1.Korinther 15, 12-20 | Ostermontag | Pfr. Dr. Martens
Letztes Jahr gab mein Computer ausgerechnet am Heiligen Abend seinen Geist auf. Ja, ich hatte theoretisch und allgemein und grundsätzlich immer gewusst, dass der Computer für meine Arbeit in der Gemeinde sehr wichtig, ja geradezu unverzichtbar ist. Aber wie sehr ich in meiner Arbeit, ja letztlich in meinem Leben überhaupt von dieser Kiste abhänge, das ist mir erst an diesem Tag aufgegangen, als der Computer tatsächlich nicht mehr funktionierte, als ich für einige Tage ganz ohne ihn auskommen musste. Seitdem weiß ich es noch einmal ganz anders zu schätzen, dass ich einen Computer habe, sehe es nicht mehr als so selbstverständlich an, mit solch einem Helfer im Büro arbeiten zu können.
Nun feiern wir in diesen Tagen wieder Ostern. Gewiss, für viele von euch ist es das erste Mal, dass sie in Freiheit Ostern feiern können. Und doch ist die Osterbotschaft für die meisten von uns zugleich auch schon wieder so selbstverständlich geworden: Jawohl, natürlich ist Jesus Christus von den Toten auferstanden, ganz klar. Wir gehören in unserer lutherischen Kirche nicht unbedingt zu denen, die sich peinlich berührt winden, wenn sie auf die Auferstehung Jesu angesprochen werden, die versuchen, die Auferstehung Jesu mit allen möglichen rhetorischen Tricks so lange umzudeuten, bis am Ende nur noch ein paar Allerweltswahrheiten als angeblicher Sinn der Auferstehungsbotschaft übrigbleiben: Jesu Auferstehung als Sinnbild dafür, dass man die Hoffnung nie aufgeben soll, dass ich in meinem Leben immer noch einmal von vorne anfangen kann. Wenn das alles wäre, dann könnten wir uns die Teilnahme am Gottesdienst tatsächlich sparen, dann würde uns auch die Lektüre der Lebensberatung in irgendeinem Frauenmagazin letztlich reichen. Doch hier in unserer Gemeinde sprechen wir, Gott sei Dank, immer noch ganz selbstverständlich davon, dass Jesus tatsächlich, wahrhaftig, ja leibhaftig auferstanden ist, müssen da nichts umdeuten, können es der Heiligen Schrift tatsächlich nachsprechen. Doch eben damit habe ich nun zugleich auch schon ein anderes Problem markiert, das wir tatsächlich auch bei uns haben mögen: Dass uns das Reden über die Auferstehung Jesu in der Tat schon so selbstverständlich geworden ist, dass wir uns gar nicht mehr klarmachen, wie entscheidend wichtig, wie bahnbrechend diese Botschaft von der Auferstehung tatsächlich ist.
Und da können uns nun die Verse unserer heutigen Epistel in der Tat eine ganz wichtige Hilfe sein, wieder neu zu entdecken, was für eine entscheidende Bedeutung die Botschaft von der Auferstehung Christi für uns, für unser Leben, für das Leben der Kirche überhaupt hat. Da betreibt der Apostel Paulus gleichsam so etwas wie einen geplanten und kontrollierten Totalabsturz eines Computers: Er spielt das einfach mal durch, was wäre, wenn, ja was wäre, wenn Christus in Wirklichkeit gar nicht auferstanden wäre. Und die Folgen, die das hätte, die können uns dann noch einmal ganz neu wertschätzen lassen, was es bedeutet, dass Christus tatsächlich auferstanden ist, können uns davor bewahren, jemals so zu tun, als sei es doch logisch und selbstverständlich und klar, dass Jesus auferstanden ist.
Ja, stellt euch vor, so schreibt der Apostel, dass Christus nicht auferstanden wäre! Was gäbe es dann eigentlich noch zu predigen? Wenn Christus tatsächlich im Grab verwest wäre, wenn wir uns nur an einen bemerkenswerten Propheten erinnern könnten, was bliebe dann eigentlich noch von unserem Glauben übrig? Ein Gottesdienst, in dem Christus höchstens noch in der Erinnerung gegenwärtig sein könnte, in dem wir aber ansonsten nur unter uns wären, ein Jesus-Gedächtnisverein – was für eine gruselige Vorstellung!
