1. Mose 2, 1-3 | Mittwoch nach Jubilate | Pfr. Dr. Martens

Im Jahr 1929 kam man in der Sowjetunion auf eine scheinbar geniale Idee: Man schaffte die Sieben-Tage-Woche ab und erfand stattdessen Fünf-Tage-Wochen ohne festen Feiertag: In einer Fabrik waren immer 80% der Belegschaft bei der Arbeit und 20% hatten frei. Gemeinsame Feier- und Ruhetage gab es nicht – bis auf einen Gedenktag am Todestag von Lenin. Man bastelte an diesem Konzept noch eine Weile herum; doch schließlich gab man es elf Jahre später wieder auf. Man hatte dadurch keinerlei Produktionszuwächse erzielt – und es war nicht gelungen, den Menschen den Rhythmus der Sieben-Tage-Woche mit einem gemeinsamen Feiertag auszutreiben.

Ja, ganz selbstverständlich ist es für uns, dass die Woche sieben Tage hat und zumindest ein Tag dieser Woche sich von allen anderen Tagen unterscheidet, ein Ruhetag ist. Natürlich kann man darauf verweisen, dass ein solcher Rhythmus in den Gestirnen angelegt ist, dass der Mond einen Rhythmus von viermal sieben Tagen nahelegt. Und doch ist dieser Sieben-Tage-Rhythmus, erst recht der mit einem Ruhetag, eben nicht so selbstverständlich, wie es zunächst erscheinen mag: Die Römer kannten die Sieben-Tage-Woche zunächst gar nicht; dass sie schließlich etwa zur Zeit Jesu eingeführt wurde, hängt vermutlich damit zusammen, dass man sich an den Juden orientierte, für die diese Sieben-Tage-Woche eine solch große und feste Bedeutung hatte und die sich durch nichts und niemand davon abbringen ließen, diesen Rhythmus einzuhalten. Doch von einem Ruhetag an jedem siebenten Tag wollte man deshalb noch längst nichts bei den Römern wissen. Man machte sich im Gegenteil lustig über die faulen Juden, die jeden siebenten Tag nicht arbeiteten. Erst mit der Einführung des Christentums setzte sich dann schließlich im römischen Reich und von dort aus weitergehend schließlich in der ganzen Welt die Sieben-Tage-Woche in der uns bekannten Form durch. Auch der Islam hat sie übernommen, und auch in Gesellschaften, die keine christlichen Wurzeln haben, ist die Sieben-Tage-Woche mittlerweile eine Selbstverständlichkeit.

Wenn wir in dieser Woche nach Jubilate in besonderer Weise über die Schöpfung und die neue Schöpfung nachdenken, dann ist es klar, dass wir uns dabei besonders auch mit den Worten der ersten beiden Kapitel der Heiligen Schrift befassen. Ja, als Christen halten wir mit der Heiligen Schrift daran fest, dass diese Welt, dass auch unsere Erde und das Leben auf ihr nicht einfach durch Zufall entstanden ist, sondern dass diese Welt, dass diese Erde, dass auch unser Leben einen Schöpfer hat, der genau gewusst hat, was er tat und tut. Doch wir schauen dabei eben nicht bloß zurück auf den Anfang, sondern lassen uns von der Heiligen Schrift zum Staunen darüber anleiten, wie wunderbar Gott all das gemacht hat, was er geschaffen hat. Ja, es ist richtig, es reicht eigentlich schon, sich einmal genauer damit zu befassen, wie genial beispielsweise der genetische Code aufgebaut ist, den wir in jeder Zelle unseres Körpers in uns tragen. Es bedarf schon eines sehr festen Glaubens, um zu behaupten, dass dahinter kein Bauplan eines Schöpfers steht. Doch zu dem, was Gott geschaffen hat, gehört eben nicht bloß alles Leben, das es auf dieser Welt gibt, sondern dazu gehört eben auch die Sieben-Tage-Woche mit einem festen Ruhetag. Ja, natürlich legt sich diese Sieben-Tage-Woche auch von den Gestirnen her nahe. Doch das ist für uns als Christen ja gerade das Geniale, dass Gott diesen Rhythmus, der für uns Menschen so gut und wichtig ist, so fest in seine Schöpfung eingeprägt hat, dass selbst noch die Gestirne ihm dienen müssen. Lassen wir uns darum von Gottes Wort gerade in dieser Woche wieder neu zum Staunen anleiten, dass wir diese Sieben-Tage-Woche haben, dass wir einen Lebensrhythmus haben, zu dem die regelmäßige Ruhe einfach fest dazugehört! Staunen wir über Gottes Fürsorge, der gerade nicht will, dass wir uns durch pausenlose Arbeit selber kaputtmachen, sondern der weiß, wie wichtig es ist, dass wir in unserem Leben immer wieder durchatmen dürfen! Und setzen wir uns gerade auch als Christen ganz bewusst dafür ein, dass dieser Rhythmus auch in unserer heutigen Zeit und Welt nicht angetastet wird! Erheben wir das Wort, wenn der Sonntag als gemeinsamer freier Tag immer weiter angetastet und in Frage gestellt wird, wenn es heutzutage vonseiten der Wirtschaft auch in unserem Land Überlegungen gibt, die den Experimenten damals in der Sowjetunion gar nicht so unähnlich sind! Auf der Sieben-Tage-Woche mit ihrem Ruhetag liegt der Segen Gottes! Berauben wir uns dieses Segens nicht!

