2. Korinther 1,18-22 | Vierter Sonntag im Advent | Pfr. Dr. Martens

Wenn hier vor dem Altar zwei Menschen heiraten wollen, dann gibt es während der Trauung eine Stelle, bei der ich nur eine Antwort von den beiden akzeptiere: Wenn ich frage, ob der eine die andere zu seiner Ehefrau nehmen will, und wenn ich frage ob die eine den anderen zu ihrem Ehemann nehmen will, gebe ich mich nicht mit Antworten wie „Vielleicht“ oder „Mal sehen“ oder „möglicherweise“ zufrieden. Ich mache mit der Trauung nur weiter, wenn ich dies eine Wort ohne jede Einschränkung gehört habe: „Ja“, „Ja, ich will“. Anders kann eine Ehe nicht beginnen, anders kann sie auch keinen Bestand haben, wenn nicht beide Ehepartner zueinander ohne jede Einschränkung, auch ohne zeitliche Einschränkung Ja sagen. Und hier in der Kirche bekommt man eben auch im Unterschied zum Standesamt keine zweite Chance, es sei denn, dass der Ehepartner stirbt – aber auch da darf man dann eben nicht nachgeholfen haben. Sondern dieses Ja gilt wirklich ein ganzes Leben lang.

Allerdings kann es dann im Leben trotzdem passieren, dass einer der Ehepartner oder auch beide im Laufe der Zeit zu diesem Ja nicht mehr stehen, dass die Ehe dann doch auseinandergeht. Aber so etwas geht dann eben nicht spurlos an den Betroffenen vorbei, wenn sie einmal erfahren haben, dass das Ja, das zu ihnen gesagt worden war, am Ende doch nicht gilt. Vielen Menschen fällt es nach dem Zerbrechen einer Ehe sehr schwer, einem anderen Menschen noch einmal vorbehaltlos zu vertrauen.

Und das gilt eben nicht nur für Eheleute: Kinder leben ganz wesentlich davon, dass sie erfahren, dass ihre Eltern zu ihnen vorbehaltlos Ja sagen, dass dieses Ja auch wirklich gilt und nicht in Frage gestellt wird. Nur so kann sich bei den Kindern ein Grundvertrauen aufbauen, das sie zu lebensfähigen Menschen macht. Und wie schrecklich ist es für Kinder, wenn sie dann erfahren müssen, dass das Ja, das sie einst von ihren Eltern vernommen hatten, in Wirklichkeit doch nicht gilt, dass sie sich doch nicht auf das verlassen können, was sie von ihren Eltern gehört hatten und erwarten konnten. Solche Erfahrungen können Menschen geradezu lebensunfähig werden lassen, wenn sie nicht mehr dazu in der Lage sind zu vertrauen, weil ihnen dieses Vertrauen in ihrer Kindheit so grundlegend abhandengekommen ist.

Wem können wir noch vertrauen? Das ist aber nicht nur eine Frage, die sich Menschen nach dem Zerbrechen einer Ehe stellt, die sich Kindern stellt, deren Vertrauen von ihren Eltern zerstört wurde. Sondern das ist eine Frage, die sich gerade heutzutage in besonderer Weise in unserem Umgang mit der Informationsflut, die täglich über uns hereinbricht, stellt. Wem können wir vertrauen? Dem, was uns im Fernsehen erzählt wird? Wohl nur sehr begrenzt! Dem, was wir in Zeitungen lesen können? Wohl nur sehr begrenzt! Dem, was uns Politiker versprechen? Wohl kaum! Schwierig ist es geworden, verlässliche Quellen zu finden, zu erkennen, von welchen Interessen die Veröffentlichung der Informationen geleitet ist, die uns tagtäglich erreichen. Der Begriff der „Fake News“ ist ja mittlerweile in aller Munde.

Wem können wir noch vertrauen? Können wir Gott vertrauen? Viele unserer Gemeindeglieder sind mit einem Glauben aufgewachsen, in dem für ein Vertrauen auf Gott, auf Allah, wenig Platz blieb. Schon als Kindern wurde ihnen beigebracht, dass Allah sie sowieso alle am Ende in die Hölle stecken wird, dass man aber zumindest niemals genau wissen kann, was er in Wirklichkeit mit einem Menschen vorhat. Wie soll man zu solch einem Gott Vertrauen fassen, von dem man nicht weiß, wie er eigentlich zu einem steht? Da bleibt dann am Ende nur noch die Unterwerfung unter diesen Gott, mehr nicht.

Auf diesem Hintergrund beginnen die Worte der Predigtlesung des heutigen Vierten Adventssonntags noch einmal ganz besonders zu leuchten. Denn da macht Paulus ganz deutlich: Jesus Christus ist nicht Ja und Nein, auch nicht ein Ja mit angezogener Handbremse, sondern Jesus Christus ist Gottes klares, uneingeschränktes Ja zu uns, in dem keinerlei verborgenes Nein mehr steckt.

