1. Korinther 12,27-31a | Tag des Apostels und Evangelisten St. Matthäus | Pfr. Dr. Martens

Nun sind die Feierlichkeiten zum Ashura-Fest im schiitischen Islam wieder vorbei. Eine traurige Feier war das, die jedes Jahr veranstaltet wird, um des Märtyrertodes von Imam Hossein zu gedenken: Die Männer schlagen sich und ritzen sich den Kopf, bis das Blut fließt, um so ihre Trauer über das Schicksal von Hossein zum Ausdruck zu bringen.

Rot ist auch die Farbe des heutigen Tages des Apostels und Evangelisten St. Matthäus. Und rot steht tatsächlich auch für die Farbe des Blutes, das die Apostel bei ihrem Märtyrertod vergossen haben, das auch Matthäus an seinem Lebensende vergossen hat. Und doch weinen und klagen wir heute Abend nicht, geschweige denn, dass ich mir jetzt die Gewänder vom Leibe reißen und mich vor der Gemeinde auspeitschen würde. Im Gegenteil: Wir feiern heute Abend einen fröhlichen Gottesdienst, danken Christus, dem Herrn der Kirche, in besonderer Weise für den Dienst seiner Apostel und damit auch für den Dienst des heiligen Matthäus.

Ja, die Apostel sind für die Kirche Jesu Christi lebensnotwendig. Eine Kirche ohne Apostel wäre nicht die Kirche Jesu Christi. Das muss man heute wohl wieder ganz neu betonen, wie es damals auch schon der Apostel Paulus betont hat. Wir leben heute in einer Zeit, in der es in vielen Kirchen immer unwichtiger zu werden scheint, ob das, was man dort lehrt und tut, noch apostolisch ist. „Apostolisch“ – das klingt so veraltet, so antiquiert und rückwärtsgewandt. Nun soll ein neuer Geist in der Kirche einziehen, der Geist der Zeit, der Geist des Fortschritts, der den von den Aposteln verursachten Reformstau endlich zu überwinden vermag. Oder aber man hat sich schon so weit von dem Wort der Apostel verabschiedet, dass man es gar nicht mehr in den Blick bekommt und nur noch danach fragt, wie die Kirche den Herausforderungen der Gegenwart am besten gerecht werden kann. Wer fragt schon noch nach dem Wort der Apostel, wenn es darum geht, mit vereinten Kräften die Klimakatastrophe zu verhindern!

Doch es bleibt dabei: Eine Kirche ohne die Apostel wäre und ist nicht die Kirche Jesu Christi. Die Kirche ist eben nicht ein Interessenverband von religiös interessierten und beschwingten Menschen, sondern sie ist der Leib Christi, so betont es St. Paulus in der Epistellesung dieses Aposteltages. Das bedeutet: Sie hängt ganz und gar von ihrem Haupt Jesus Christus ab. Und an Jesus Christus kommen wir eben ohne die Apostel nicht heran. Jesus Christus selber hat kein einziges Buch des Neuen Testaments geschrieben. Stattdessen hat er seine Apostel ausgesandt mit der Verheißung: „Wer euch hört, der hört mich!“ Die Apostel, sie sind die Augen- und Ohrenzeugen des Wirkens Jesu, seiner Worte und Taten, sie sind vor allem auch die Zeugen seiner Auferstehung. Und was sie im Auftrag Christi sagen, das sollen wir als das Wort Christi selber hören und annehmen. Wenn wir uns vom Wort der Apostel lösen, dann lösen wir uns von Jesus Christus selber. Am Wort der Apostel haben wir alles zu messen, was wir in der Kirche verkündigen, sollen ihre Botschaft weitergeben, weil wir in ihr Christus selber vernehmen dürfen. Die Apostel, sie sind und bleiben das Fundament der Kirche.

Darum feiern wir heute Abend, dass wir durch das Wort des Apostels und Evangelisten St. Matthäus, ja ganz konkret durch sein Evangelium, Zugang zu Christus selber haben. Wir feiern heute Abend, dass die Verkündigung der Kirche eine feste Grundlage hat und nicht abhängig ist von irgendwelchen persönlichen Ansichten oder politischen Vorlieben eines Predigers.

