1. Samuel 2,1-2+6-8a | Heiliges Osterfest | Pfr. Dr. Martens

Manchmal erlaube ich mir, einen kurzen Augenblick darüber nachzudenken, was wohl in der Zukunft geschehen würde, wenn sich die Dinge in unserer Gemeinde alle so weiterentwickeln, wie wir es im Augenblick erleben. Was wäre, wenn die skandinavischen Länder weiter so konsequent alle christlichen Asylbewerber in ihre islamische Heimat und damit letztlich in den Tod zurückzuschicken versuchen – und wenn sich unsere Adresse unter engagierten Christen, denen die Abschiebung droht, noch weiter herumspricht? Wie sollen wir das alles noch bewältigen – oder müssen wir doch irgendwann aufgeben und kapitulieren, erkennen, dass wir einfach nicht mehr helfen können, dass uns das alles über den Kopf wächst? Ja, wird uns irgendwann nichts anderes mehr übrigbleiben, als christliche Geschwister dem Tod zu überlassen, weil wir einfach nicht mehr können? Oder was wäre, wenn auch unser deutscher Staat als Beitrag zur Förderung der abendländischen Kultur noch konsequenter als jetzt gegen Christen vorgeht – gegen christliche Flüchtlinge, die in unserem Land Schutz suchen, und gegen die Kirchen, die ihnen diesen Schutz gewähren? Alle Zeichen deuten ja darauf hin, dass es den Christen hier in unserem Land in Zukunft immer schwerer gemacht werden wird.  Hoffnung kommt bei mir jedenfalls keine auf, wenn ich versuche, einfach mal in die Zukunft zu verlängern, was wir zurzeit in unserem Land erleben. Ja, wenn man sich das alles vor Augen stellt, was in der Zukunft sein könnte, dann möchte man am Ende einfach nur noch verstummen.

Und mit diesen wenig optimistisch stimmenden Zukunftsprognosen stehe ich ja nicht allein da. Da gibt es diejenigen, die uns jetzt schon vorhersagen, was für Klimakatastrophen uns in den kommenden Jahrzehnten bevorstehen, die uns vorhersagen, dass die Klimaveränderungen unzählige Menschen zu Flüchtlingen machen und sie letztlich in den Tod treiben werden. Oder da gibt es diejenigen, die jetzt schon genau ausrechnen zu können meinen, wann es soweit sein wird, dass die Deutschen in ihrem eigenen Land eine Minderheit sein werden, wann wir wohl damit rechnen können, dass die Scharia auch hier in Deutschland die staatliche Gesetzgebung bestimmt. Düstere Ausblicke auf die Zukunft, Ausblicke, die letztlich immer wieder uns den Tod vor Augen stellen, dem wir nicht entkommen können, ja der im Gegenteil immer bedrängender auf uns zukommt, Ausblicke, die uns auch immer wieder verstummen lassen.

Von einer Frau mit einer ganz düsteren Zukunftsperspektive berichtet auch das 1. Samuelbuch in seinem ersten Kapitel. Hanna, so heißt diese Frau, hatte es schon schwer genug, dass ihr Mann nicht nur sie geheiratet hatte, sondern noch eine zweite Frau. Doch dazu kam, dass Hanna in dieser Ehe kinderlos blieb, während die andere Frau ein Kind nach dem anderen bekam. Als Frau kinderlos zu bleiben – das bedeutete damals so viel wie: keinen Wert zu haben, keine Zukunft zu haben, eigentlich schon bei lebendigem Leibe so gut wie tot zu sein. Wahrscheinlich malte sich auch Hanna in ihren dunklen Stunden immer wieder einmal aus, was wohl einmal in Zukunft mit ihr geschehen würde, wie sich ihr Leben einmal endgültig als sinnlos herausstellen würde. Und so schildert uns das 1. Samuelbuch in seinem ersten Kapitel, wie Hanna ganz stumm im Heiligtum in Silo sitzt, nur die Lippen bewegt im Gebet vor Gott, weil ihr Worte überhaupt nicht mehr über diese Lippen kommen.

