1. Korinther 15,19-28 | Heiliges Osterfest | Pfr. Dr. Martens

Nun haben wir es also schwarz auf weiß: Der Staat hat das Recht dazu, uns die Feier von Ostergottesdiensten, ja von Gottesdiensten überhaupt in unserer Kirche zu verbieten, weil durch ein solches Verbot „der Kernbereich der Religionsfreiheit ... nicht berührt“ werde, so hat es das Verwaltungsgericht Berlin vor einer Woche entschieden. Die Teilnahme an den Sakramenten gehöre nicht zum Kernbereich unseres Glaubens, der durch die Religionsfreiheit geschützt wird. Und die Vertreter der Kirchen – sie haben auf dieses unfassliche Urteil mit ohrenbetäubendem Schweigen reagiert. Starr vor Furcht vor dem Coronavirus wie einst die Jünger vor der Erscheinung ihres auferstandenen Herrn scheuen sie sich, dem Staat selbst da noch zu widersprechen, wo er sich die Entscheidung darüber anmaßt, was denn nun zum Kernbereich unseres christlichen Glaubens gehört und was nicht. Ja, was wäre, wenn ein Verwaltungsgericht aus irgendwelchen Gründen nun die Feier von Ostern in unserem Land überhaupt verbieten würde? Hätten die Kirchen dann noch den Mut und die Kraft, dem zu widersprechen, oder würde man auch dies ganz staatsergeben akzeptieren?

Vereinzelt kann man erleben, dass Vertreter der Kirchen versuchen, Argumente dafür zu liefern, dass doch auch die Kirchen „systemrelevant“ seien – natürlich nicht so systemrelevant wie Baumärkte und Eisdielen, die deswegen natürlich geöffnet bleiben können, aber vielleicht ein bisschen ja doch, weil doch auch in Kirchen gerade in Krisenzeiten Seelenmassage angeboten werde, die viele Menschen in diesen Tagen ganz gut gebrauchen könnten. Aber, so gibt man dann auch schnell zu: Das lässt sich heutzutage ja auch alles ganz gut auf digitalem Wege erledigen. Oder man lässt, wie es heute Mittag hier in Steglitz im Auftrag der evangelischen Kirche geschieht, ein Flugzeug mit dem Banner „Friede sei mit euch“ über die Köpfe der Menschen fliegen, um ihnen auf diesem Wege etwas Besonderes an diesem Osterfest zu bieten und sich als Kirche noch bemerkbar zu machen.

Ist die Feier von Ostern also überhaupt systemrelevant, oder kann man doch ganz gut auch grundsätzlich auf sie verzichten? Ja, wozu feiern wir eigentlich überhaupt noch Ostern?

Hätte man den Apostel Paulus damals gefragt, ob er Ostern und die Osterbotschaft für systemrelevant hält, dann hätte er wohl nur mit dem Kopf geschüttelt. Auf diese Idee wäre er nun wirklich überhaupt nicht gekommen, dass sein Wirken dazu dienen könnte, das gesellschaftliche System, in dem er lebte, zu stabilisieren. Im Gegenteil, so hätte er wohl betont, stellt meine Botschaft alle Machtansprüche der Herrschenden grundlegend in Frage. Denn dass Christus von den Toten auferstanden ist, das bedeutet, so entfaltet es der Apostel in der Predigtlesung des heutigen Sonntags, nicht weniger als dies, dass ihm, Christus, alle Macht zukommt, ja, dass er am Ende der Zeit einmal alle Herrschaft und alle Macht und Gewalt vernichten wird. Allen staatlichen Allmachtsphantasien widerspricht die Osterbotschaft von daher mit aller Entschiedenheit: Es ist nicht Aufgabe des Staates, darüber zu befinden, was der Kern des Glaubens der Kirchen ist; es ist nicht Aufgabe des Staates, den Glauben von Asylsuchenden zu vermessen und nachher zu konstatieren, ob die Tiefe ihrer Gottesbeziehung ausreicht, um sie hier weiter in Deutschland leben zu lassen. Wohl aber sollten sich all diejenigen, die in diesem Land Ämter und Aufgaben innehaben, stets bewusst sein, dass sie sich einmal vor dem auferstandenen Christus werden verantworten müssen für das, was sie getan und geurteilt haben.