Der Apostel bringt es auf den Punkt: Wenn Jesus in Wirklichkeit gar nicht auferstanden ist, dann könnt Ihr Eure Bibeln allesamt wegschmeißen, dann sind sie nicht mehr als ein interessantes Zeugnis vorderorientalischer Religionsgeschichte, mehr nicht. Wenn Jesus in Wirklichkeit gar nicht auferstanden ist, dann beruht der christliche Glaube auf Lüge und Betrug, ja, sprechen wir es ruhig so offen aus. Da könnten wir die Dinge noch so sehr schönzureden versuchen – ohne die Auferstehung Jesu wird alles, wirklich alles falsch, was wir in der Bibel, was wir ganz besonders im Neuen Testament lesen können. Wenn Christus nicht auferstanden ist, ist der Apostel Paulus ein Lügner, sind auch die Evangelisten Lügner, die allesamt die Auferstehung Jesu so deutlich bezeugen.
Wenn Jesus nicht auferstanden ist – dann war auch sein Tod am Kreuz vergeblich, dann hat Gott ihn tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes hängen lassen, dann hat das Opfer Jesu keinen Sinn, ja dann haben wir eben auch keine Vergebung. Ja, sagen wir es ganz deutlich: Wenn Jesus nicht auferstanden ist, dann hat der Islam eben doch recht, der aus Jesus einen Propheten macht, der die Leute dazu anleitet, sich an alle möglichen Gesetzesvorschriften zu halten. Wenn Jesus nicht auferstanden ist, dann können wir uns die Beichte am Sonntagmorgen schenken, dann hat der auferstandene Christus die Vergebung der Sünden erst gar nicht gestiftet, dann gibt es keinen Grund, weshalb wir gewiss sein sollten, dass Gott uns hier am Altar tatsächlich unsere Sünden vergibt.
Wenn Jesus nicht auferstanden ist – ja, dann haben wir eben auch keine begründete Hoffnung mehr, wenn ein Mensch stirbt, dann müssen wir uns in alle möglichen hohlen Platitüden flüchten, dass der Mensch in unserer Erinnerung und in unseren Gedanken weiterlebt, dann bleibt eine Beerdigung letztlich doch eine völlig trostlose Angelegenheit. Ja, dann verengt sich unsere Lebensperspektive tatsächlich auf die paar Jahre, die wir hier auf Erden zubringen, dann müssen wir in der Tat Angst haben, nicht genügend mitzubekommen in den paar Jährchen, die uns hier auf Erden noch bleiben. Wenn Jesus tot geblieben ist, dann bleiben wir auch tot, da sollte man dann auch nicht drumherum reden.
Ja, wenn Jesus nicht auferstanden ist, dann wären wir Christen in der Tat saublöd. Wenn Jesus gar nicht lebt, warum lassen sich unsere Schwestern und Brüder in den Asylbewerberheimen dann von anderen Heimbewohnern bedrohen und schikanieren, wenn es doch nur um ein letztlich sinnloses Hobby geht, das sie pflegen. Wenn Jesus gar nicht lebt, was für einen Sinn macht es dann, dass Menschen in ihrer Heimat alles aufgegeben haben, was sie besaßen, nur um hier in unserem Land ihren Glauben in Freiheit leben zu können?
Ach, Schwestern und Brüder, ich breche hier lieber ab. Wir merken schon: Die Botschaft von der Auferstehung Christi ist nicht einfach eine nette Verzierung unseres christlichen Glaubens. An ihr hängt wirklich alles, wirklich alles, was in der Kirche geschieht, an ihr hängt auch unsere eigene Zukunft und Hoffnung, unsere ganze eigene Lebensperspektive.
Doch, gottlob – es ist alles nur ein Gedankenspiel! Und dieses Gedankenspiel kann uns helfen, wieder neu wertzuschätzen, was es bedeutet, dass Jesus tatsächlich lebt, dass er tatsächlich am dritten Tag auferstanden ist von den Toten. Ja, dieses Gedankenspiel kann uns helfen, wieder neu wertzuschätzen, dass wir im Neuen Testament jede Menge Zeugen finden, die mit ihrem eigenen Leben bezeugen: Jawohl, es stimmt, er, Jesus, ist auferstanden. Es ist kein Märchen, kein Fake, keine Lüge. Es ist die Realität unseres Lebens, es ist die neue Realität der Welt schlechthin, auch wenn sich zurzeit noch so viele Menschen dieser Realität entziehen. Unser Glaube beruht nicht auf Wunschdenken, sondern auf einem unfasslichen Ereignis, das schon damals das Leben von Menschen völlig verändert hat, wie auch das Leben des Apostels Paulus.