„Gott hat als erstes die Apostel in der Kirche eingesetzt“, so betont es auch St. Paulus hier in der Epistel. Das Amt der Apostel ist nicht durch Selbstentzündung entstanden, sondern als feste Setzung von Gott. Sie sind die ersten, die Gott eingesetzt hat. Aber auch wenn die Apostel in ihrer Funktion als Augen- und Ohrenzeugen der Auferstehung Christi einmalig sind und bleiben, ist es doch Gottes Wille, dass der apostolische Dienst der Verkündigung des Evangeliums weitergeführt wird durch andere Personen. Und so nennt St. Paulus hier zweitens Propheten und drittens Lehrer. Mit den Propheten sind hier nicht die Propheten des Alten Testaments gemeint, sondern Menschen, die in der Vollmacht Christi der Gemeinde sagen, was Christus seiner Gemeinde hier und jetzt zu sagen hat. Und mit den Lehrern sind natürlich keine Mathematiklehrer gemeint, sondern diejenigen, die die christliche Gemeinde in den Grundlagen des christlichen Glaubens unterrichten. Wenn wir im Neuen Testament weiterlesen, dann nehmen wir wahr, wie dieses doppelte Amt der Propheten und Lehrer später immer deutlicher zusammengefasst wird in dem Amt des Gemeindeleiters, der seine Gemeinde gerade nicht als Verwaltungschef leitet, sondern allein dadurch, dass er ihr das Wort verkündigt. Und zu diesem Amt werden diese Gemeindeleiter unter Auflegung der Hände von den Aposteln selber bevollmächtigt und erhalten ihrerseits den Auftrag, dieses Amt an andere weiterzugeben. Ja, die Kirche kann ohne die Apostel nicht leben – das heißt eben auch: Sie braucht Menschen, die in der Nachfolge der Apostel bis zum heutigen Tag das Evangelium weitertragen und verkündigen. Die Kirche, sie lebt zu allen Zeiten von dem Wort, das die Apostel und diejenigen, die das apostolische Amt weiterführen, verkündigen. Und doch bleiben die, die dieses Amt weiterführen, in ihrer Verkündigung immer an die ersten Apostel gebunden, können und dürfen sich davon nicht loslösen.

Doch zugleich macht St. Paulus hier deutlich: Der Dienst dessen, der in der Nachfolge der Apostel das Evangelium verkündigt, ist natürlich nicht der einzige Dienst in der Kirche Jesu Christi. Gewiss, er ist insofern etwas Besonderes, als in ihm Gott selber einen Menschen sein Leben lang mit Beschlag belegt. Er ist nicht nur eine Funktion, sondern mit einem konkreten Menschen untrennbar verbunden. Doch daneben gibt es viele andere Gaben, die Gott den Gliedern des Leibes Christi in der jeweils konkreten Gemeinde verliehen hat. Und jede dieser Gaben hat ihre ganz eigene Bedeutung. Die wichtigsten Gaben sind gerade nicht diejenigen, die besonders hervorstechen, die auf den ersten Blick beeindrucken. Die höchste Gabe des Heiligen Geistes ist die Liebe, so betont es St. Paulus gleich darauf in den Versen, die unserer Predigtlesung folgen. In jeder Gemeinde mag es jeweils andere besondere Begabungen geben – doch die Gabe der Liebe, sie ist in allen Gemeinden unverzichtbar. Praktische Hilfsdienste, praktische Dienste in der Leitung der Gemeinde – sie werden von Paulus bewusst vor der Gabe der Zungenrede genannt, die damals in Korinth von vielen als die höchste Gabe, als der Erweis der Begabung mit dem Heiligen Geist angesehen wurde. Jeder hat seine eigenen Gaben – und keiner soll meinen, seine Gabe sei wichtiger oder auch unwichtiger als die Gabe der anderen. Alle miteinander sind wir der Leib Christi – und da braucht jedes Glied den Dienst der anderen Glieder und wird von den anderen Gliedern gebraucht.

Ja, die Dienste in der Gemeinde – sie sind vom Heiligen Geist gewirkt. Und dieser Heilige Geist, der fällt eben nicht direkt vom Himmel, sondern der wirkt durch das apostolische Wort, wirkt durch die Sakramente, deren Stiftung die Apostel bezeugen.

Und so feiern wir heute Abend nicht nur den heiligen Matthäus selber. Sondern wir danken Gott dafür, dass wir hier in Steglitz apostolische Gemeinde sind, gegründet auf das Wort der Apostel, geweidet durch den Dienst der Verkündigung des Evangeliums, erfüllt von der Kraft des Heiligen Geistes, der auch in unserer Mitte wirkt. Apostolische Gemeinde sind wir – Leib Jesu Christi hier vor Ort in Steglitz, Leib Christi, in dem jeder von euch seine ganz eigene Gabe und Bedeutung hat. Gemeinsam sind wir gebunden an unseren apostolischen Ursprung und sind gerade so nicht veraltet, sondern im Gegenteil Kirche der Zukunft, Kirche, die sich vom Wort der Apostel dazu anleiten lässt, nach vorne zu schauen, hin auf ihn, Christus, den wiederkommenden Herrn. Amen.

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