Doch dass Christus einmal alle Herrschaft und Macht und Gewalt vernichten wird, bedeutet nicht, dass die Kirche ihrerseits nun an der Macht ihres Herrn schon hier in der Gesellschaft Anteil haben sollte, dass sie die Herrschaft in dieser Welt schon einmal an Christi statt ausüben sollte. Ihre Aufgabe besteht auch nicht darin, dem, was die Regierenden beschließen, nun noch irgendwelche religiösen Weihen zu verleihen. Die Kirche hat für die Regierenden zu beten, ganz gewiss. Aber sie hat ihnen auch in aller Form zu widersprechen, wo sie ihre Grenzen überschreiten, wo sie tun, was mit dem Wort und Willen des auferstandenen Christus unvereinbar ist. Und damit gerät sie dann auch immer wieder an den Rand der Gesellschaft, so betont es der Apostel Paulus hier sehr deutlich: „Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.“ Wir können als Christen nicht damit rechnen, dass wir hofiert und für systemrelevant erklärt werden. Viel eher ist es das Normale, dass Christen in einer Gesellschaft angefeindet und ausgegrenzt werden. Der Hass und die Häme, die in unserem Land christlichen Asylsuchenden und den Kirchen, die sie unterstützen, von staatlicher Seite entgegenschlägt, sind von daher nichts Überraschendes und doch noch gering im Vergleich zu dem, was Christen in so vielen anderen Ländern erleben.

Ja, warum riskieren Christen in so vielen Ländern dieser Erde ihr Leben für den Glauben an Christus? Menschlich gesprochen ist es ein Wahnsinn, was diese Menschen machen: Sie verlieren oft genug ihren Beruf, ihr Hab und Gut, müssen damit rechnen, inhaftiert, ja gefoltert zu werden, müssen damit rechnen, dass sie am Ende ihr Land verlassen müssen, ja in vielen Fällen sogar getötet werden. „Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.“ Ja, mit diesen elendesten unter allen Menschen haben wir in der Arbeit unserer Gemeinde zu tun, mit Menschen, die eben auch hier in Deutschland wegen ihrer Hinwendung zum christlichen Glauben nicht in das System passen, oft über viele Jahre hinweg schikaniert und an den Rand gestellt werden. Warum tun diese Menschen sich das an? Weil ihnen das Leben hier in Deutschland so gut gefällt? Ach, wie naiv, ja wie zynisch muss man sein, um so etwas zu behaupten!

Nein, es gibt nur einen Grund, warum diese Menschen sich das antun, als elendeste unter allen Menschen weiterzuleben. Und dieser eine Grund ist Ostern, das wirkliche Ostern, nicht das Osterhasen- und Ostereierfest, nicht das Frühlingsfest, auch nicht die Feier der Allerweltsweisheit, dass man in seinem Leben die Hoffnung niemals aufgeben sollte, weil am Ende ja doch noch alles gut wird.

Sondern das wirkliche Ostern hat nur einen Inhalt: „Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind.“ Das ist nicht nur ein schönes Hoffnungsbild, keine Allerweltsweisheit, sondern ein unfassliches Geschehen, das sich so tatsächlich ereignet hat, dass es den Apostel Paulus total umgehauen, sein ganzes bisheriges Leben total auf den Kopf gestellt hat. Paulus ist diesem auferstandenen Christus selber begegnet und hat von einer Sekunde auf die andere gemerkt: Das ist das wichtigste Ereignis der Weltgeschichte. Denn wenn Christus wirklich auferstanden ist, dann ist alles anders in dieser Welt: Dann ist mit dem Tod eben nicht alles aus, dann kann auch gar nicht mehr alles aus sein mit dem Tod, weil Christus mit seiner Auferstehung eine Bewegung in Gang gesetzt hat, die überhaupt nicht mehr zu stoppen ist.

