1.Korinther 3, 9-15 | Mittwoch nach dem Ewigkeitssontag| Pfr. Dr. Martens
In diesen letzten vier Wochen haben sich bei uns in der Gemeinde nun schon über 200 neue Taufbewerber gemeldet. Kein Wunder, dass da Fragen aufkommen: Das kann doch gar nicht sein, dass die das alle ernst meinen – die können wir doch nicht alle auch noch aufnehmen! Das kann doch alles gar nicht echt sein!
Schwestern und Brüder, natürlich tun wir gut daran, sorgsam darauf zu schauen, ob Menschen, die zu uns kommen, es mit ihrem Anliegen wirklich ernst meinen. Natürlich geben wir ihnen erst einmal eine Vorbereitungszeit und prüfen sie dann am Ende vor der Taufe auch noch einmal – wenn sie denn überhaupt von sich aus am Ende sagen, dass sie getauft werden wollen. Natürlich versuchen wir, die Standards hier in unserer Gemeinde hochzuhalten. Und doch können wir am Ende niemandem ins Herz sehen, können wir nicht voraussagen, ob Menschen, die erst einmal mit großer Begeisterung hier bei uns sind, später dann doch wieder abtauchen und sagen, sie hätten für Christus keine Zeit mehr. Das haben wir nicht in der Hand.
Tröstlich sind von daher die Worte unserer heutigen Predigtlesung für uns. Sie lenken unseren Blick gerade jetzt in diesen Fragen, die uns zurzeit umtreiben, auf das, was wirklich wichtig ist, was wirklich zählt.
Und da verweist uns der Apostel Paulus hier zunächst einmal auf die Grundlage aller Gemeindearbeit: „Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ Es sollte uns in unserer Gemeindearbeit nicht zunächst und als erstes darum gehen, dass wir darüber richten, wer denn nun ein wirklicher Christ ist und wer nicht. Das erste und wichtigste ist, dass wir immer wieder neu den Grund legen, der gelegt ist, dass wir immer und immer wieder Christus predigen und verkündigen und zu ihm einladen. Darum geht es in der Kirche – und wenn wir das nicht täten, dann könnten wir tatsächlich unseren Laden schließen. Wenn wir die Menschen hier bei uns nicht zu Christus führen würden, wenn wir ihnen nicht zuerst und vor allem immer und immer wieder davon erzählen würden, was Christus für sie getan hat und tut, dann wäre alle unsere Gemeindearbeit vergeblich, dann bräuchten wir auch diese Kirche nicht zu sanieren, dann wären auch alle Zahlen über das Wachstum unserer Gemeinde nur völlig hohl und leer. Ganz gleich also, ob viele oder wenige Menschen in unsere Kirche kommen, ganz gleich, ob viele oder wenige bleiben: Wir predigen Christus, wir teilen Christus aus, wir legen Menschen Christus ans Herz, wir verkündigen die gute Botschaft von ihm. Das ist in der Tat unsere Aufgabe, so und nicht anders geht Gemeindeaufbau. Aber da gibt es dann eben auch gar keinen Unterschied zwischen denen, die ganz neu zu uns kommen, und denen, die schon 80 Jahre mit dabei sind: Wir alle brauchen Christus in derselben Weise, wir alle haben es immer wieder nötig, sein Wort zu hören und ihn vor Augen gestellt zu bekommen. Niemals können wir Christus als Thema hinter uns lassen und uns anderem, angeblich Interessanterem widmen. Ja, wenn du hier in der Kirche etwas anderes erwartest als Christus und sein Evangelium, dann bist du hier in der Tat falsch – besser gesagt: Dann hast du es ganz besonders nötig, wieder neu auf den Grund gewiesen zu werden, auf dem nicht nur die Kirche steht, sondern auf dem auch du seit dem Tag deiner Taufe stehst!
Dass alle Arbeit in der Gemeinde allein auf Christus ausgerichtet sein soll, bedeutet zugleich auch, dass es in der Kirche niemals darum gehen soll und darf, wer es denn ist, der auf Christus hinweist und Christus austeilt. „Ich nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut.“ – So schreibt es der Apostel. Niemals darf es passieren, dass diejenigen, die in der Gemeinde arbeiten, sich selber als den Grund der Gemeinde ansehen, auf sich, auf ihre Person die Gemeinde bauen. Gerade wenn Gemeindegründung geschieht, braucht es natürlich einen Baumeister für den Anfang, so schreibt es auch der Apostel. Aber er blickt gleich weiter, dass andere nach ihm weiterbauen werden. Eine jede christliche Gemeinde steht und fällt mit Jesus Christus, sie steht und fällt aber nicht mit dem Pastor, den sie hat, oder mit anderen Mitarbeitern. Die sind wichtig, die werden gebraucht, aber sie können wechseln. Nur Christus selber, der bleibt und wechselt nie.