Doch dann geschieht das Wunder: Hanna wird wider Erwarten schwanger, bringt einen Sohn namens Samuel zur Welt – und dann bringt sie ihn, als er von der Muttermilch entwöhnt war, nach Silo ins Heiligtum, wie sie es Gott in ihrem stummen Gebet versprochen hatte für den Fall, dass er ihr doch noch einen Sohn schenken würde. Und dort stimmt sie diesen Lobgesang an, aus dem wir eben einige Verse gehört haben. Nun sind ihre Lippen nicht mehr geschlossen, sondern ihr Mund hat sich weit aufgetan, so singt sie es hier fröhlich. Was für eine Verwandlung!

Nein, Hanna dankt Gott nicht bloß dafür, dass er ihr einen Sohn geschenkt hat. Sondern sie blickt viel weiter, staunt darüber, was Gott alles vermag und macht, wie er völlig aussichtslose Situationen zu wenden vermag, ja, wie er, der Herr, tötet und lebendig macht, zu den Toten hinabführt und wieder herauf. Da, wo Menschen endgültig an ihre Grenzen geraten, da fängt Gott erst gerade an, schafft Wenden, die keiner erwarten und die erst recht kein Mensch herbeiführen konnte, lässt sich auch vom Tod nicht bremsen, sein Werk an den Menschen weiterzuführen.

Und genau darum geht es nun auch heute zu Ostern. Wir feiern heute nicht einen natürlichen Vorgang, der sich Jahr für Jahr früher oder später wiederholt, dass die Natur aus dem Winterschlaf erwacht und zu erblühen beginnt. Wir feiern heute auch nicht einen allgemeinen Erfahrungssatz, dass man in seinem Leben niemals die Hoffnung aufgeben sollte, weil es ja immer noch sein kann, dass am Ende doch von irgendwoher noch ein Lichtlein in unser Leben hineinkommt. Sondern wir feiern heute Morgen unseren Gott, der all unsere Prognosen, alle unsere selbstentdeckten scheinbar unumstößlichen Gesetzmäßigkeiten einfach über den Haufen wirft, der sich nicht damit zufriedengibt, dass unser Leben mit mehr oder weniger großer Geschwindigkeit seinem Ende entgegengeht.

Unumstößlich schien die Gewissheit für die Frauen am Ostermorgen zu sein, dass sie im Grab mit dem großen Stein davor den Leichnam von Jesus finden würden. So war es ja immer gewesen, ganz klar: Einmal tot, immer tot. Da lässt sich nichts mehr zurückdrehen, da lässt sich die Vergangenheit nicht noch mal einholen. Doch dann erfahren sie dort im Grab, dass ihre todsichere Prognose, den toten Jesus dort anzutreffen, vollkommen daneben lag. Gott hatte eingegriffen – entgegen aller Wahrscheinlichkeitsrechnungen, entgegen aller menschlich denkbaren Möglichkeiten. Und da, wo Gott eingreift, da öffnet sich der Mund von vormals stummen Menschen, da können sie gar nicht anders, als zu erzählen, ja zu singen von dem, was sie erlebt haben, was ihnen widerfahren ist.

Gott stellt scheinbar unumstößliche Gewissheiten auf den Kopf, lässt sich auch vom Tod in seiner Handlungsfähigkeit nicht einschränken. Nein, das ist nicht eine allgemeine Wahrheit, sondern das ist das Zeugnis derer, die dem auferstandenen Christus begegnet sind und das, was sie dabei erlebt haben, einfach nicht für sich behalten konnten. Ja, der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf. Das entzieht sich allen Prognosen – und ist doch Realität, ja, eine Realität, die sich auswirkt bis zum heutigen Tag.

Ja, hören wir genau hin, was Hanna hier singt: Sie singt nicht: Der HERR bewahrt uns vor dem Tod, er greift immer so früh ein, dass uns stets ein schönes und angenehmes Leben garantiert bleibt. Nein, der HERR tötet, er führt hinab zu den Toten, so singt es Hanna hier. Die Wege, die Gott uns in unserem Leben führt, sind nicht automatisch Wege, die immer nach oben führen. Die können uns ganz schön nach unten führen, die landen mitunter auch viel eher im Tod, als wir dies von uns aus erwarten würden. Aber da, wo wir nur noch das Ende sehen, sieht Gott schon den neuen Anfang, den er gerade da heraufführt, wo wir endgültig nicht mehr weiterkönnen.

