1. Thessalonicher 1,2-10 | 14. Sonntag nach Trinitatis | Pfr. Dr. Martens

Da halte ich wieder einmal einen Abschiebebescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in der Hand. Ein Taufbewerber aus unserer Gemeinde soll wieder in den Iran abgeschoben werden. Als Begründung dient wieder einmal derselbe Textbaustein, den ich aus so vielen anderen Abschiebebescheiden auch kenne: „Als Aspekt der Gesamtwürdigung ist auch zu berücksichtigen, dass der Vortrag iranischer Staatsangehöriger zu Flucht- und Nachfluchtgründen sich seit langen Jahren durch außerordentliche Homogenität auszeichnet. ... Gegenwärtig ist der asylsuchende iranische Staatsangehörige ohne Konversion zum Christentum der deutliche Ausnahmefall. Gab es in den letzten Jahren eine gewisse Tendenz zur Taufe (einzelner) iranischer Asylbewerber in freikirchlichen Gemeinden, zeichnet sich mittlerweile mehr und mehr ab, dass iranische Asylbewerber speziellen Taufkursen der evangelisch-lutherischen Kirche zustreben, bei denen muttersprachlich nach Taufmodulen unterrichtet wird. Die Organisation dieser Kurse erfolgt überregional und unter teilweiser Erstattung der Fahrtkosten für den einzelnen Taufbewerber. Die Sogwirkung dieses Angebots ist so groß, dass sich einzelne Gemeinden mittlerweile einer Überforderung ausgesetzt fühlen und weitere Gemeinden um Hilfe bei der Betreuung iranischer Taufbewerber bitten.“

Die Grundeinstellung, die sich hinter der verschrobenen Sprache des Bundesamtes und hinter dessen üblichen Lügen und Verleumdungen, die hier wieder einmal über unsere Gemeinde verbreitet werden, verbirgt, ist klar: Wenn viele Menschen aus dem Iran Christen werden, können das alles nur Betrüger sein – und die lutherische Kirche hilft bei diesem Massenbetrug mit, indem sie für ihre Taufmodule – was auch immer das sein mag – überregional Werbung macht und diese Werbung eine Sogwirkung erzeugt, ja indem sie die Taufbewerber dann sogar noch mit finanziellen Anreizen anlockt. Ja, da müssen dann schon solch abstruse Verschwörungstheorien vom Bundesamt konstruiert werden, um irgendwie mit diesem Phänomen umzugehen, dass so viele Menschen aus dem Iran Christen werden und sich taufen lassen. Denn dass diese Menschen es ernst meinen könnten mit ihrem Glauben, ja, dass diese Hinwendung zum christlichen Glauben eine Wirkung des Heiligen Geistes sein könnte – das kann das Bundesamt ja von vornherein zielsicher ausschließen.

Ja, Schwestern und Brüder, ich gestehe, manchmal muss ich mich ja auch selber kneifen, um wahrzunehmen, dass ich das nicht einfach träume, was wir hier in unserer Gemeinde erleben: Dass tatsächlich so viele Menschen, weit über tausend allein in unserer Gemeinde, sich zu Jesus Christus bekennen und hierher zum Gottesdienst kommen, um immer wieder die Vergebung der Sünden und den Leib und das Blut ihres Herrn zu empfangen. Das kann doch eigentlich gar nicht sein – so etwas gibt es doch eigentlich gar nicht!

Was für eine Hilfe, was für ein Trost ist da die Predigtlesung des heutigen Sonntags für uns: Ja, da gerät der Apostel Paulus regelrecht ins Schwärmen, als er von seiner Gemeinde in Thessalonich, dem heutigen Saloniki in Griechenland spricht: „Ihr seid ein Vorbild geworden für alle Gläubigen in Mazedonien und Achaja. Denn von euch aus ist das Wort des Herrn erschollen nicht allein in Mazedonien und Achaja, sondern an allen Orten ist euer Glaube an Gott bekannt geworden, sodass wir es nicht nötig haben, etwas darüber zu sagen.“ Ja, da können wir uns mit unserer Gemeinde ein ganzes Stück weit wiederfinden in diesen Worten, wenn wir erleben, wie immer wieder Menschen aus so vielen Ländern, ja so vielen Erdteilen zu uns in den Gottesdienst kommen und davon berichten, dass sie viele tausend Kilometer entfernt von uns von unserer Arbeit gehört hätten und für diese Arbeit beten würden. Ja, das gibt es, Gott sei Dank, dass Christen überall auf der Welt unsere Arbeit geistlich ernstnehmen, sie nicht arrogant beiseite wischen wie in den Bescheiden des Bundesamtes, sondern davon berichten, wie das, was sie bei uns erleben, sie auch selber in ihrem Glauben gestärkt und ermutigt hat.

Doch Paulus tut nicht so, als ob in Thessalonich alles immer nur einfach und glatt laufen würde. Das hatte er ja selber am eigenen Leibe erfahren. Geradezu überstürzt hatte er die Stadt verlassen müssen, nachdem dort seine Gegner, wie es in der Apostelgeschichte berichtet wird, sich „einige üble Männer aus dem Pöbel“ geholt hatten, die sich zusammenrotteten und einen Aufruhr in der Stadt anrichteten. Heute übernehmen diese Aufgabe nicht mehr die üblen Männer aus dem Pöbel, sondern BILD-Zeitungsjournalisten, angeblich christliche Politiker und Entscheider im Bundesamt. Doch das Ergebnis ist dasselbe, das Paulus hier in seinem Brief an die Thessalonicher beschreibt: Ihr „habt das Wort aufgenommen in großer Bedrängnis mit Freuden im Heiligen Geist.“  Ja, die große Bedrängnis gehört immer mit dazu, wo das Wort Gottes verkündigt wird und Glauben wirkt – das war damals in Thessalonich nicht anders als bei uns heute. Wundern wir uns nicht über die Anfeindungen und Schikanen, die wir in unserer Gemeinde von so vielen Seiten erleben: Auch diese Erfahrungen stellen sich unweigerlich ein, wo der Heilige Geist am Werk ist. Der Teufel lässt es nicht einfach tatenlos geschehen, dass ihm Menschen in der Heiligen Taufe entrissen und zum Eigentum Jesu Christi gemacht werden. Die Gemeinde in Thessalonich wurde gerade darin zu einem Vorbild für andere, dass sie in diesen Anfeindungen doch geprägt blieb von der Freude im Heiligen Geist.

