1. Thessalonicher 4,13-18 | Heilige Osternacht | Pfr. Dr. Martens

Mit einem Mal lag er tot da. Noch gestern hatten sie mit ihm gesprochen, gelacht, Pläne für die nächsten Tage gemacht – und jetzt war plötzlich alles vorbei. Gab es für ihn nun keine Hoffnung mehr, war das ein Abschied für immer? Die Christen in Thessalonich waren geschockt. Darüber hatte der Apostel Paulus in der kurzen Zeit, die er bei ihnen gewesen war, nicht gesprochen – daran hatten sie überhaupt nicht gedacht, dass einer von ihnen mit einem Mal so plötzlich sterben könnte. Und jetzt war der Paulus weg – und sie standen allein da mit diesem toten Gemeindeglied. Gab es für sie denn keine Antwort, keine Hoffnung angesichts dessen, was sie da erlebt hatten?

Schwestern und Brüder: Uns geht es heutzutage im Grunde auch nicht anders als den Christen in Thessalonich damals. Auch wir erfahren in unserem Leben immer wieder, wie hilflos wir sind angesichts der Macht des Todes, der einen Menschen, der uns nahestand, so plötzlich und unwiderruflich zu entreißen vermag. Und wir ahnen, dass alle Selbsttröstungsversuche nichts nutzen: Nein, der Verstorbene lebt eben nicht in unseren Herzen weiter, da machen wir uns etwas vor. Und er schaut erst recht nicht von einem Wölkchen auf uns herab. Ja, Schwestern und Brüder, sagen wir es ganz deutlich: Das ist auch nicht die Botschaft der Bibel, dass wir nach unserem Tod einfach irgendwie weiterleben. Es gibt nichts an uns oder in uns, was von Natur aus irgendwie unsterblich wäre, das doch irgendwie dem Tod entkommen könnte.

Brüder und Schwestern: Wenn wir nach unserem Tod doch irgendwie von selbst weiterlebten, dann bräuchten wir nicht Ostern zu feiern, dann könnten wir uns diesen Gottesdienst sparen, dann hätten wir uns auch die ganzen Taufen heute Nacht sparen können. Wenn wir nach unserem Tod doch irgendwie von selbst weiterlebten, dann sollten wir uns zu Ostern damit begnügen, ein schönes Frühlingsfest zu feiern und uns mit Schokoladenosterhasen vollzustopfen.

Doch es gibt eben nichts in uns und an uns, das uns nach unserem Tod weiterleben lässt. Und nur wenn wir das klar erkennen und anerkennen, beginnen wir zu ahnen, was wir eigentlich in dieser Nacht feiern: Wir feiern, dass es tatsächlich einen gegeben hat, der aus der absoluten Sackgasse des Todes ausgebrochen ist, diesen endgültigen, völligen, totalen Tod besiegt hat, ja, der lebt und uns an diesem Leben Anteil geben will. Unsere Hoffnung angesichts des Todes liegt nicht in uns selber, sondern sie kommt auf uns zu – kommt auf uns zu in der Gestalt des auferstandenen Herrn Jesus Christus.

Wenn wir heute Nacht die Auferstehung unseres Herrn feiern, dann feiern wir eben auch, dass unsere Zukunft, ja die Zukunft der ganzen Welt in den Händen des Siegers über den Tod liegt. Dann feiern wir auch, dass dieser Sieger über den Tod einmal kommen wird und auch all diejenigen, die schon gestorben sind, auferwecken wird. So ganz und total und völlig der Tod auch ist – er kann nicht verhindern, dass Christus ihm die wieder entreißt, die zu ihm gehören. Auferstehung, leibliche Auferstehung – so lautet also die Hoffnung, die wir als Christen haben, nicht einfach bloß: Weiterleben nach dem Tod. Auferstehung – ja, das heißt in der Tat: Dieser Mensch, der da leblos vor uns liegt, der wird einmal wieder neu zum Leben gerufen werden – von Christus selber. Und er wird dazu gerufen werden, mit Christus zu sein und zu bleiben allezeit. Das ist die Hoffnung, die Christus uns mit seiner Auferstehung geschenkt hat, dass wir mit ihm für immer leben werden, jawohl, mit ihm. Unsere Hoffnung besteht nicht darin, dass wir uns mal im Himmel mit 72 Jungfrauen vergnügen oder uns jeden Tag folgenlos besaufen können. Sondern unsere Hoffnung besteht einzig und allein darin, dass wir gemeinsam für immer mit Christus sein werden.

Und das ist eben auch nicht einfach bloß Zukunftsmusik: Es ist für uns hier und jetzt schon Gegenwart, so gewiss wir getauft sind. Wir haben es heute Nacht miterlebt, wie unsere Brüder und Schwestern schon jetzt mit Christus zum ewigen Leben auferweckt worden sind durch das Wasser der Taufe, und wir werden es gleich wieder erfahren, wenn wir den Leib und das Blut des auferstandenen Christus empfangen im Heiligen Mahl: Ja, da lebt er schon hier und jetzt in uns, der Sieger über den Tod, da haben wir das neue, unzerstörbare Leben schon hier und jetzt in uns. Und weil Christus in uns lebt, darum wird es nach unserem Tod für uns auch keine Wartezeit geben, auch wenn das nach unserer menschlichen Zeitrechnung so aussieht. Weil Christus in uns lebt, kann uns der Tod nicht eine Sekunde in seiner Gewalt halten, werden wir ihn im gleichen Augenblick schauen dürfen, an dem unser Leben hier auf der Erde endet. Ja, da treten wir schon ein in die neue Welt, die Christus mit seiner Auferstehung für uns eröffnet hat, da ist für uns schon Gegenwart, was für die, die noch hier auf der Erde zurückbleiben, noch Zukunft ist.

Darum müssen wir uns zu Ostern nicht mit Schokoladenosterhasen zufriedengeben, darum müssen wir uns nicht mit selbstgebastelten menschlichen Ausflüchten vor der Realität des Todes zufriedengeben. Weil Christus auferstanden ist, ist der Tod nicht das Ende, sondern nicht mehr als eine Tür in eine Welt, in der es den Tod dann endgültig nicht mehr geben wird. Schwestern und Brüder: Da können wir eigentlich gar nicht mehr damit aufhören, immer weiter Halleluja zu singen! Halleluja! Amen.

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