1. Korinther 15,50-58 | Ostermontag | Pfr. Dr. Martens

In den Supermärkten einiger großer Discounter-Ketten konnte man in diesen vergangenen Tagen ein ganz neues Produkt erwerben: den „Traditions-Hasen“. Früher nannte man ihn mal „Osterhasen“, aber das könnte nun doch religiösen Gefühle von Supermarkt-Besuchern verletzen, und so gibt es also jetzt „Traditions-Hasen“ zu kaufen. Geradezu reflexartig reagierten bestimmte Kreise auf diese Meldungen von den „Traditions-Hasen“. Sie sahen gleich wieder das christlich-abendländische Erbe in Gefahr und deuteten die Umbenennung des Osterhasen als Kapitulation vor dem Islam.

Schwestern und Brüder, falls es sich noch nicht überall herumgesprochen hat: Der Osterhase ist für die Bewahrung des christlich-abendländischen Erbes etwa so wichtig wie der Weihnachtsmann von Coca-Cola. Wer sich dem Kampf zur Verteidigung des Osterhasen widmen will, der möge dies gerne tun. Nur soll er sich dabei bitte nicht zum Anwalt des christlichen Glaubens machen. Abgesehen davon versprüht diese Umbenennung des Osterhasen in etwa denselben Charme wie die Umbenennung der Engel in „Jahresendflügelpuppe“ zu Zeiten der DDR.

Doch es fällt natürlich auf, dass man sich heute in unserem Land tatsächlich immer schwerer damit tut, noch bewusst von „Ostern“ zu reden. Denn man ahnt, dass Ostern eigentlich völlig querliegt zu unserem heutigen Lebensgefühl, dass Ostern in Wirklichkeit eben doch noch etwas anderes ist als bloß ein nettes Frühlingsfest. Wer von Ostern spricht, der muss eben zugleich auch vom Tod reden, denn Ostern ohne Tod ist nun mal kein Ostern. Und wenn da vom Tod die Rede ist, da geht es zu Ostern eben niemals bloß um den Tod eines Menschen namens Jesus von Nazareth damals vor 2000 Jahren, sondern es geht ganz direkt um unseren Tod, darum, was Christus selber mit diesem unserem Tod angestellt hat. Und es geht zu Ostern um unseren Leib, um unseren Körper. Denn wenn wir die Auferstehung Jesu feiern, dann feiern wir etwas Leibhaftiges, Körperliches, nicht bloß eine nette Idee oder gar eine nette Erinnerung an einen Toten. Sondern wir feiern, dass Jesu Leib nicht mehr im Grabe zu finden war, dass Jesus sich nach seiner Auferstehung anfassen ließ, ja sich bis heute immer wieder anfassen lässt, wenn wir ihm begegnen im Heiligen Mahl.

Und dieses Ostern liegt tatsächlich quer zu den Lebensentwürfen der meisten Menschen heutzutage in unserem Land. Wir wollen nicht gerne an unseren Tod erinnert werden, wollen uns damit nicht gerne auseinandersetzen. Was wir wollen, ist Spaß hier und jetzt. Was wir wollen, ist, möglichst viel zu erleben in den paar Jahren, die uns ohnehin nur zur Verfügung stehen. Was wir wollen, ist möglichst immer mehr hineinzupacken in die knappe Zeit, die uns noch bleibt. Was wir wollen, ist Beschleunigung, so gut es eben geht, damit wir mehr in unsere Lebenszeit hineinpacken können. Wir wollen nicht an unseren Tod denken – und doch lassen wir uns mehr oder weniger unbewusst von eben diesem Tod in unserem Leben die ganze Zeit treiben, wollen ihm mit allen möglichen Mitteln entkommen.

