1. Könige 8,22-24.26-28 | Christi Himmelfahrt | Pfr. Dr. Martens

Als der russische Kosmonaut Jurij Gagarin am 12. April 1961 als erster Raumfahrer die Erde umrundete, legte ihm die sowjetische Propaganda anschließend die Worte in den Mund, er habe im All nach Gott Ausschau gehalten, ihn aber nicht gefunden. Mittlerweile wissen wir, dass Gagarin in Wirklichkeit ein überzeugter orthodoxer Christ war und nie auf die Idee gekommen wäre, solch einen dummen Satz von sich zu geben. Der stammte vielmehr von Nikita Chrushtshov, der wohl allen Ernstes meinte, die Christen würden daran glauben, dass Gott irgendwo hinter dem Mond zu finden ist. Gott im Weltraum – angesichts der Dimensionen des Weltraums, die wir mittlerweile zu erahnen beginnen, würde uns Gott da tatsächlich immer weiter wegrücken. Ja, man könnte sich Gott dann riesig groß vorstellen, aber er wäre für unser Leben von ähnlicher Bedeutung wie irgendein Spiralnebel in einer entfernten Galaxie: Schön, dass es ihn gibt – aber mit mir, mit meinem Leben hat er natürlich nicht das Geringste zu tun.

In Wirklichkeit hat unsere Vorstellung von Gott im Himmel natürlich nicht das Geringste mit diesem dümmlichen Klischee zu tun, das die kommunistischen Machthaber damals nach dem Weltraumflug von Jurij Gagarin zu verbreiten versuchten. Wenn wir heute das Fest der Himmelfahrt Christi feiern, dann feiern wir gerade nicht einen Vorläufer von Jurij Gagarin, dann kommen wir auch nicht auf die Idee zu trauern, weil Christus ähnlich wie Major Tom von der Erde abgehoben hat und nun nie mehr zurückkehren wird. Sondern das Fest der Himmelfahrt Christi ist eine Feier der Nähe Gottes, bei der wir gerade nicht unsere Augen vor der Größe des Weltalls verschließen, sondern im Gegenteil darüber staunen, dass der, der das gesamte Universum geschaffen hat, uns, ja ausgerechnet uns so nahekommt. Genau darum geht es in der alttestamentlichen Lesung dieses Festtags aus dem 1. Buch der Könige. Es handelt sich dabei um den Beginn des Gebets, mit dem der König Salomo damals in Jerusalem den Tempel geweiht hat. 3000 Jahre ist das nun schon her – und doch sind seine Worte auch für uns heute immer noch so aktuell. Sie zeigen uns, wie nahe Gott im Himmel uns ist: So nahe,

  • dass er uns hören kann
  • dass er mit uns sprechen kann
  • dass er sich finden lässt

 

I.

Als der Salomo damals den Tempel in Jerusalem weihte, breitete er zu Beginn seine Hände gen Himmel aus, so heißt es hier. Wir kennen diese Gebetshaltung auch heute noch in unseren Gottesdiensten, dass zum Beispiel der Pastor seine Hände am Altar so ausstreckt, wie es der Salomo damals auch getan hat – gen Himmel. Doch Salomo streckt seine Hände nicht gen Himmel aus, um auf diese Weise irgendwelche Funksignale zu senden, sondern er bringt damit zum Ausdruck, dass er sich nun im Gebet an Gott wendet – und dass Gott tatsächlich so nahe ist, dass der ihn hört.

Ja, wenn wir fragen, wo Gott ist, ist dies die erste Antwort, die uns hier im 1. Königebuch gegeben wird: Gott ist uns so nahe, dass er uns hören kann, ganz direkt, nicht erst Tausende von Lichtjahren später. Gott ist im Himmel – das heißt für uns: Wir können mit ihm sprechen, dürfen darauf vertrauen, dass wir nicht ins Leere rufen, sondern dass Gott sofort da ist, sofort ganz Ohr ist, wenn wir uns an ihn wenden.