Gott sagt Ja zu dir, und er steht zu seinem Ja im Unterschied zu allen Menschen, steht dazu ohne Wenn und Aber – das ist die wunderbare Botschaft dieser Adventszeit. Selbstverständlich sagt Gott auch Nein zu dir: Er sagt Nein zu deiner Sünde, zu deinem Unglauben. Gott sagt nicht: Ach, das ist alles nicht so wild; ich habe für alles Verständnis. Sondern Gottes Ja ist ein anderes: Gottes Ja unterscheidet zwischen uns und unserem Tun. Das ist ja etwas, was wir Menschen oftmals so schlecht können: Wenn wir sehen, dass ein Mensch etwas Falsches gemacht hat, versagt hat, dann identifizieren wir ihn oft ganz und gar mit dem, was da in seiner Vergangenheit war, unterscheiden nicht zwischen der Person und der Tat. Doch genau das macht Gott: Er sagt Nein zu deiner Sünde, und er sagt zugleich Ja zu dir. Und genau das passt zusammen in Jesus Christus, in ihm, dem Sohn Gottes, der das Nein Gottes zu unserer Sünde selber auf sich genommen hat, für uns gestorben ist, damit nur noch Gottes großes Ja zu uns stehen bleibt.

Gott sagt Ja zu dir. Nein, das heißt nicht bloß, dass er dir ein gutes Gefühl vermitteln will, weil du dich in deinem Leben angenommen weißt. Das wäre viel zu wenig. Gott sagt Ja zu dir – das ist eine Zusage, die ihre Kraft erst so ganz in der Ewigkeit entfalten wird. Gottes Ja zu dir – es hat eben Konsequenzen weiter über das Ende deines irdischen Lebens hinaus.

Gott sagt Ja zu dir – was für eine wunderbare Botschaft, die wir jetzt wieder in dieser Woche am Heiligen Christfest feiern werden: Gott legt sich so eindeutig fest, dass er selber Mensch wird, unwiderruflich, in alle Ewigkeit. Weihnachten – das heißt: Gott hat endgültig entschieden, dass er die Menschen retten will, ja, gerade auch die Menschen, die in ihrem Leben immer wieder Enttäuschungen erlebt haben, die gar nicht mehr selber dazu in der Lage sind, noch Vertrauen zu schöpfen.

Doch nun machen wir in unserem Leben immer wieder Erfahrungen, die dieses klare und eindeutige Ja Gottes dann doch wieder in Frage zu stellen scheinen:

Der Anlass für die Ausführungen des Apostels Paulus in unserem heutigen Predigttext ist der, dass der Apostel Paulus eigentlich den Korinthern versprochen hatte, sie bald noch einmal zu besuchen, aber dann doch kurzfristig aus durchaus verständlichen Gründen seine Reisepläne geändert hatte. Darüber waren die Korinther sehr enttäuscht und fragten sich: Wenn man dem Boten nicht mehr vertrauen kann, weil er sein Versprechen nicht einhält, wie sollen wir dann noch seiner Botschaft vertrauen, die er uns verkündigt hat?

Wir kennen diese Diskussion auch aus der heutigen Zeit: Wenn Boten des Evangeliums mit ihrem Verhalten das Vertrauen der Menschen verspielen, dann ist es ganz schwierig, ihnen noch die Botschaft nahezubringen, die sie verkündigt haben. Das gilt in großem Stil für die Frage des Missbrauchs von Anbefohlenen durch Verkündiger des Evangeliums. Aber das ist natürlich auch eine Herausforderung, vor der ich selber in meinem Dienst stehe: Wo stehe ich mit meinem Verhalten dem Evangelium im Wege, lasse das unglaubwürdig erscheinen, wofür ich in meiner Verkündigung eintrete?

Ja, als Mensch werde ich immer auch an der Zweideutigkeit teilhaben, die uns Menschen ganz grundlegend zu eigen ist. Doch das stellt gerade nicht in Frage, dass Gott im Unterschied zu uns Menschen immer eindeutig ist und bleibt: Er enttäuscht nicht; auf sein Wort können wir uns nicht nur hundertprozentig, sondern tausendprozentig verlassen. Wenn das Kind in der Krippe Gottes Ja zu uns ist, dann folgt auf dieses Ja nie mehr irgendein Aber von Gottes Seite.

 Und wenn dieses Aber nun nicht von Gott, sondern von den Erfahrungen unseres Lebens kommt, wenn wir aus dem, was wir erfahren, überhaupt nicht mehr erkennen können, wie Gott wirklich zu uns steht, wenn wir vielleicht gar in Zweifel geraten, ob Gott uns überhaupt noch hört, wenn wir zu ihm beten?

Paulus gibt den Christen in Korinth hier eine ganz klare und eindeutige Antwort: Er erinnert sie an das Ja, das Gott zu uns in unserer Taufe gesprochen hat, als er uns in Christus befestigt hat, mit seinem Geist gesalbt hat, uns sein Siegel aufgedrückt hat, dass wir sein Eigentum sind und bleiben. Die Taufe ist Gottes endgültiges Ja zu uns – und von diesem Ja kommt auch Gott selber nicht mehr los, selbst wenn er es wollte. Gott hat sich endgültig festgelegt, als er in der Taufe Nein zu dem alten Menschen gesagt hat, der in der Taufe gestorben ist, und dann vorbehaltlos Ja gesagt hat zu dem neuen Menschen, der in der Taufe auferstanden ist, so wie heute Morgen Manelie Emma auferstanden ist, Gottes Ja über ihrem Leben vernommen hat, noch bevor sie von sich aus irgendein Ja sprechen konnte. So ist Gott: Der macht sein Ja nicht von unserem Ja abhängig, der macht seine Treue nicht von unserer Treue abhängig. Sein Ja bleibt, ganz gleich was für Typen wir sind, ganz gleich, was für ein Typ der Pastor ist. Du bist getauft? Dann weißt Du, was Gottes letztes entscheidendes Wort über dir und deinem Leben ist. Es lautet: Ja! Und darauf sprechen wir: Amen.

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