Und wenn wir denn doch an unseren Tod denken, dann mag uns heutigen Menschen dabei alles Mögliche in den Sinn kommen, aber nicht unbedingt die Auferstehung. Wenn wir nicht den Mut haben, ganz konsequent davon zu reden, dass nach dem Tod biologisch-chemisch gesprochen nichts mehr von uns übrigbleibt, gehen wir doch eher von einer Art von geistigem Weiterleben aus: Wir leben weiter in der Erinnerung derer, die zurückbleiben. Wir leben weiter als Seele, die sich dann danach vielleicht sogar wieder einen neuen Körper sucht, um ihren Existenzweg fortzusetzen. Aber das Ich, das ich bin, das existiert doch eigentlich ganz unabhängig von meinem Leib, hat nur mehr oder weniger zufällig etwas mit ihm zu tun. Geistiges Weiterleben in der einen oder anderen Form – ja, solche Gedanken mögen noch irgendwo akzeptabel und mehrheitsfähig sein. Doch Auferstehung – das scheint doch nun wirklich primitiver Kinderkram zu sein, das kann doch gar nicht sein, dass ich ernsthaft mit diesem meinem Körper noch mal weiterlebe! Ist es nicht ein viel schönerer Gedanke zu wissen, dass man irgendwie geistig weiterexistiert, als dass man allen Ernstes auf seine Auferstehung wartet?!

Schwestern und Brüder: Es ist erstaunlich, wie aktuell die Aussagen der Heiligen Schrift auch zu diesem Thema immer wieder sind. Da hatte schon damals der Apostel Paulus in der Gemeinde in Korinth mit Menschen zu tun, die in vielem ganz ähnlich dachten wie die Leute heute. Gewiss, sie glaubten damals tatsächlich, fromme Christen zu sein. Aber ihre Lebenseinstellung war doch in vielem dieselbe wie heute auch. Sie glaubten, dass sie jetzt schon geistig auferstanden seien, und hielten den Gedanken an eine Auferstehung irgendwann in der Zukunft für völligen Quatsch. Sie konzentrierten sich nur auf das Leben hier und jetzt, und weil für sie der Glaube nur so was Geistiges war, glaubten sie zudem, mit ihrem Körper machen zu können, was sie wollten. Spaß hier und jetzt – und was nach dem Tod kommt, ist alles nicht so wichtig, da wollen wir lieber gar nicht so sehr daran denken. Berlin im Jahr 2018 und Korinth im Jahr 50 damals – da ist der Unterschied gar nicht so groß.

Doch Paulus macht diesen Leuten in Korinth deutlich, dass sie offenbar überhaupt noch nicht verstanden haben, worum es im christlichen Glauben eigentlich geht. Ihr glaubt, ihr seiet schon geistig auferstanden und haltet nichts von der Auferstehung eures Leibes? Dann braucht ihr auch nicht Ostern zu feiern, dann könnt ihr eigentlich auch ohnehin aufhören, Christen zu sein. Wenn ich mit der leiblichen Auferstehung Jesu nichts anfangen kann, dann kann ich als Christ eigentlich einpacken. „Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen“, so haben wir es eben in der Epistel gehört, einige Verse vor unserer heutigen Predigtlesung.

Wenn ihr das Thema „Auferstehung“ so einfach beiseite packt, dann seid ihr extrem kurzsichtig, so schärft es der Apostel den Christen in Korinth, so schärft er es auch uns ein. Es gibt kein automatisches Weiterleben nach dem Tod, wie sich viele das so vorstellen. Mit dem Tod ist erst einmal ganz und gar Schluss und nicht nur teilweise. Das meint Paulus, wenn er hier schreibt: „Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit.“ Es gibt keinen fließenden Übergang von dem Leben hier auf Erden in ein Leben nach dem Tod. Wenn wir als Christen nur daran glauben würden, dass wir nach dem Tod irgendwie weiterleben, dann könnten wir uns in der Tat mit dem Genuss von Traditions-Hasen zufriedengeben. Wozu ist Christus auferstanden, wenn es mit unserem Leben nach dem Tod sowieso automatisch weitergeht?

Nein, ohne die Auferstehung Christi wäre der Tod in der Tat eine völlig trostlose Angelegenheit, machen wir uns nichts vor. Doch weil Christus auferstanden ist, haben wir eine Hoffnung, die sich in der Tat ganz deutlich von den volkstümlichen Vorstellungen von einem angeblichen Leben nach dem Tod unterscheidet. Zunächst einmal erinnert Paulus daran, dass wir immer mit der Wiederkunft Christi rechnen sollen. Es wird einmal Menschen geben, die überhaupt nicht sterben werden, weil Christus schon vor ihrem Tod wiedergekommen sein wird. Ach, wäre das schön, wenn auch wir zu ihnen zählen würden! Doch selbst wenn wir die Wiederkunft Christi erleben würden, könnten wir auch nicht einfach so in den Himmel einmarschieren. Denn auch die, die dann noch leben, werden „verwandelt“ werden, so formuliert es Christus. Und das gilt in ganz gleicher Weise eben auch für die, die bis dahin schon gestorben sein werden und mit Christus verbunden gewesen sind: Sie werden auferstehen, weil sie mit Christus verbunden waren – und dann werden sie die Unverweslichkeit und Unsterblichkeit „anziehen“, so formuliert es Paulus hier so schön.