Und damit sind wir nun beim Allerwichtigsten, was uns St. Paulus hier in unserer Predigtlesung deutlich macht: Er leitet uns zuerst und vor allem zum Dank an, zum Dank für all das, was in unserer Gemeinde geschieht, zum Dank an Gott, der eben all dies gewirkt hat und wirkt, was wir in unserer Gemeinde erleben.

Ja, diese Ermutigung können wir so gut gebrauchen, wenn uns so vieles hier in der Gemeinde bedrängt und bedrückt, wenn so viele in Frage stellen, was hier in unserer Gemeinde geschieht: Danken wir Gott zunächst und vor allem für das, was wir in unserer Mitte erleben dürfen!

Paulus nennt ganz klar den Grund für seinen Dank: Wir wissen, dass ihr erwählt seid! Auch wenn es in das Hirn vieler Mitarbeiter des Bundesamtes nicht hineingeht: Kirche ist nicht das Ergebnis strategischer Werbebemühungen und erst recht nicht das Ergebnis finanzieller Anreize. Sondern Kirche wird von Gott allein gebaut durch sein Wort, durch das Menschen zum ewigen Leben berufen werden, durch das Herzen von Menschen so verändert werden, dass sie gerade nicht mehr darauf schauen, was ihnen der Glaube an Christus denn für Vorteile bringen könnte, sondern allein die Freude im Heiligen Geist sie antreibt. Wenn Gott sich hier in Deutschland seine Gemeinde aus Menschen aus dem Iran und Afghanistan sammelt, während sich die einheimischen Deutschen dieser Botschaft immer mehr verschließen, dann können und wollen wir diesem Handeln Gottes nicht im Wege stehen, wollen in der Tat das Evangelium predigen, durch das allein Menschen zum Glauben an Jesus Christus geführt werden, durch das allein Gott seine Kirche baut.

Ja, danken wir täglich Gott dafür, dass auch unsere Dreieinigkeits-Gemeinde nicht das Ergebnis einer klugen menschlichen Missionsstrategie ist, um eine leere Kirche vollzubekommen, sondern dass er, Gott, dieses Wunder in unserer Mitte gewirkt hat, das wir selber letztlich gar nicht erklären, über das wir immer wieder nur staunen können! Danken wir Gott dafür, dass hier in unserer Mitte nicht bloß leere Worte zu hören sind, sondern das Wort Gottes selber, gefüllt mit Kraft und Heiligem Geist und Gewissheit! Ja, danken wir Gott dafür, was für Wirkungen dieses Wortes Gottes wir hier in unserer Mitte erfahren dürfen: Dass Menschen durch ihren Glauben in Bewegung gesetzt werden, auch anderen die frohe Botschaft von Jesus Christus weiterzusagen. Dass Menschen in Liebe miteinander umgehen, dass auch anderen das auffällt, die neu in unsere Gemeinde kommen, ja, dass Menschen in unserer Mitte immer wieder mit so großer Geduld auch das Schwere tragen, was ihnen auferlegt wird, weil sie geprägt sind von der Hoffnung auf unseren Herrn Jesus Christus. Ja, wie oft habe ich das selber schon erlebt, dass ich mich fürchterlich aufgeregt habe über zutiefst unfaire Entscheidungen des Bundesamtes – und es dann die Betroffenen selber waren, die mich getröstet haben, mir versichert haben, dass Christus schon alles zum Guten wenden wird!

Ja, auch darauf lenkt der Apostel Paulus hier in unserer Predigtlesung gleich zweimal den Blick: Darauf, dass wir als Christen auf die Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus warten, der uns im letzten Gericht Gottes retten wird, jawohl, in diesem letzten Gericht, in dem sich dann auch einmal all diejenigen werden verantworten müssen, die sich hier und jetzt zum Richter über das aufspielen, was hier in unserer Gemeinde und was in euren Herzen geschieht. Was wir jetzt an Schwerem erfahren, ist eben nicht alles. Am Ziel unseres Weges steht Christus, derselbe Christus, der sein Leben für uns in den Tod gegeben hat, dem wir auch heute wieder leibhaftig begegnen im Heiligen Mahl und der uns einmal ins ewige Leben führen wird. O nein, es geht hier in unserer Gemeinde eben nicht darum, Aufenthalte in Deutschland zu vermitteln! Es geht darum, Menschen einen unbefristeten, ewigen Aufenthalt in der Gegenwart unseres Herrn Jesus Christus, in seiner neuen Welt zu vermitteln. Das ist und bleibt unsere Aufgabe. Darum verkündigen wir das Evangelium, darum taufen wir. Und es ist Gott selber, der in all dem am Werke gewesen ist und es auch weiter sein wird. Und da bleibt uns nur das Eine: Dass wir mit Paulus sprechen: Gott sei Dank! Amen.

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