Doch die Gefahr, dass diejenigen, die auf Christus bauen sollen, es doch nicht bei diesem Bauen auf Christus belassen, sondern Gemeindeaufbau mit Mitteln betreiben, die sich am Ende als nicht sehr haltbar herausstellen, besteht natürlich immer. Manchmal stellt sich das dann schon bei einem Wechsel im Pfarramt oder bei Umbrüchen in der Gemeinde heraus, ob da zuvor in der Gemeinde mit sehr viel Heu und Stroh gebaut worden ist, wie Paulus es hier formuliert, oder ob das, was da in der Gemeinde gebaut wurde, wirklich Bestand hat für die Ewigkeit. Doch manches wird sich tatsächlich erst am letzten Tag der Welt, am Tag des Gerichts herausstellen. Da erst wird tatsächlich klar werden, ob das, was wir hier in der Gemeinde zu bauen versuchen, wirklich für die Ewigkeit war oder nicht. Nein, der letzte und entscheidende Tag, auf den wir unsere Arbeit hier in der Gemeinde ausrichten sollen, ist nicht der Tag der Anhörung beim Bundesamt, ist nicht der letzte Abgabetag der Gemeindestatistik in jedem Jahr. Der letzte und entscheidende Tag ist der Tag, an dem Christus einmal offenbar machen wird, was in den Herzen der Menschen war, an dem keiner mehr einem anderen oder sich selbst etwas vormachen und vorspielen kann. Das lässt uns unsere Arbeit hier in der Gemeinde gleichzeitig mit großem Ernst und mit großer Gelassenheit tun: Ja, mit großem Ernst auf der einen Seite. Wir sollen in unserer Gemeindearbeit immer wissen: Es geht hier um nicht weniger als um die Rettung von Menschen zum ewigen Leben. Und alles, was wir hier tun, werden wir eben einmal vor Christus verantworten müssen, werden uns fragen lassen müssen, ob wir Menschen auf dem Weg zum ewigen Leben geholfen haben oder ihnen dabei im Wege gestanden haben. Aber zugleich schenkt uns diese Aussicht auch eine große Gelassenheit. Nicht das Bundesamt wird entscheiden, ob unsere Arbeit hier in der Gemeinde Ewigkeitswert hat, auch nicht andere Gemeinden, die sich über uns so ihre Gedanken machen mögen, auch nicht irgendwelche Medien, die über uns berichten. Vor Christus haben wir uns einmal zu verantworten, vor niemandem sonst.
Und dann mag es sein, dass wir an diesem Tag des Gerichts so manche Enttäuschung erleben werden, dass so manches, von dem wir geglaubt haben, es sei so wunderbar, sich doch als hohl und leer herausstellen wird. Es mag sein, dass wir uns auch in so manchem Menschen getäuscht haben. Schmerzlich wird das sein, wird brennen wie Feuer, so deutet es Paulus hier an. Aber – und das ist nun das Allerwichtigste: An dem, was wir in unserem Leben getan und geleistet haben, hier in der Gemeinde, aber auch überhaupt darüber hinaus, an all unseren guten oder auch weniger guten Werken hängt nicht unsere Rettung, hängt nicht unser Heil. Unser Heil hängt allein an Jesus Christus, daran, dass er uns all unsere Schuld, all unser Versagen immer wieder vergibt, daran, dass er die Strafe für unsere Schuld am Kreuz auf sich genommen hat. Dass wir allein aus Gnaden gerettet werden, gilt für jeden von euch, ganz gleich, wie lange ihr schon Christen seid, ja, das gilt, gottlob, auch für jeden Pastor. Es mag sehr wohl sein, dass es bei Pastoren im Jüngsten Gericht etwas mehr brennen wird, weil sie eine besondere Verantwortung in ihrem Dienst gehabt haben. Doch selig werde ich, wie ihr alle auch, durch Jesus Christus allein. Das ist die frohe Botschaft des christlichen Glaubens, die frohe Botschaft, die so ganz anders ist als die Botschaft des Islam, ganz anders auch als das scheinbar so gesunde deutsche Volksempfinden. Das ist die frohe Botschaft, die jeder Mensch braucht – und die, Gott geb’s, noch viele Menschen bei uns vernehmen werden. Ja, hoffentlich noch viel mehr als bloß die 200, die jetzt gerade gekommen sind! Amen.