Es ist so etwas wie eine positive Corona-Infektion: Christus ist der Erstling, er hat mit seiner Auferstehung ein neues, unzerstörbares Leben in die Welt gebracht. Und diese Infektion ist von nun ab nicht mehr aufzuhalten: In jeder Taufe infiziert Christus den nächsten mit diesem neuen Leben, ja, dieses Leben breitet sich immer weiter aus, und dagegen helfen auch alle staatlichen Eindämmungsmaßnahmen nicht. Im Gegenteil: Je mehr Staaten gegen die Ausbreitung dieses neuen Lebens in Christus vorzugehen versuchen, desto mehr beschleunigen sie diese positive Infektion.

Christus hat den Tod besiegt, er lebt, und auch du bekommst dieses neue Leben, hast es schon bekommen in deiner Taufe. Daran kann auch kein Gottesdienstverbot etwas ändern, daran könnte auch kein Osterverbot etwas ändern. Was am Ostersonntagmorgen in Jerusalem geschehen ist, das nimmt seinen Lauf, das wird immer weiter gehen bis zu dem Tag, an dem Christus einmal sichtbar wiederkommen und dem Tod einmal endgültig ein Ende bereiten wird.

Gewiss, Regierungen mögen Ostergottesdienste verbieten oder auch die Feier von Ostern überhaupt. Doch Ostern abschaffen – das kann keiner, weil keiner Christus mehr in das Grab zurückbefördern kann, aus dem er auferstanden ist. Bräsige Kirchen mögen die Verbreitung des Osterglaubens verlangsamen können, wenn sie von allem Möglichen sprechen, aber nicht von dem auferstandenen Christus. Doch der lebendige Christus selber wird immer wieder neu Wege finden, dass es im Leben von Menschen Ostern wird, bei denen niemand je gedacht hätte, dass dies einmal geschehen könnte. Er, der auferstandene Herr, kann selbst noch das Morden der Taliban dazu gebrauchen, um so viele Menschen aus Afghanistan zu sich zu führen, dass auch sie ihn als ihren lebendigen Herrn erkennen.

Wer zuvor nur eine Religion erlebt hatte, die den Menschen Angst machte, die keine Hoffnung zu schenken vermochte, und wer dann erfahren hat, dass Jesus tatsächlich lebt, dass er tatsächlich hier und jetzt in unserem Leben am Werk ist, dass er Freude schenkt auch über den Tod hinaus, ja, der wird tatsächlich dazu bereit sein, für diese wunderbare Botschaft auch sein Leben zu riskieren, in diesem Leben zu den elendesten unter allen Menschen zu zählen. Wer einmal erlebt hat, was es bedeutet, dass wir dem auferstandenen Christus leibhaftig mit seinem Leib und Blut im Heiligen Mahl begegnen, der wird sich nie mehr die Sehnsucht danach nehmen lassen, ihn immer und immer wieder zu empfangen, wird sich auch niemals bloß mit frommen Youtube-Videos oder Fernsehübertragungen zufriedengeben. Und wer erkannt hat, dass Christus unserem Tod seinen Schrecken genommen hat, der wird sich auch nicht von Angst lähmen lassen in diesen kommenden Monaten, in denen wir werden lernen müssen, mit der ständigen Möglichkeit einer Corona-Infektion zu leben. Als Christen werden wir in diesen kommenden Monaten gelassen mit diesen Gefahren umgehen können, werden natürlich tun, was wir können, um andere Menschen zu schützen, und werden dennoch in unseren Alltag zurückgehen in dem Wissen, dass wir den Stärkeren an unserer Seite haben, ihn, unseren auferstandenen Herrn. Ostern endet eben auch nicht morgen am Ostermontag. Für uns Christen bleibt es Ostern das ganze Jahr hindurch, gerade auch durch dieses in vielem so schreckliche Jahr 2020 hindurch. Wir wissen, wer stärker ist als alle Viren, wer stärker ist auch als unsere menschliche Furcht: Er, den heute am Ostersonntagmorgen auch alle staatlichen Ordnungshüter nicht davon abhalten konnten, sein Grab zu verlassen. Ja, das feiern wir heute in unseren Wohnungen, und das werden wir, Gott geb’s, dann auch in Zukunft auch wieder in unserer Kirche feiern können. Doch wo auch immer wir in den kommenden Monaten sein werden: Ostern bleibt es allemal, weil dies die Wahrheit ist und bleibt: Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja! Amen.   

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