraus hier in unserer Predigtlesung für Schlüsse zieht, das mag uns dann doch ein wenig den Atem stocken lassen: „Wer Sünde tut, der ist vom Teufel. Wer aus Gott geboren ist, der tut keine Sünde; denn Gottes Same bleibt in ihm, und er kann nicht sündigen; denn er ist aus Gott geboren.“ Bist du auch so jemand, der gar nicht sündigen kann? Oder gehörst du, o Schreck, zu denen, die in ihrem Leben nicht nur Sünde getan haben, sondern immer noch Sünde tun? Dann gehörst du also zum Teufel – denn wenn du aus Gott geboren wärst, würdest du ja gar nicht sündigen können!

Schwestern und Brüder: Sollten wir an dieser Stelle den Gottesdienst beenden und feststellen: Wir gehören ja alle dem Teufel, haben keine Chance bei Gott, denn wir sind ganz offensichtlich ja dazu in der Lage zu sündigen?

Bevor ihr jetzt gleich alle aufsteht, empfiehlt es sich, wie auch sonst stets bei der Lektüre der Heiligen Schrift, den Zusammenhang anzuschauen. Und da schreibt derselbe Johannes gleich zu Beginn seines Briefes Worte, die uns sehr viel vertrauter sind: „Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.“ Zu behaupten, wir hätten keine Sünde, ist Selbstbetrug, so stellt St. Johannes hier gleich am Anfang fest. Mit dem „Sünde tun“, mit dem „sündigen“ muss also etwas anderes gemeint sein: Es geht, so erkennen wir bei genauerem Hinschauen, um eine ganz grundsätzliche Lebensausrichtung, um das, was unser ganzes Leben bestimmt. Und da stehen sich zwei Ausrichtungen in der Tat unvereinbar gegenüber: Auf der einen Seite Gerechtigkeit und Liebe – auf der anderen Seite Lieblosigkeit und damit Ungerechtigkeit.

Und mit Gerechtigkeit ist eben nun gerade nicht gemeint, dass wir in unserem Leben immer alles richtig machen. Sondern, so formuliert es St. Johannes zu Beginn unserer Predigtlesung: Wir sind gerecht, wie auch jener, gemeint ist Jesus Christus, gerecht ist. Das bedeutet: Es geht hier um eine Beziehung zu Gott, an der uns Christus Anteil gibt, eben dadurch, dass er uns unsere Sünden vergibt, wie wir es eben gehört haben. Gerechtigkeit, das heißt: Leben in der Gemeinschaft mit Christus, und das heißt zugleich: Leben in der Liebe Gottes, mit der er uns umfängt. Liebe und Vergebung – das bestimmt unser Leben, seit Gott seinen Samen in uns gelegt hat, so umschreibt Johannes hier, was in unserer Taufe geschehen ist: Da hat der Heilige Geist in uns Wohnung genommen, hat in uns sein neues Leben gelegt, das nun immer weiter wächst.

Ja, auch als Christen sündigen wir weiter, ganz klar. Es gibt keine Sekunde in unserem Leben, in der wir nicht Gottes Vergebung bräuchten. Aber eines ist zugleich ausgeschlossen: Dass wir uns zugleich ganz von Christus abwenden, von seiner Vergebung, von seiner Liebe. Wenn ich mit Christus verbunden bin, kann ich nicht zugleich ohne ihn, ganz gegen ihn leben. Besser gesagt: Ich selber könnte das von mir aus schon, ganz gewiss. Aber in mir lebt Christus, und der ist eben darum in diese Welt gekommen, dass er die Werke des Teufels zerstöre. Gott und der Teufel – sie stehen nicht auf einer Stufe. Der Teufel ist und bleibt der große Verlierer, der zwar immer noch versucht, Menschen ins Verderben zu ziehen, der aber nicht an die herankommt, die mit Christus verbunden sind.

Ist damit alles klar? Im Grunde genommen ja. Gegen Christus hat der Teufel keine Chance. Und doch brauchen auch wir immer wieder die Mahnung des heiligen Johannes: „Kinder, lasst euch von niemandem verführen!“ Passt auf, der Teufel ist ein Meister der Fake News! Der versucht immer wieder, euch einzureden, ihr bräuchtet euch gar nicht zwischen ihm und Christus zu entscheiden; ihr könntet beides haben: Ein Leben, in dem Christus keine Rolle spielt, und zugleich das ewige Leben mit ihm. Der Teufel, er versucht immer wieder, euch einzureden, dass es doch eigentlich gar nicht so etwas wie Sünde gibt, dass eigentlich alles in Ordnung ist, was ihr macht, auch wenn es Christus ganz widerspricht. Der Teufel, er versucht immer wieder, die Liebe in eurem Leben zu verdunkeln, mit der euch Christus doch immer wieder neu umfangen will, versucht immer wieder, die eigene Lieblosigkeit, die in uns steckt, aus uns hervorzukitzeln, versucht immer wieder, uns die Sünde anderer Menschen so groß vor Augen zu stellen, dass wir diesen Menschen nicht mehr mit Liebe begegnen, sondern mit Hass. Ja, er versucht immer wieder, uns dahin zu bringen, dass wir glauben, wir seien selber auf Gottes Vergebung gar nicht mehr angewiesen; wir seien einfach so okay, wie wir sind!

Ja, auch wenn der Teufel der große Verlierer ist, so haben wir es doch allemal nötig, immer und immer wieder ganz klar Nein zu sagen zu ihm, zu seinem Werk und Wesen. Genau darum geht es jetzt in der Fastenzeit, dass wir uns von Gottes Wort wieder neu dazu anleiten lassen, die Fake News des Teufels zu erkennen und uns immer wieder auf die Realität zurückzubesinnen, die Christus selber in unserer Taufe geschaffen hat. Ja, das wird sich auswirken, davon ist Johannes überzeugt, das wird sich auswirken in der Liebe, die wir zu den Brüdern und Schwestern in der Gemeinde zeigen. Wenn Christus mir mein Versagen immer wieder vergibt – wie sollte ich da nicht auch dem Versagen meiner Geschwister in der Gemeinde in Liebe begegnen? Ja, durch ihn, Christus, können wir es. Denn dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre. Geht also jetzt noch nicht raus aus der Kirche, erst recht nicht, weil ihr glaubt, dass ihr dem Teufel gehört! Bleibt hier, und erfahrt es gleich wieder, wie Christus dem Teufel eine vernichtende Niederlage beifügt, wenn er gleich mit seinem Leib und Blut in uns Wohnung nimmt. Da kann uns in der Tat nichts mehr von Gott trennen, weil Gottes Same in uns bleibt. Das steht fest, Gott sei Dank! Amen.

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