Ja, mit diesem Wissen im Rücken lässt es sich weiterarbeiten hier in unserer Gemeinde. Wir wären vollkommen wirklichkeitsfremd, wenn wir nicht mit dem Handeln und Eingreifen Gottes hier in unserer Mitte rechnen würden, wenn wir glauben würden, wir könnten schon absehen, wie sich hier bei uns alles weiterentwickelt. Vielleicht wird er auch uns noch in ganz tiefe Täler führen, wer weiß. Aber er kann da eben auch wieder herausführen. Vielleicht werden wir es nicht verhindern können, dass der deutsche Staat manche unserer Glaubensgeschwister in den Tod schickt. Doch selbst wenn das geschieht, dürfen wir doch gewiss sein, dass auch der Tod nicht das Ende ist, sondern die Durchgangstür zu einem neuen Leben, seit Jesus am Ostermorgen den Tod besiegt hat.

Nein, wir brauchen uns nicht mehr von düsteren Zukunftsprognosen bedrücken zu lassen. Wir haben doch den Herrn in unserer Mitte, der arm macht und reich, ja, der den Armen aus der Asche erhöht. Wir brauchen nicht vor der Macht des Todes zu verstummen, dürfen selbst bei Beerdigungen noch fröhliche Lieder singen für den, der die Macht des Todes am Ostermorgen für uns endgültig gebrochen hat. 

Was in unserer Gemeinde in zwei Jahren alles sein wird – das vermag ich nicht im Geringsten vorauszusehen; das lässt sich auch nur schwer vorausberechnen. Wie sich das Klima entwickelt, wie sich unsere Bevölkerung entwickelt – wir können es höchstens erahnen. Doch eins kann ich dir heute schon mit 100%iger Gewissheit sagen: Dass dein Leben nicht im Dunkel des Todes enden wird, sondern im hellen Licht der Auferstehung, so gewiss Jesus Christus am Ostermorgen das Grab verlassen hat und auferstanden ist.

Und darum feiern wir heute Morgen einen fröhlichen Gottesdienst, darum singen wir fröhliche Lieder, machen unseren Mund weit auf, auch wenn dazu angesichts der Bedrohungslage für so viele unserer Gemeindeglieder so gar kein Anlass zu bestehen scheint. Doch dass Christus stärker ist als der Tod und dass er uns noch durch das dunkelste Dunkel hindurchführt – das lässt uns in der Tat fröhlich singen, das lässt uns in der Tat getrost in die Zukunft blicken, eben weil wir mit Gottes Möglichkeiten rechnen dürfen. Er hat es uns doch schon in unserer Taufe erfahren lassen, dass er uns tötet und lebendig macht, dass er hinabführt zu den Toten und wieder herauf. Seitdem haben wir doch unseren Tod schon hinter uns, gehen wir nun nur noch dem Leben entgegen – so schwer die Wege auch sein mögen, die Gott uns dabei führt. Doch eines ist gewiss: Unsere Zukunft hängt nicht an uns selber, sie hängt an Christus allein, der dich auch gleich wieder scheinbar völlig Unmögliches erfahren lässt, wenn er mit seinem Leib und Blut in dir Wohnung nimmt hier im Heiligen Mahl. Wenn du ihn empfängst, dann empfängst du schon hier und jetzt die wirksamste Medizin gegen den Tod, dann hast du allen Grund, den Mund, mit dem du Christus empfangen hast, danach weit zu öffnen, um von ihm zu erzählen, ihn zu besingen, den Spezialisten für völlig aussichtslose Fälle.

Nein, wir brauchen uns nicht verrückt machen zu lassen von den Gedanken darüber, was einmal sein könnte. Hauptsache, wir haben ihn, Christus, bei uns, der stärker ist selbst noch als der Tod. Denn er, der Herr, ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja! Amen.

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