Ein Zweites wird hier in unserer Predigtlesung erkennbar: Die Ruhe ist nicht bloß ein notwendiges Übel, das wir Menschen nun einmal in Kauf nehmen müssen, um möglichst bald und effektiv wieder fit zu sein für das Arbeiten. Sondern in der Ruhe liegen ganz wesentlich Sinn und Ziel unseres Daseins, so macht es Gott schon in der Schöpfung selber deutlich. Ruhe selber, Ausruhen hat seinen Sinn in sich selber, ist nicht bloß Mittel zum Zweck. Gott selber ruht, macht damit nichts Sinnloses, sondern etwas zutiefst Sinnvolles, Schönes, woran er uns selber dann auch Anteil geben will. Das Ziel unseres Lebens besteht tatsächlich darin, einmal für immer Anteil an Gottes Ruhe zu haben, endgültig keinen Stress mehr zu haben, endgültig befreit zu sein von allem Druck und von allen Verpflichtungen. Wenn wir den Sonntag feiern, dann eben auch deshalb, weil er uns schon einen kleinen Vorgeschmack dessen gibt, worauf unser Leben eigentlich zuläuft, einen kleinen Vorgeschmack dessen, dass das, was wir hier und jetzt auf Erden erleben, eben nicht alles ist. Gott kann auch einfach mal nichts tun – wie gut, dass er uns gerade auch darin den Weg für unser Leben weist!

Doch nun feiern wir als Christen in aller Regel nicht am Samstag, sondern am Sonntag unsere Gottesdienste. So wird es schon im Neuen Testament berichtet – und das hat seinen guten Grund. Der Sonntag ist gleichsam der achte Tag der Woche, der Tag der neuen Schöpfung, der noch über die Ruhe am Ende der alten Schöpfung hinausführt. Ja, am Ostermorgen ist nicht bloß ein einzelner Mensch aus dem Tod auferstanden, sondern mit seiner Auferstehung hat die neue Schöpfung begonnen, die keinerlei Vergänglichkeit mehr unterliegt. Diesen entscheidenden Schritt von der Schöpfung zur neuen Schöpfung feiern wir an jedem Sonntag, und eben darum hat das Thema „Schöpfung“ jetzt in der Osterzeit seinen guten und besonderen Platz, eben weil mit Ostern die neue Schöpfung begonnen hat. Darum sind wir mit unseren Gottesdiensten als Christen einen Tag weiter, blicken schon weiter nach vorne, bedenken, dass diese Schöpfung, die wir jetzt erleben, nicht alles ist. Seit unserer Taufe sind auch wir neue Schöpfung, haben schon an dieser neuen Welt Anteil, die Christus mit seiner Auferstehung eröffnet hat. Ja, unser Körper und nicht weniger unsere Seele sind noch Teil dieser alten, vergehenden Welt; sie sind weiter auf Ruhe angewiesen. Aber zugleich erhalten unser Körper und unsere Seele sonntags im Gottesdienst immer schon Anteil an der neuen Welt Gottes, am Heilmittel des ewigen Lebens. Und das muss eben auch nicht auf den Sonntag beschränkt bleiben. Auch heute Abend feiern wir in diesem Gottesdienst den Anbruch der neuen Schöpfung, erleben es mit, wie uns der Schöpfer der Welt und Herr der neuen Schöpfung auch heute Abend eine Ruhepause bei sich gönnt, wie er unser Leben auch heute Abend auf das Ziel neu ausrichtet. Ja, schon heute Abend bricht wieder der Himmel in unser Leben hinein, erhalten wir Anteil an dem Segen der neuen Welt, die auf uns wartet. Und Gott – der findet das sehr, sehr gut! Amen.

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