Das ist ein wunderbares Bild, das Paulus hier gebraucht. Ja, du wirst einmal vor Gott stehen mit Leib und Seele. Du wirst wieder du selber sein, mit deiner Lebensgeschichte, mit deinen schönen und mit deinen schweren Erfahrungen, mit dem Glück deines Lebens und auch mit all deinen tiefen Verletzungen. Die gehören alle mit zu dir. Aber dann wirst du umkleidet werden mit einer neuen Realität, mit der Unsterblichkeit. Nichts von dem, was gewesen ist, wird dich noch schmerzen. Und dein Leben wird nie mehr geprägt sein von der Angst, etwas zu verpassen, von der Angst vor dem Tod. Denn den Tod wird es dann nicht mehr geben. Du wirst mit einem verwandelten Leib vor Gott stehen und dich so sehr freuen, dass es für dich keine Zeit mehr geben wird, in alle Ewigkeit.

Ja, das wird mit dir, mit deinem Leib geschehen, eben weil du jetzt schon auch mit deinem Leib mit Christus verbunden bist. Über deinen Leib ist das Wasser der Wiedergeburt geflossen in deiner Heiligen Taufe. Und mit deinem Leib nimmst du den Leib und das Blut Christi auf, das Heilmittel der Unsterblichkeit. All das ist schon die Vorbereitung auf den großen Augenblick, an dem du verwandelt werden wirst, an dem wir alle miteinander verwandelt werden am Tag der Auferstehung.

Ja, das ist noch Zukunft für uns – und es ist wichtig, dass wir das nicht überspielen und so tun, als seien wir schon am Ziel. Sind wir noch nicht – und wenn wir mal auf unser Leben hier und jetzt schauen, dann wissen wir das eigentlich auch sehr genau, dass wir noch nicht am Ziel sind. Aber weil Christus auferstanden ist, dürfen wir jetzt schon gewiss sein: Wenn ich mit ihm, Christus, verbunden bin, dann wird das auch an mir, an meinem Leib geschehen. Und darum singen wir das Siegeslied derer, die auferstanden sind, auch schon hier und jetzt in diesem Gottesdienst: „O Tod, wo ist dein Stachel nun, wo ist dein Sieg, o Hölle?“ Ja, der Tod piekst uns im Augenblick noch ganz gewaltig, und er tut uns weh, ganz gewiss. Aber weil Christus auferstanden ist, weil wir zu ihm gehören, dürfen wir jetzt schon teilhaben an der großen Siegesfeier unseres Herrn Jesus Christus, wenn er uns gleich wieder einlädt zu seinem Heiligen Mahl. Da werden wir schon hier und jetzt nicht nur mit Christus verbunden, sondern durch ihn auch mit all denen, die jetzt schon den Tod hinter sich gelassen haben, die jetzt schon dort sind, wo für sie schon Gegenwart ist, was für uns noch Zukunft bleibt. Sie jubeln schon aus vollem Herzen, verspotten jetzt schon den Tod, der sie doch nicht daran hindern konnte, für immer mit Christus zu leben. Und wir, wir dürfen es wagen, jetzt schon in ihr Lied einzustimmen. Ja, genau darum geht es zu Ostern: um unseren Tod und um unseren Leib – und vor allem anderen um Christus, der den Tod leibhaftig besiegt hat.

Ob ich bei Karstadt Traditionshasen oder Osterhasen kaufen kann, das kann mir als Christ vollkommen egal sein. Daran hängt für mich gar nichts. Aber dass Christus auferstanden ist und durch sein Heiliges Mahl leibhaftig in mir lebt – daran hängt für mich alles. Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unseren Herrn Jesus Christus! Halleluja! Amen.

Zurück