Ja, weil Christus auferstanden ist, darum ist diese Predigt nicht einfach bloß menschliches Gelaber, selbst wenn sie erst einmal ziemlich langweilig klingen mag. Ich bin kein Märchenonkel, sondern darf euch immer wieder neu von dem wichtigsten Ereignis der Weltgeschichte berichten, darf euch davon berichten, dass dieses Ereignis für euch und euer Leben direkte Bedeutung hat. Darum und um nicht weniger geht es in der Predigt. Und wenn du glaubst, was du hörst und was dir aus der Heiligen Schrift gesagt wird, dann darfst du gewiss sein: Ich lasse mich hier nicht auf ein völlig abwegiges Hobby ein, sondern ich darf wahrnehmen, was einmal alle Menschen erkennen werden, ja, ich weiß schon hier und jetzt um den, vor dem einmal alle Menschen aller Zeiten auf die Knie sinken werden.
Weil Christus auferstanden ist, ist die Bibel kein Märchenbuch, sondern nachgerade stammelndes Zeugnis dessen, was Menschen mit dem auferstandenen Christus erlebt haben. Weil Christus auferstanden ist, ist unser Glaube nicht bloß auf menschliche Meinungen gegründet, sondern auf Geschehnisse, die nicht von unserem menschlichen Vorstellungsvermögen abhängig sind. Weil Christus auferstanden ist, darum passiert tatsächlich hier etwas, wenn ihr im Beichtgottesdienst nach vorne kommt und euch die Hand aufgelegt wird, weil es der lebendige Christus selber ist, der euch freispricht und wegnimmt, was euch von Gott trennen könnte. Weil Christus auferstanden ist, darum haben wir allen Grund dazu, am Grab eines Christenmenschen einen fröhlichen Ostergottesdienst zu feiern und selbst in aller Traurigkeit immer noch Halleluja zu singen, weil wir wissen: Wer mit Jesus Christus verbunden ist, der wird leben, wie er, Jesus, lebt. Die Auferstehung Jesu ist nicht bloß ein sensationelles Geschehen, das für Jesus selber am Ende ganz erfreulich verlaufen ist. Sondern er, Jesus, hat das Loch in die Mauer des Todes gestoßen, das keine Macht der Welt mehr schließen kann. Keine Macht der Welt kann Jesus daran hindern, auch dich durch dieses Loch in seine neue Welt hineinzuziehen, in der der Tod seine Macht einmal endgültig verloren haben wird.
Ja, weil Jesus Christus auferstanden ist, darum seid ihr nicht blöde, wenn ihr um eures Glaubens willen alles aufgegeben habt, was ihr habt. Weil er, Jesus, auferstanden ist, seid ihr im Gegenteil weitseitig gewesen, als ihr alles andere zurückgestellt habt, nur um zu ihm, Jesus, gehören zu können, nur um euch taufen lassen zu können. Nein, die Taufe ist eben nicht bloß eine nette, feierliche Zeremonie, sie ist nicht weniger als die Geburt in das neue, ewige Leben, das Jesus mit seiner Auferstehung euch eröffnet hat. Die Taufe ist nicht bloß ein Symbol, sondern das wichtigste Geschehen im Leben eines Menschen. Das Heilige Mahl ist nicht bloß ein Symbol, sondern hier begegnet ihr tatsächlich dem leibhaftig auferstandenen Herrn in den Gestalten von Brot und Wein. Ja, weil Jesus auferstanden ist, macht dieser Gottesdienst Sinn, macht gerade auch dieser feierliche Gottesdienst Sinn, ja einzig und allein, weil er, Jesus, lebt. Und wenn sie dir das Leben in dem Heim noch so schwer machen: Du bist kein bedauernswerter Mensch, sondern ein Mensch, der es so viel besser hat als die, die dich als Ungläubigen beschimpfen. Du hast ihn, den lebendigen Herrn, auf deiner Seite. Du hast eine Hoffnung, die dir niemand nehmen kann, und wenn er dich noch so sehr bedroht!
Schwestern und Brüder: Bei einem Computer kann es tatsächlich geschehen, dass er eines Tages kaputt geht und wir dann blöde dastehen. Bei der Auferstehung Jesu ist das anders. Die kann nicht wieder rückgängig gemacht werden, die kann nicht wieder kaputt gehen. Keinen Augenblick der Weltgeschichte wird es geben, der nicht mehr im Lichtschein der Auferstehung unseres Herrn steht. Euer Glaube ist nicht vergeblich. Auch diese Predigt ist nicht vergeblich. Denn Christus lebt – und darum ist er hier und jetzt in unserer Mitte, um dir zu begegnen, um dir das ewige Leben zu schenken. Ja, gottlob, es ist keine Floskel, es ist die entscheidende Realität auch deines Lebens: Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja! Amen.