1. Petrus 2,2-10 | 6. Sonntag nach Trinitatis | Pfr. Dr. Martens
Man kann sich an Taufen auch gewöhnen, wenn wir hier in unserer Gemeinde so viele Taufen haben – allein acht nun wieder in den Gottesdiensten an diesem Samstag und Sonntag. Man kann sich auch an seine eigene Taufe so gewöhnen, dass man sich gar nicht mehr klar macht, was da in der eigenen Taufe eigentlich passiert ist, was für Konsequenzen das für das ganze weitere Leben hat. Ja, da ist es gut, wenn einem das immer wieder einmal vor Augen gestellt wird, was das eigentlich bedeutet: „Ich bin getauft!“ Und das macht der heilige Petrus in der Predigtlesung des heutigen Sonntags in einer ganz wunderbaren Weise. Eine ganze Reihe von starken Bildern gebraucht er hier, Bilder, die auch uns helfen können, wieder neu wahrzunehmen, was es bedeutet, dass wir getauft sind. Wir sind, so macht es uns St. Petrus deutlich,
- Säuglinge
- Steine
- Priester
I.
Wenn ein Säugling auf die Welt kommt, dann hat er vor allem ein Grundbedürfnis: Hunger! Er will Milch, er will, dass damit sein Hunger gestillt wird. Und die Befriedigung dieses Grundbedürfnisses fordert ein Säugling dann auch lautstark ein, schreit zur Not so lange, bis er schließlich bekommt, was er braucht. Nein, ein Säugling ist nicht dazu bereit, seine Mahlzeit zu verschieben, weil er oder andere gerade etwas anderes, scheinbar Wichtigeres zu tun haben. Milch muss sein, und zwar ganz regelmäßig!
Mit Säuglingen vergleicht uns der Apostel Petrus hier in unserer Predigtlesung. Ach nein, er vergleicht uns eigentlich nicht direkt mit ihnen, sondern stellt uns Säuglinge als Vorbilder hin für unser Christsein. Ja, das ist etwas, was uns das Neue Testament immer wieder lehrt: Es sagt gerade nicht, dass kleine Kinder eigentlich noch gar keine richtigen Christen sein können, weil sie sich noch nicht entscheiden können, weil ihr Verstand noch nicht weit genug entwickelt ist. Sondern das Neue Testament macht uns immer wieder deutlich, dass wir Erwachsenen werden sollen wie die Kinder, die einzig und allein davon leben, dass sie etwas von anderen empfangen.
Ja, neugeboren sind wir alle miteinander in der Heiligen Taufe. Und als neugeborene Christen brauchen wir anschließend dringend Nahrung. St. Petrus spricht hier nur von der vernünftigen, lauteren Milch. Aber wir wissen, was damit gemeint ist, was uns wachsen lässt zum Heil. Es ist einzig und allein Gottes Wort, das wir hören, lesen und in den Gestalten von Brot und Wein mit unserem Mund empfangen, ja schmecken. Doch leider leiden nicht wenige neugeborene Christen nach ihrer Neugeburt an einer merkwürdigen Ernährungsstörung: Sie haben einfach keinen Hunger. Sie kommen in der Taufe neu zur Welt – und meinen, dass all das, was sie vor ihrer Taufe zu sich genommen haben, nun für den Rest ihres Lebens reicht. Ja, sie merken gar nicht, wie sie allmählich geistlich verhungern, wie sie gerade nicht zum Heil wachsen, sondern geistlich immer schwächer werden, bis in ihnen schließlich jegliches Verlangen nach Gottes Wort und Sakrament stirbt. Ja, dringend nötig haben wir alle miteinander darum die Mahnung des Apostels: „Seid begierig“, verlangt nach dem Wort Gottes, verlangt nach Christi Leib und Blut so sehr wie ein Säugling, der sich in seinem Verlangen durch nichts und niemand abhalten lässt! Die Nahrung steht doch in Fülle bereit! Kommt zu den Bibelstunden, kommt zu den Hausbibelkreisen, kommt vor allem immer wieder zu den Gottesdiensten! Verhungert doch nicht im Anblick des gedeckten Tischs!
II.
Als Steine bezeichnet uns St. Petrus hier zweitens. Das klingt erst einmal nicht so nett. Steine scheinen ja etwas ziemlich Totes zu sein und bewegen sich in der Regel auch nicht sehr viel. Doch die Steine, von denen der Apostel hier spricht, sind ganz anders: Das sind lebendige Steine, so betont es Petrus ausdrücklich, ja diese Steine erbauen sich selber.
Mit dem Bild vom Stein macht der Apostel ein Doppeltes deutlich: Zum einen zeigt er uns, dass wir als Getaufte niemals allein Christen sein können. Wir werden in der Taufe lebendige Steine, die gemeinsam das geistliche Haus der Kirche bilden. Jeder Stein wird dabei gebraucht. Wer sich ausklinkt aus der Gemeinschaft der Kirche, wer glaubt, er könne einfach für sich zu Hause Christ sein, der hinterlässt eine Lücke in dem geistlichen Haus der Kirche, ein Loch, das nicht einfach ein anderer ausfüllen kann. Gott braucht dich wie jeden von uns an einer ganz bestimmten Stelle in der Kirche, mit deinen Gaben, mit deiner Eigenart, er kann und will auf dich nicht verzichten, kann dich gebrauchen, auch mit all deinen Rissen, die sich durch dein Leben ziehen, kann dich gebrauchen auch mit deiner ungewöhnlichen Form.