Gebete sind eben keine Selbstgespräche, keine Form der Selbsthypnose, sondern ganz konkrete Erfahrung des Himmels hier auf der Erde. Gott ist ansprechbar, ist dazu bereit, sich alles anzuhören, was wir ihm zu sagen haben. Er gibt uns den Text unserer Gebete nicht vor, verlangt erst recht nicht, dass wir ihn auf Arabisch ansprechen. So nahe ist Gott uns, wenn wir ihn im Gebet ansprechen, dass wir in diesem Gebet regelrecht mit ihm ringen dürfen, ihn festnageln dürfen auf das, was er uns versprochen hat. Ja, diesen Zugang hat Christus uns noch einmal in einer ganz besonderen Weise eröffnet, indem er uns gezeigt hat, dass er der direkte Weg zu Gott ist, dass wir durch ihn direkt an Gottes Herz herankommen. Wenn wir im Namen unseres Herrn Jesus Christus beten, wenn wir Gott eben darum unseren Vater nennen, dann bleibt da kein Millimeter Abstand zwischen Gott und uns, dann ist der Himmel hier, noch näher, als wir es ahnen. Ja, wenn das kein Grund ist, die Himmelfahrt unseres Herrn zu feiern – die Himmelfahrt, die ihn, unseren Herrn, gerade nicht verschwinden lässt, sondern ihn uns immer näher bringt.


II.

Doch Salomo macht in seinem Tempelweihgebet deutlich, dass nicht nur wir uns an Gott wenden können im Gebet, sondern dass umgekehrt Gott uns auch so nahe ist, dass er mit uns sprechen kann und tatsächlich auch spricht. Wir müssen uns nicht selber unsere eigenen Gedanken darüber machen, was Gott wohl möglicherweise über uns denken könnte, sondern wir dürfen wissen, dass Gott ganz konkret zu uns geredet hat und dies auch weiter tut. Genau darüber staunt der Salomo hier in seinem Gebet, das er an Gott richtet, wie Gott in der Vergangenheit immer wieder seine Versprechen erfüllt hat, die er seinem Volk, ja besonders auch seinem Vater David gegeben hatte. So nahe war Gott seinem Volk gekommen, dass er sich in seinem Wort festgelegt hatte, dass er darin ganz und gar erkennbar wurde. Doch zugleich erfuhr Salomo auch: Wenn Gott ein Versprechen erfüllt, lässt er uns zugleich auch sehnsüchtig danach Ausschau halten, dass er noch mehr tut, um uns zum Ziel unseres Lebens zu führen.

Ja, genau so erfahren auch wir es immer wieder neu bei uns: Wir dürfen darüber staunen, dass Gott uns tatsächlich so nahegekommen ist, dass er in seinem Wort zu uns geredet hat. Wir dürfen darüber staunen, wie Gott sein Wort immer wieder an uns erfüllt. Wir staunen darüber, wie er in der Sendung seines Sohnes Jesus Christus erfüllt hat, was er zuvor im Alten Testament angekündigt hatte. Aber wir staunen eben auch darüber, dass er seine Zusagen an uns wahrmacht, dass er bei uns bleibt alle Tage bis an der Welt Ende, wie er es heute Morgen Emma in ihrer Taufe versprochen hat, dass er uns als seine Kinder niemals fallen lässt, was auch kommen mag. Ja, immer wieder dürfen wir Gott bei seinem Wort packen. Da ist er uns tatsächlich ganz nah. Und doch wissen wir zugleich auch, dass wir noch nicht am Ziel sind, dass Gott noch nicht alles erfüllt hat, was er uns versprochen hat. Noch erleben wir so viel Leid, so viel Angst, so viel Unrecht in unserem Leben, noch ist unser Leben gezeichnet von Krankheit, von Schuld, ja, vom Tod. Doch gerade weil wir immer wieder erfahren, wie Gott zu seinem Wort steht, dürfen wir darauf vertrauen, dass er uns mit seinem Wort auch weiter leiten wird, bis er uns schließlich dahin bringt, wo er auch einmal seine letzten Versprechen an uns wahrmachen wird. Ja, mit seinem Wort haben wir jetzt schon den Himmel ganz nahe bei uns, haben wir Gott selber ganz nahe bei uns, dürfen wir uns darum immer wieder an dieses Wort klammern. Ja, in diesem Wort ist Gott zu finden – und nicht hinter dem Mond.


III.

Ja, Gott lässt sich finden – das ist das Wunder, das wir an diesem Fest der Himmelfahrt Christi miteinander feiern. Schon dem Salomo damals war klar, wie groß dieses Wunder ist, dass Gott sich allen Ernstes an einem bestimmten Ort finden lässt: „Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich dir gebaut habe?“ Ja, naiv wäre es, wenn wir allen Ernstes glaubten, wir könnten selber Gott seinen Wohnsitz hier auf Erden vorschreiben, und sei es auch nur in der Form, dass wir meinen, wir könnten Jesus in unser Herz lassen. Nein, wir können Gott überhaupt nicht irgendwie in unsere Nähe holen. Doch Gott hat sich selber dafür entschieden, in unsere Nähe zu kommen, hat gerade auch darüber in seinem Wort gesprochen, wo sich denn hier auf Erden Himmel und Erde so berühren, dass wir Gottes Nähe unmittelbar erfahren können.

Heute Morgen in der Taufe ist dies beispielsweise geschehen, als Emma Christus angezogen hat wie ein Gewand, mit ihm eins geworden ist im Wasser der Taufe. Den Himmel auf Erden haben wir da erlebt, als Emma Kind Gottes und Erbin des ewigen Lebens wurde. Erlebt haben wir die Nähe Gottes, als uns heute Morgen die Hand aufgelegt wurde und gesagt wurde: „Dir sind deine Sünden vergeben!“ Da haben wir es hier am Altar ganz direkt erleben können, wie uns die Tür zum Himmel aufgeschlossen wurde und uns am Himmel Anteil gegeben wurde. Und wenn wir gleich wieder das Heilige Mahl feiern, dann singen wir das Lied der Seraphim vor dem Thron Gottes, das „Heilig, heilig“, dann erfahren wir es, wie derselbe Christus, der damals am Ölberg gen Himmel fuhr, leibhaftig hier bei uns Einzug hält und mit sich den ganzen Himmel bringt. Ja, Gott lässt sich finden, er will nicht, dass wir über ihn nur rätseln, auch wenn jetzt noch so vieles unverständlich bleibt, was wir hier erleben. Doch wenn wir hier an den Altar herantreten, wenn uns der Leib des Herrn in den Mund gelegt wird und wir sein Blut trinken, dann bleibt nichts mehr zweideutig, dann ist klar: Hier ist Gott, hier ist der Himmel, und du gehörst da hinein, bekommst jetzt schon Anteil am ewigen Leben. Ach, was ist schon ein Flug durch den Weltraum im Vergleich zu dem, was du hier in Berlin-Steglitz am Altar erlebst! Denn eines ist klar: Hier findest du Gott, den du in den Weiten des Weltraums nicht finden kannst. Hier lebt er in dir. Ja, genau dazu ist Christus gen Himmel gefahren, dass er sich hier und heute auf deine Zunge legen lässt. Ja, genau dazu ist Christus gen Himmel gefahren, damit du in den Himmel kommst – nicht erst irgendwann, sondern hier und jetzt. Denn Gott lässt sich finden, in der Südendstraße 19-21 in Steglitz, lässt sich von dir fassen, weil er es so will. Wenn das kein Grund ist, heute die Himmelfahrt Christi zu feiern! Amen.

Zurück