Erbaut euch, schreibt der Apostel. Das heißt: Achtet darauf, wo ihr euch mit eurem Leben platziert, was denn der Grund- und Eckstein des Gebäudes ist, in das ihr euch einfügen lasst. Lasst euch ja nicht einfügen in ein Gebäude, in dem irgendjemand anders als allein Jesus Christus der Grund- und Eckstein ist, in ein Gebäude, in dem sich die Leute, die da zusammengefügt sind, vielleicht ganz wohlfühlen, das aber keinen Bestand hat, wenn es nicht auf Jesus Christus allein gegründet ist!
Er, Jesus Christus, ist der lebendige Stein, so betont es St. Petrus hier. Nur wenn du dein Leben auf ihn gründest in der Gemeinschaft mit den anderen lebendigen Steinen, bleibst auch du ein lebendiger Stein, erfährst du, dass die Gemeinschaft der lebendigen Steine der Kirche nicht einengt, sondern dich im Gegenteil trägt, hält und stützt. Ja, lass dies immer wieder den entscheidenden Grund sein, warum du als getaufter Christ in die Kirche gehst: Dass dein Leben immer wieder auf Christus gegründet bleibt, dass es nicht einstürzt in den Erdbeben des Lebens, sondern Bestand hat in Ewigkeit. Ja, du kommst nicht als Einzelstein in die Ewigkeit, sondern nur als lebendiger Stein in der Gemeinschaft der anderen lebendigen Steine in der Kirche. Denn nur in der Kirche bleibst du auf dem Fundament von Christus. Ja, denke daran, wann immer du an deine Taufe denkst!
III.
Und dann bezeichnet uns St. Petrus hier auch noch alle miteinander als heilige Priesterschaft, als königliches Priestertum. Priester – darunter stellen sich ja viele Menschen so halb der Erde entrückte Gestalten vor, Personen, die irgendwie einen direkteren Draht zu Gott haben als die anderen Normalsterblichen. Und an dieser Vorstellung ist ja auch eines richtig: Priester haben einen ganz direkten Draht zu Gott, brauchen da keine andere Vermittlung.
Aber nun sagt St. Petrus hier: Ihr seid diese heilige Priesterschaft, ihr alle, die ihr getauft seid. Nicht ihr müsst euch an irgendwelche Priester wenden, um an Gott heranzukommen, sondern ihr habt diesen unmittelbaren Zugang zu Gott, könnt ganz direkt, ohne jegliche Vermittlung, mit ihm sprechen.
Ja, genau das ist ein großes Geschenk der Taufe, dass wir dadurch Priester geworden sind, Menschen, die mit Gott ohne jegliche Umwege sprechen können. Die Taufe ist die Grundlage für all unsere Gebete. Weil wir getauft sind, dürfen wir gewiss sein: Gott hört uns zu, wenn wir ihn ansprechen.
Nicht selten werde ich von Gemeindegliedern angesprochen und gebeten, dass ich für sie beten soll. Das ist grundsätzlich schön, und das mache ich auch gerne. Aber es ist keinesfalls so, dass ich als Pastor irgendwie dichter an Gott herankommen würde als die anderen Gemeindeglieder. Jawohl, ich habe eine besondere Aufgabe, Gottes Gaben an euch auszuteilen. Aber näher an Gott als ihr bin ich nicht. Ihr seid alle miteinander Priester, seid alle mit Gott unmittelbar verbunden. Aber als Priester habt ihr tatsächlich auch bestimmte Aufgaben: Ihr habt die Aufgabe, für andere zu beten, für die, die es selber vielleicht gar nicht können. Und ihr habt die Aufgabe, anderen Menschen, die noch nichts von Christus wissen, Christus zu bezeugen, mit den Worten des Apostels: Ihr habt die Aufgabe, die Wohltaten dessen zu verkündigen, der euch berufen hat aus der Finsternis in sein wunderbares Licht.
Was für ein wunderbarer Anblick bietet sich mir hier von der Kanzel: Ich sehe vor mir eine heilige Priesterschaft: Menschen, die für andere beten, Menschen, die andere zu Christus einladen, Menschen, die schon teilhaben am Himmel und auch anderen an diesem Himmel teilgeben möchten.
Ja, Säugling, Stein und Priester bist du. Staune darüber wieder neu an diesem Sonntag, der in besonderer Weise der Erinnerung an deine Taufe dient. Dann hast du noch mehr Grund, fröhlich das Lied zu singen, das wir so oft hier in unseren Gottesdiensten anstimmen: „Lasset mich voll Freuden sprechen: Ich bin ein getaufter Christ!“ Halleluja! Amen.